«Cheers»: Ein Pub, das keines sein will

Jetzt hat auch Baar ein Pub – äxgüsi: eine Bar

Im «Cheers» ist auf dem Bildschirm der Fussball König.

(Bild: mam)

Eine Reise nach Irland hat zwei Baarer dazu bewegt, ihr eigenes Lokal aufzumachen. Kaum zu glauben: Das «Cheers» ist die einzige gescheite Bar in der 23’000 Einwohner zählenden Stadt. Für diese Erkenntnis benötigten wir allerdings mehr als einen Anlauf.

«Jetzt haben wir in Baar auch ein Pub», gab die charmante Arbeitskollegin aus der Räbenmetropole jüngst stolz bekannt. Es heisse «Cheers» und sei ziemlich beliebt. Also: Nichts wie hin zum zentralplus-Selbstversuch.

Erster Anlauf

Nach einem langen Arbeitstag beschliessen wir, im neuen Pub ein Feierabendbier zu trinken. Wir treten von der Bahnhofstrasse her ein. Aber – oh Schreck – das Lokal lässt alle äusseren Merkmale eines Pubs vermissen: kein Teppich am Boden, keine lange Bartheke, keine lange Reihe von Zapfhähnen, keine schummriges Licht. Dafür ein relativ moderner Gastraum, halbhohe Tische, Polster auf der Fensterbank, eine offene Küche, eine Weinwand, einige gut aussehende jüngere Gäste und eine freundliche Bedienung. Ein Ort, um gepflegt einen Aperitif zu trinken, ein feines Glas Wein oder mittags einen Business-Lunch zu sich zu nehmen. Durchaus sympathisch. Aber weil wir keinen Zapfhahnen entdecken können, blasen wir zum Rückzug.

Jetzt wollen wir’s wissen

Beim nächsten Ortstermin melden wir uns an und erscheinen mittags. Roberto Branca (31), der das Lokal zusammen mit dem gleichaltrigen Pirmin Ulrich betreibt, fragt: «Habt ihr denn unseren anderen Raum nicht gesehen?» Er führt uns zur eigentlichen Bar, in die man von der Dorfstrasse aus gelangt. Hier sieht’s schon eher nach britischer Geselligkeit aus: eine lange Theke, ein grosse Spirituosenauswahl, einige Bartische und eine Sitzecke, um sich hinzufläzen. Dazu zwei Bildschirme für Sportübertragungen und der Geruch nach Tabak.

«Wir waren zu einer Hochzeit nach Irland eingeladen.»

Roberto Branca, «Cheers», Baar

«Wir waren zu einer Hochzeit nach Kilkenny in Irland eingeladen», erzählt Roberto Branca. Als er dort mit Geschäftspartner Pirmin Ulrich in einer Bar sass, vor sich ein Guinness und ein Glas Cider, hätten sie sich gefragt, warum es eigentlich zu Hause in Baar keine solche Bar gäbe. «In Kilkenny reiht sich Pub an Pub und überall gibt es Musik.»

Auch eine Vinothek und ein Restaurant

Sie beschlossen, Abhilfe zu schaffen, und stiessen auf ihre Idee an: «Cheers». Damit war der Name fürs Lokal auch schon gefunden. An der Ecke Dorfstrasse/Bahnhofstrasse konnten sie schon wenig später – am 1. Dezember 2016 – ihre Gaststätte eröffnen. Zuvor war hier ein bosnisches Restaurant einquartiert.

Pirmin Ulrich (links) und Roberto Branca bieten im Cheers mittags immer zwei Menus an.

Pirmin Ulrich (links) und Roberto Branca bieten im Cheers mittags immer zwei Menus an.

(Bild: mam)

Branca hat Erfahrungen mit Restaurants. Seine Eltern führen seit 40 Jahre die «Krone» in Baar. Er kümmert sich deshalb um den grösseren Teil des Lokals, wo es mittags auch Essen gibt. Koch Michele D’Onofrio setzt auf «gutbürgerliche Küche», wie er sagt. Abends gibt es eine kleine Karte, die von Calamares bis zu Käsekuchen reicht. «Häppchen zur Begleitung der Getränke», erklärt Roberto Branca die Auswahl. Gedacht sind sie insbesondere, um den 30 Weinen zu schmeicheln, welche das «Cheers» im Angebot hat. Bis auf einen argentinischen Malbec sind es alles europäische Tropfen.

Die eigentliche Bar ist das Reich von Pirmin Ulrich, der lange Erfahrung als Barmann und ein grosses Herz für Cocktails besitzt. Die Bar ist Raucherzone. «Erst wollten wir alles rauchfrei gestalten», sagt Branca. Aber viele Leute hätten ausdrücklich einen Raucherbereich gewünscht und dies habe sich auch so bewährt. «Zumal unser ganzes Angebot in beiden Teilen des Lokals erhältlich ist.» Oft sei der Vinothek-artige Nichtraucherteil des Lokals zu Beginn des Abends besser besetzt. Das Publikum begebe sich dann aber zusehends in die Bar.

Die Probe aufs Exempel

Zum Schluss testen wir das «Cheers», erscheinen an einem Fussballabend und setzen uns in den Nichtraucherteil. Auf dem Bildschirm in der Ecke kämpft der FC Barcelona gegen Paris St. Germain. Das Publikum hier scheint sich nicht besonders dafür zu interessieren. Es sind Paare unterwegs – ungefähr 20 bis 50 Jahre alt – sowie einige Arbeitskolleginnen im verlängerten Feierabend. Es läuft Easy-Listening-Musik. Die Leute haben Soft-Drinks vor sich, Kaffee, Aperol Spritz und Bier. Man plaudert miteinander. Die Handys bleiben in der Tasche.

«In Kilkenny reiht sich Pub an Pub und überall gibt es Musik.»

Roberto Branca, «Cheers», Baar

Wir entscheiden uns für Bier. Vom Fass gibt’s den lokalen Stoff sowie Erdinger. In der Flasche ein Naturtrübes aus der Schweiz, Cider, Guiness, Starkbier aus New York, sowie mehrere Baarer-Bier-Spezialitäten. Ehrlich: In einem richtigen Pub würden wir eine grössere Vielfalt an Fassbier erwarten. Auch das Darts-Spiel im Gang sieht nicht so aus, als wäre es schon oft benutzt worden. Wir werfen einen Blick in die Bar, wo Pirmin Ulrich mit einigen hübschen Spezialitäten aufwarten kann – zum Beispiel dem famosen Heuschnaps aus Hasliberg.

Taugt als Treffpunkt für Baarer

Für einen Mittwochabend ist das Lokal ziemlich voll. Die Vinothek leert sich nun zusehends, während es in der Bar immer enger wird. Aus der verregneten Nacht tauchen eidgenössische Truppen auf und die Soldaten im Ausgang besetzen die letzten freien Plätze. Mittlerweile läuft AC/DC und Zigarettenrauch kringelt sich im Licht der Schweinwerfer.

Fazit: Das «Cheers» ist kein richtiges Pub, aber die Betreiber nennen ihr Lokal auch gar nicht so. Das «Cheers» ist ein sympathischer Hangout in der Mitte des Dorfes. Es wirkt nicht billig, eher hübsch, hat aber moderate Preise und kann ganz unterschiedlichen Leuten ein breites Angebot machen – ist deswegen auch für Jung bis Alt geeignet.

Und noch eins: Es ist die einzige gescheite Bar in Baar. Die Hans-Waldmann-Bar im Hochhaus Baar-City wurde neu als Önothek positioniert und schliesst um 22 Uhr. Die beiden andern Lokale an der Dorfstrasse, die ebenfalls für ein Apéro in Frage kommen – Café Sunshine und Silvia’s Café-Bar – sind in erster Linie Kaffeehäuser. Und alles andere in der 23’000-Seelen-Gemeinde, was eine Theke hat, gehört entweder zu einem Speiserestaurant, einem Imbiss oder einem Hotel.

Also müsste es nicht heissen: «Baar hat nun endlich auch ein Pub», sondern: Baar hat endlich eine Bar.

Update: Die Betreiber von Silvia’s Café-Bar legen Wert auf die Feststellung, dass sie abends ebenfalls eine Bar seien. Das Lokal hat Montag bis Donnerstag bis 19 Uhr geöffnet, am Freitag bis 24 Uhr.

Bar in Baar: das Cheers.

Bar in Baar: das Cheers.

(Bild: mam)

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