Deswegen verzichten Luzernerinnen auf Antibabypille

«Jeden Tag Hormone in mich hineinzuschütten, erschien mir plötzlich unnötig»

Die Pille war einst Verhütungsmittel Nummer 1 – obwohl die Liste der Nebenwirkungen lange ist. (Symbolbild: Adobe Stock)

Gerade feierte sie ihr 60-Jahre-Jubiläum, doch immer mehr Frauen verzichten auf die Pille als Verhütungsmittel. Das zeigt sich auch im Gespräch mit drei jungen Luzernerinnen.

Man merkt es im Gespräch mit Freundinnen oder beim Durchscrollen auf Instagram: Immer mehr Frauen scheinen auf die Antibabypille zu verzichten.

Das untermauern auch Zahlen. Während zwischen 1992 bis 2002 noch 30 Prozent der 15- bis 49-Jährigen die Pille nahmen, waren es im Jahr 2007 laut dem Schweizerischen Verhütungsbericht nur noch 18 Prozent. Gerade bei den Millennials scheint die Pille immer weniger beliebt zu werden. So greifen heute etwas über 15 Prozent weniger Frauen in ihren Zwanzigern auf die Pille zurück als noch vor 15 Jahren. 

Eine Ärztin erklärte den Rückgang gegenüber der «Tagespost» damit, dass das Bewusstsein wachse, dass die Pille «kein Lifestyle-Präparat ist, sondern in den Hormonhaushalt eingreift und auch Nebenwirkungen haben kann».

Das Thema beschäftigt auch im Freundeskreis. Wir treffen drei junge Luzernerinnen zum Gespräch.

Eine von ihnen ist die 28-jährige Stefanie*, die sieben Jahre lang die Pille eingenommen hat. Nun verzichtet sie darauf. «Ich wollte wissen, wie sich mein Körper und meine Psyche verändert ohne die zugeschütteten Hormone.» Ein weiterer Grund war, dass sie in keiner festen Beziehung war.

Auch Sophia* (26) und Simona* (27) haben sich entschieden, auf das Verhütungsmittel zu verzichten. «Jeden Tag Hormone in mich hineinzuschütten, erschien mir plötzlich unnötig», sagt Sophia.

Alle drei Frauen sagen, dass es damals in der Pubertät normal gewesen sei, die Pille zu nehmen. Ging man zur Frauenärztin und klagte über Akne oder Schmerzen bei der Periode, so wurde einem das Pillenrezept in die Hand gedrückt. Simona sagt, sie sei nie über die Nebenwirkungen – ausser über Thrombose – aufgeklärt worden.

Doch die Liste der Nebenwirkungen der Pille ist lang – denn sie wirkt auf den natürlichen Hormonhaushalt von Frauen. Sexuelle Unlust, Wassereinlagerungen, Stimmungsschwankungen und Depressionen sind nur einige der möglichen Nebenwirkungen.

Auf sozialen Medien immer wieder Thema

Laut einer Statistik des Bundes, die vor drei Jahren veröffentlicht wurde, verhütet 78 Prozent der Schweizer Bevölkerung. 34 Prozent schützen sich mit Kondomen und 27 Prozent mit der Antibabypille vor einer ungewollten Schwangerschaft.

Auch auf sozialen Medien erzählen viele Frauen und Influencerinnen über ihre Pillengeschichte – und dass sie es nicht bereuen, nun pillenfrei zu leben.

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Auch die Luzernerin Anja Zeidler hat gegenüber der «Schweizer Illustrierten» über das Thema gesprochen. Ihr sei mit 14 Jahren recht schnell die Pille verschrieben worden. «Ehrlich gesagt, ein wenig zu schnell.» Und auch sie sagt: «Ich bin gar nicht wirklich aufgeklärt worden, was die Pille für meinen Körper bedeutet.»

Stimmungsschwankungen und Wassereinlagerungen los

Simona hat die Pille fünf Jahre lang genommen, seit zwei Jahren verzichtet sie nun darauf. «Es geht mir viel besser als vorher.» Als sie begonnen hat, die Pillezu nehmen, habe sie immer Phasen erlebt, in denen es ihr schlecht ging, in denen sie sich depressiv fühlte, Stimmungsschwankungen hatte. Das alles ist nun passé. Auch ihre Haut sei viel besser. Ob es wirklich an der Pille lag, kann Simona natürlich nicht definitiv sagen. Fakt ist: Seit sie pillenlos ist, fühlt sie sich glücklicher. «In den fünf Jahren, in denen ich die Pille jeden Tag schluckte, habe ich mich nie gefragt, ob meine Downs mit der Pille zu tun haben könnten.»

Auch Sophia hat Veränderungen an ihrem Körper wahrgenommen. «Ich wurde Wassereinlagerungen los und bin wieder fünf Kilo leichter», sagt die Luzernerin. Psychisch hat sie allerdings nichts gespürt – wie auch Stefanie nicht. «Ich habe nicht mehr Lust auf Sex als zuvor oder spüre meinen Körper oder Zyklus anders», sagt Sophia. Darüber ist sie auch ein wenig enttäuscht: dass die Pille wohl doch nicht einen derart grossen Einfluss auf ihren Körper nahm und dass sie sich pillenlos nun nicht völlig anders fühlt. Auch andere Freundinnen von ihr haben ähnliche Erfahrungen gemacht. «Und dann im Gegenteil dazu sogar wieder Regelschmerzen oder schlechtere Haut bekommen.»

«Keine guten Alternativen»

Und nun also: Auf Nimmerwiedersehen, Pille? Nicht ganz. Stefanie ist seit einigen Wochen in einer neuen Beziehung – und hat sich die Pille wieder verschreiben lassen. «Für mich gibt es nicht wirklich gute Alternativen in der Verhütung», sagt sie.

Simona und Sophia hingegen können sich derzeit nicht vorstellen, diese wieder zu sich zu nehmen. «Ich finde auch, dass Verhütung nicht mehr einfach nur Frauensache sein sollte», sagt Sophia. Und damit spricht sie eine interessante Sache an: Als die Pille vor 60 Jahren auf den Markt kam, galt sie als ein Symbol der Emanzipation. Frauen konnten selber entscheiden, ob sie schwanger werden wollen oder nicht. Und dass Sex eben nicht nur fürs Kinderkriegen da ist, sondern auch ein Zeichen der Liebe und Lust ist, wie Arzt und Historiker Ronald Gerste in einem Beitrag von «SRF» sagte. Währenddem heute mehr das Bewusstsein da ist, dass Verhütung eben nicht nur Sache der Frau sein sollte.

Ob Stefanie bereut, wieder die Pille zu nehmen? Sie überlegt lange. Und sagt: «Witzigerweise habe ich jetzt doch das Gefühl, dass ich mit der Pille emotionaler bin als vorher.»

*Namen der Redaktion bekannt.

Hinweis: In einem nächsten Artikel konfrontiert zentralplus eine Expertin damit, wie gefährlich die Pille wirklich ist und ob sie ausgedient hat.

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