Abstimmung Pflegefinanzierungs-Initiative

Jeder Luzerner zahlt 442 Franken für Pflege

Wenn alte Menschen Pflege brauchen, kann es rasch sehr teuer werden. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Städter zahlen über 400, andere nur gut 30 Franken für die Pflege älterer Menschen. Dies ist ungerecht, finden die Macher der Initiative «Für eine gerechte Aufteilung der Pflegefinanzierung», über die am 15. November abgestimmt wird. Ausser der SVP sind alle dagegen, dennoch rechnen sich die Initianten gute Chancen aus.

Seit vier Jahren ist die neue Pflegefinanzierung in Kraft. Die Luzerner Gemeinden müssen seither die Kosten der Pflegefinanzierung aus eigener Tasche bezahlen. Und das ist ein ziemlicher Brocken: 108,3 Millionen Franken berappten die 83 Gemeinden letztes Jahr dafür. Die Pflegefinanzierungskosten für die Gemeinden sind somit rund 25 Mio. Franken höher als von der Regierung bei der Verabschiedung des Gesetzes vor einigen Jahren im Kantonsrat prognostiziert. Viel zu viel, findet das Komitee, welches sich mit seiner Initiative gegen die geltende Regelung wehrt. Der Kanton solle sich zur Hälfte an den Kosten beteiligen. Und so die ohnehin strapazierten Gemeindefinanzen entlasten helfen, so die Forderung der Initianten.

«Man kann nicht alle Kosten auf die Gemeinden abwälzen.»

Bernhard Steiner, SVP-Kantonsrat

«Höchst ungerecht»

Am 15. November wird über die Initiative des überparteilichen, SVP-nahen Komitees abgestimmt. Die Regierung, der Kantonsrat und die Grünen lehnen die Initiative ab. Die SVP und die Jungfreisinnigen haben die Ja-Parole gefasst. Die Parolenfassung der übrigen Parteien ist noch ausstehend. Die Initianten sind dennoch zuversichtlich und hoffen auf ein Ja der Bevölkerung. «Wir rechnen uns durchaus Chancen aus», sagt SVP-Kantonsrat Bernhard Steiner aus Entlebuch. Die Gemeinden und ihre Finanzen liegen den Menschen nahe. Und: «Man kann nicht alle Kosten auf die Gemeinden abwälzen», so Steiner.

Das Problem am heutigen System ist vor allem die grosse Ungerechtigkeit und Ungleichheit unter den Gemeinden, finden die Initianten. In der Stadt Luzern fielen letztes Jahr 35,7 Millionen Franken an Pflegekosten an – das macht pro Einwohner rund 442 Franken jährlich aus. Ganz anders sieht es etwa in Meierskappel aus: Dort musste pro Bürger nur 35 Franken für die Pflege bezahlt werden. «Das ist über zehn mal weniger und damit höchst ungerecht», findet Steiner.

Der Grund für diese grossen Unterschiede unter den Gemeinden liegt in der Altersstruktur. In der Stadt leben relativ viele ältere Menschen, entsprechend sind die Kosten für die Pflege hoch. «In Schenkon zum Beispiel, wo es viele jüngere Neuzuzüger gibt, sind diese Kosten viel geringer», so Steiner.

Grosse finanzielle Probleme

Besorgnis erregend ist die Situation zum Beispiel in Werthenstein. 905’000 Franken musste die Gemeinde 2014 für die Pflegefinanzierung hinblättern. Dies entspricht rund einem Sechstel der Steuereinnahmen von 5,3 Millionen und macht gut vier Steuerzehntel aus, rechnet Steiner vor. «Das ist einfach zu viel. Hinzu kommt, dass Werthenstein bereits heute einen hohen Steuerfuss von 2,4 Einheiten hat.» Es ist ja klar, dass vor allem Gemeinden mit wenig finanziellen Reserven und einem hohem Anteil von pflegebedürftigen Heimbewohnern diese finanzielle Last nicht tragen können. Einige Gemeinden mussten unter anderem deswegen ihre Steuern bereits auf 2,6 Einheiten erhöhen.

Im Durchschnitt bezahlt eine Luzerner Gemeinde pro Einwohner und Jahr 213 Franken an die Pflegekosten. Ob dieser Betrag höher oder tiefer liegt, ist vor allem für kleinere Gemeinden schwer zu kontrollieren – einige wenige Pflegefälle können das Budget bereits gehörig durcheinanderschütteln. Ein Pflegefall der maximalen Stufe zwölf kostet eine Gemeinde bis zu 140 Franken – täglich. So kann ein «Fall» die Gemeindekasse pro Jahr mit rund 45’000 Franken belasten. Sind es gleich mehrere, so wird es insbesondere für kleine Kommunen mit wenig Steuersubstrat zur finanziellen Belastungsprobe.

«Es liegt auf der Hand, dass Gemeinden auf Kosten der Heimbewohner bei der Pflegefinanzierung sparen.»

Bernhard Steiner, SVP-Kantonsrat

Ständig steigende Kosten

Problematisch ist auch der Umstand, dass die Kosten der Alters- und Pflegeheime wegen der demografischen Altersstruktur und der medizinischen Entwicklung ständig steigen. Mit dem Pflegefinanzierungsgesetz, das seit 2011 in Kraft ist, wollte man pflegebedürftige Personen finanziell entlasten und Krankenversicherungen nicht zusätzlich belasten. Die Krankenkassen zahlen einen fixen Beitrag an die Pflege, die Sozialversicherungen beteiligen sich je nach Bedarf – die Restkosten tragen zu 100 Prozent die Gemeinden. Es bestehe in diesen Gemeinden das Risiko für Lücken bei der Restfinanzierung, so Bernhard Steiner. «Es liegt auf der Hand, dass Gemeinden auf Kosten der Heimbewohner bei der Pflegefinanzierung sparen oder die Kosten für die Pension und Betreuung erhöhen.»

Das will die Initiative ändern und den Kanton mit in die Pflicht nehmen. «In vielen Kantonen war man sich von Anfang an einig, dass solche Finanzierungslücken nur zu verhindern sind, wenn der Kanton sich an der Restfinanzierung beteiligt und somit die ungleichen Belastungen einzelner Gemeinden ausgeglichen werden können», sagt Steiner.

Die Initiative stösst bei der Regierung auf wenig Gegenliebe. Der Kantonsrat erteilte ihr im Sommer mit 82 zur 27 Stimmen eine klare Abfuhr, die Regierung empfiehlt die Vorlage ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. Sie sei keine Lösung für die steigenden Kosten in der Pflegefinanzierung, zudem würde der Kanton, wenn er 50 Prozent zahle, eine Mitspracherecht erhalten, was die Gemeindeautonomie ankratzen würde, wird argumentiert.

Für den Kanton finanziell nicht tragbar

Für die Regierung widerspricht die Initiative der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden. Zudem sei die Mehrbelastung des Kantons in der neuen Spitalfinanzierung weit höher als die der Gemeinden in der Pflegefinanzierung. Auch sei die Initiative für den Kanton finanziell nicht tragbar. Die Verteilung der Kosten zwischen Gemeinden und Kanton müsse zudem im Rahmen der Finanzreform 2018 in einer Gesamtschau betrachtet werden. Bernhard Steiner: «Nachdem die Regierung innerhalb der verlängerten Behandlungsfrist von zwei Jahren keinen brauchbaren Gegenvorschlag ausarbeiten konnte, wird die Problematik weiter auf die lange Bank geschoben.» (zur Medienmitteilung des Kantons)

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