Lotteriefonds: Kritik, aber auch mehr Transparenz

Ist Tourismus gemeinnützig oder kommerziell?

Die Seerosen-Plattform wird 2015 in den verschiedenen Seekantonen ankern. Der Kanton Luzern beteiligt sich an ihrer Realisierung mit Lotteriefondsgeldern. (Bild: zvg)

Der Kanton Luzern weist erstmals detailliert aus, wer 2013 welche Beiträge aus dem Lotteriefonds erhalten hat. «Das ist ein Erfolg», sagt der grüne Kantonsrat Hans Stutz. Doch hinter gewisse Zahlungen setzt er Fragezeichen. Zum Beispiel hinter die 200’000 Franken an die Event-Plattform «Seerose».

2015 feiern die Zentralschweizer Tourismusorganisationen ein künstliches Jubiläum. Unter dem Namen «Gästival» oder «200 Jahre Gastfreundschaft» wird die besondere Rolle der Innerschweiz in der schweizerischen Tourismusgeschichte mit vielen Anlässen zelebriert. Herzstück ist eine schwimmende Plattform in Form einer Seerose, die auf dem Vierwaldstättersee unterwegs ist.

«Diese Tourismusförderung aus Lotteriefondsgeldern zu finanzieren, finde ich problematisch», sagt Hans Stutz. Es seien zwar kulturelle Events auf der Seerose geplant. Aber der Anlass sei grundsätzlich als PR-Übung für den Innerschweizer Tourismus aufgebaut. Der Kanton Luzern hat 2013 aus Lotteriegeldern eine Teilzahlung von 200’000 Franken an den Verein 200 Jahre Gastfreundschaft geleistet. Der Verein wird von Adelbert Bütler präsidiert, Verwaltungsrat und ehemaliger VR-Präsident der Luzern Tourismus AG.

«Gästival ist eine PR-Übung der Innerschweizer Tourismusbranche»

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne

Der Regierungsrat wehrt sich gegen diese Kritik. Uri, Schwyz, Luzern, Ob- und Nidwalden würden 2015 mit Beteiligung des Bundes die 200-jährige Tourismusgeschichte der Region feiern. Herzstück der Feierlichkeiten sei mit der Seerose «ein architektonisches Gesamtkunstwerk in Form einer schwimmenden, multifunktionalen Plattform». Das Konzept sehe eine vielfältige kulturelle Nutzung vor: Projektionen, Lesungen, Präsentationen, künstlerische Interventionen, Ausstellungen, Märkte, musikalische Darbietungen etc.

Die Staatskanzlei schreibt: «Gemäss der kantonalen Lotteriegeldverordnung ist die Vermittlung von kulturellen Werken an ein möglichst grosses Publikum und an die verschiedensten Bevölkerungsgruppen wichtig. Das Projekt Seerose ist in Zusammenhang mit dem Jubiläum aktuell und äusserst innovativ. Auch die Wirkung und Resonanz der Kulturvermittlung wird durch die professionelle Organisation und die zu erwartenden Besucherzahlen als hoch eingeschätzt und die kulturelle Vielfalt wird durch die Projektkonzeption gefördert.» Das Projekt sei überdies weder kommerziell, noch erfülle es andere Ausschlusskriterien gemäss der Lotterieverordnung.

Für Moskaureise kritisiert

Soweit zur Seerose. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass der Luzerner Regierungsrat das Wort «gemeinnützig» grosszügig zugunsten der Wirtschaft auslegt. zentral+ hatte 2013 publik gemacht, dass der Werbeauftritt des Kantons Luzern in Moskau im letzten November anfänglich vollumfänglich aus dem Lotteriefonds bezahlt werden sollte. Inklusive Auftritte und Spesen der Wirtschaftsdelegation.

Die Aufsichtsbehörde Comlot hatte die Regierung daraufhin gerügt. Das hat sie sich zu Herzen genommen. Wie die Staatskanzlei zentral+ mitteilt, habe die Lotterie- und Wettbewerbskommission Comlot festgestellt, «dass der Auftritt des Kantons Luzern in Moskau nicht ausschliesslich gemeinnützigen oder wohltätigen, sondern auch kommerziellen Zwecken diente.»

«Nur gemeinnützige oder wohltätige Programmteile aus dem Lotteriefonds finanzieren»

Philipp Berger, Kommunikationsbeauftragter Staatskanzlei Luzern

Auch Basler Regierung in der Kritik

Das Thema Lotteriefonds sorgt nicht nur in Luzern für politischen Zündstoff. In Basel-Stadt hinterfragt momentan  die Geschäftsprüfungskommission des Parlaments die «Jekami-Vergabepraxis» der Regierung. «Es kann nicht sein, dass der Swisslos-Fonds zum Kässeli umfunktioniert wird, mit dem die Departemente nach Lust und Laune Projekte alimentieren, die sich aus dem ordentlichen Budget nicht finanzieren lassen», sagte der Basler GPK-Präsident Tobit Schäfer in der «Tageswoche». In Basel hatte die Regierung Standortmarketing-Massnahmen aus dem Swisslos-Fonds bezahlt, was für heftig Kritik sorgte.

«Die Comlot hat der Regierung empfohlen, in diesem aber auch in künftigen Anwendungsfällen darauf zu achten, dass mit den Mitteln, welche dem Lotteriefonds entnommen werden, nur jene Teile des Programms finanziert werden, welche tatsächlich gemeinnützigen oder wohltätigen Zwecke dienen. Diese Empfehlung setzen wir um», sagt der Kommunikationsbeauftragte Philipp Berger.

Der Kanton hat gemäss Recherchen von zentral+ Anfang Jahr offensichtlich die Bremse gezogen, weitere grössere Veranstaltungen teilweise aus dem Lotteriefonds zu bezahlen. Im Februar machte zentral+ publik, dass Luzern seinen Auftritt als Gastkanton am Zürcher Sechseläuten 2015 abgesagt hat. Der Auftritt, den die Regierung zuerst als rein kulturellen Anlass betrachtete, hätte eine halbe Million Franken gekostet.
Der Kanton Luzern legte damals Wert auf die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Absage noch kein Konzept vorlag. Damit sei auch nicht entschieden worden, aus welchen Quellen der Gastauftritt in Zürich finanziert werden sollte. In jedem Fall wäre der Auftritt nur zu einem Teil aus dem Lotteriefonds unterstützt worden und auch nur dort, wo es die Lotterieverordnung vorsehe, schrieb der Kanton zentral+.

Nicht abgesagt hat Luzern seine Teilnahme als Gastkanton an der diesjährigen Olma. Die 1,4 Millionen Franken werden weiterhin aus Swisslos-Geldern bezahlt.

Transparenter und detaillierter

Für 2013 weist die Luzerner Regierung nun detailiert auf 60 Seiten aus, wer welche Beiträge aus dem Lotteriefonds erhalten hat. Das hingegen freut Hans Stutz, der die Vergabepraxis der Regierung in seinen Vorstössen immer wieder kritisch hinterfragt hatte. «Der sichtbare Erfolg der politischen Auseinandersetzungen ist, dass der Bericht nun viel umfangreicher und genauer ist. Früher wurden nur die grössten Beträge gezeigt. Die Regierung hat gemerkt, dass sich etwas ändern muss», sagt der grüne Kantonsrat.

Diese Praxisänderung bestätigt der Kanton. Es sei richtig, dass bis und mit 2012 in gewissen Bereichen die Auszahlungen von Lotteriegeldern unter einem Sammelposten zusammengefasst ausgewiesen wurden. «Ab dem Jahr 2013 wird jede einzelne Auszahlung gesondert ausgewiesen. Der Kanton Luzern entspricht damit dem wiederholt formulierten Anliegen nach Transparenz», sagt Philipp Berger.

Tatsächlich geht Luzern damit einen Schritt weiter als seine Nachbarn: Der Kanton Zug mit 7,7 Millionen Franken Auszahlungen 2013, nennt die Namen der Begünstigten und das unterstützte Projekt, aber nicht die einzelnen Zahlungen; Diese werden summarisch nach Gruppen zusammengefasst. Auch in Schwyz werden Beiträge nur nach Sparten offengelegt.

Weitere umstrittene Beträge

Zurück zum Luzerner Lotteriefonds-Bericht 2013. Dieser enthält neben der «Seerose» weitere Beitragszahlungen, die für Diskussionen sorgen könnten. Beispielsweise die 80’000 Franken des Gesundheits- und Sozialdepartements an die Ehe- und Familienberatungsstelle «Elbe Luzern». Der Verein führt im Auftrag der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden und deren Landeskirchen eine Beratungsstelle. «Er erfüllt damit die gesetzliche Verpflichtung der Kantone, Ehe-, Familien- und Schwangerschaftsberatungen einzurichten», heisst es auf seiner Webseite.

Ein gesetzlicher Auftrag wird normalerweise aus ordentlichen Budgetmitteln bezahlt. zentral+ fragte beim Kanton nach. Die Antwort der Staatskanzlei: «Die 2013 gesprochenen 80‘000 Franken sind als Beitrag für die Organisations-Reorganisation geleistet worden und hängen nicht mit dem Leistungsauftrag zusammen.»

«Sinnlos, mit einer Regierung zu diskutieren, die zu keiner Änderung bereit ist»

SVP-Kantonsrat Guido Müller

Revierjagd und Seilkranförderung

Fragen kann man sich auch, warum das Gesundheits- und Sozialdepartement 5’000 Franken an den Luga-Auftritt der Revierjäger aus Lotteriegeldern bewilligte, findet Stutz. Ist Jagd gemeinnützig oder sozial? Die Antwort des Kantons: «Damit wird ein Beitrag zur Information über das Jagdwesen und zur Verständigung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen geleistet.» Die Staatskanzlei weist ausserdem auf die Lotteriegeldverordnung hin. Danach kann der Kanton Beiträge für Informationstätigkeiten im Natur- und Landschaftsschutz sowie Umweltschutzbereich im Bereich der nachhaltigen Entwicklung leisten.
Hans Stutz überzeugt das nicht: «Was der Kanton Information nennt, ist in diesem Fall Interessenvertretung von Privilegierten.»

Eigenartig findet Hans Stutz auch die vielen Beiträge des Bau-, Umwelt und Wirtschaftsdepartements an die Seilkranförderung. Davon profitierten gemäss Bericht manche private Waldbesitzer, Waldgenossenschaften oder das kantonale Forstrevier in Sursee. Auch diese Beiträge verteidigt der Kanton. Dank den Seilkranbeiträgen könnten Bergwelder gepflegt werden, die nur ungenügend erschlossen seien. «Gepflegte, vitale und stabile Bergwälder liegen im öffentlichen Interesse», sagt Berger. Ausserdem könne dank dem Seilkraneinsatz darauf verzichtet werden, Wege teuer auszubauen, denn das stehe oft im Widerspruch mit Natur- und Landschaftsschutz.

Momentan keine weiteren Vorstösse geplant

Hans Stutz plant keine weiteren Vorstösse zum Thema, sagt er gegenüber zentral+. Noch ausstehend ist die Antwort der Regierung auf seine Einzelinitiative. In dieser fordert Stutz, dass eine Stiftung statt der Regierungsrat die Lotteriefonds-Gelder verwalten und verteilen soll wie es im Kanton Waadt der Fall ist.

Von SVP-Seite hat der Regierungsrat momentan ebenfalls nichts zu befürchten. Fraktionschef Guido Müller: «Es ist sinnlos mit einer Regierung zu diskutieren, die zu keiner Änderung bereit ist.» Müller hatte erfolglos gefordert, dass der Luzerner Kantonsrat ein Mitspracherecht bei der Vergabe der Lotteriefondsgelder erhalten soll, wie das im Kanton St. Gallen der sei. Doch Regierung und Parlament lehnten seine Motion im Januar 2013 ab. Müller bedauert dies. «Es gibt in St. Gallen nicht solche Auswüchse wie in Luzern mit der Moskaureise und dem Gast-Auftritt an der Olma», sagt er.

Er findet, dass das Parlament konsultiert werden sollte vor der Vergabe von grossen Beträgen aus dem Lotteriefonds. «Wir wollen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden», sagt er.

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