E-Sports-Turnier als gesellschaftlicher Event

Ist das Sport? Jugendliche zocken in Emmen stundenlang

E-Sport-Turnier in Emmen: Der Altersunterschied zwischen den Spielern ist oft ziemlich gross. (Bild: bic)

Bis am Samstag messen sich in Emmenbrücke junge Leute im Videospiel «Fifa19». Solche Anlässe müssen trotz einiger Vorbehalte nicht nur eine Gefahr für die Jugendlichen sein. Und E-Sport könnte sich vielleicht schon bald als normale Sportart etablieren. Dies zeigt ein Augenschein vor Ort.

Ein professionell organisiertes Fussballturnier mitten im Emmen Center, während draussen die Spätersommersonne wärmt? Klingt irgendwie speziell, ist für viele Zocker aber absolut normal. Solche Events sind europaweit im Trend.

Das Einzige, was hier unkonventionell anmutet, ist, dass die Spieler nicht in Teams, sondern alleine antreten und vor einem Bildschirm sitzen, statt an der frischen Luft einem Ball hinterherzurennen.

Rund 60 Gamer messen sich diese Woche im Einkaufstempel im Fussballvideospiel «Fifa19» an der so genannten E-Sports-Week. Gespielt wird eins gegen eins oder zwei gegen zwei.

Spieler aus der ganzen Schweiz

Aus dem ganzen Land sind die Spieler nach Emmenbrücke gereist, man hört die verschiedensten Dialekte. Dabei ist auch der 22-jährige Cédric aus dem Kanton Solothurn. «Ich spiele ‹Fifa› seit ich etwa acht Jahre alt bin. Mittlerweile ist es sogar zu meinem wichtigsten Hobby geworden», erzählt er. Für ihn ist es das zweite offizielle Turnier – und werde kaum das letzte sein.

«Da ich im Moment Zivildienst leiste, komme ich nicht so oft zum Spielen und muss dies darum vor allem während der Ferien tun», sagt Cédric. Wegen der Preise von insgesamt 4’000 Franken, die es zu gewinnen gibt, sei er aber nicht hier. «Es geht in erster Linie darum, sich mit anderen guten Spielern zu messen. Denn jeder, der mitmacht, glaubt, dass er ziemlich gut ist», so Cédric, der fast nie etwas anderes spielt als «Fifa».

Spielt fast nur «Fifa»: Cédric aus Solothurn. (Bild: bic)

E-Sport: Eine klare Männerdomäne

Ebenfalls dabei ist ein 21-Jähriger aus der Stadt Bern. Als Fan ist seine Freundin dabei, sie ist weit und breit die einzige Frau. Unter den Teilnehmern befinden sich ausschliesslich junge Männer zwischen 16 und etwa 30.

Dass E-Sport eine Männerdomäne ist, bestätigt Denny Hilpert, der mit seiner professionellen E-Sport-Firma für den reibungslosen Ablauf des Turniers verantwortlich ist. «Wir haben in den letzten Jahren hunderte von Turnieren in verschiedenen Ländern durchgeführt. Unter den bislang gut 10’000 Teilnehmern waren nur etwa 10 Frauen und diese haben erst noch zwei gegen zwei gespielt», sagt der Deutsche. Dieses Bild zeigt sich auch an anderen Turnieren mit Videospielen.

Ein Küsschen als Belohnung: Ein Teilnehmer aus Bern steht im Finalturnier. (Bild: bic)

Noch Zeit für anderes?

Bleibt neben dem Gamen noch Zeit für anderes? Zum Beispiel für die Pflege des sozialen Umfelds. «Obwohl er viel spielt, findet er noch genügend Zeit für mich», sagt die Freundin des Berners gelassen. Für ihn ist es das zweite öffentliche Turnier, Videospiele sind mittlerweile sein Haupthobby.

«Keiner hadert mit dem Schiedsrichter, der logischerweise komplett unparteiisch ist.»

Daniel Frank, E-Sport-Veranstalter

An Turniere gehe er nur mit «Fifa», da er bei diesem Game eindeutig am besten sei. «Es ist nicht einfach, hier zu bestehen, denn es hat einige gute Gamer dabei, die man zudem nicht kennt. Das macht das Ganze noch schwieriger», lobt er das Niveau. Bisher lief es ihm gut: Er hat sich für das Finalturnier vom Samstag qualifiziert.

Die Frage nach der Verantwortung

Gemeinsam zocken, statt draussen Fussball zu spielen – und das erst noch um nicht ganz günstige Sachpreise. Bringt das nicht auch Gefahren mit? «Natürlich ist es enorm wichtig, dass wir uns Gedanken über die Folgen von E-Sports und solchen Turnieren machen», sagt der Luzerner Daniel Frank. Seine PR-Agentur veranstaltet regelmässig Events im Emmen-Center.

«Die Teilnahme ist erst ab 16 Jahren möglich und das Startgeld beträgt lediglich 10 Franken. Damit wollen wir dafür sorgen, dass die Jugendlichen nicht zu viel Geld ausgeben», so Frank. Auch habe man die Preissumme bewusst tief gehalten.

Veranstalter Daniel Frank im Gespräch mit E-Sport-Profi Luca «Lubo» Boller. (Bild: bic)

Die Kritik an solchen Anlässen kann Frank nachvollziehen, er betont aber die positiven Seiten von E-Sports: «Die Paarungen lassen wir vom Computer auslosen, weshalb das Prozedere absolut fair ist.» Und auch das Spiel selber könne viel gerechter sein als der echte Fussball. «Keiner hadert mit dem Schiedsrichter, der logischerweise komplett unparteiisch ist.»

Nach einem Match spreche man über die besten Szenen und habe meistens viel Lob füreinander übrig, so Frank. «Vor allem wenn das Spiel sehr knapp war, mogeln ist gar nicht möglich.»

Das bestätigt sich beim Augenschein vor Ort: Junge und ältere Spieler kommen ins Gespräch. Ausserdem sind sämtliche Einstellungen und Anpassungen, die während eines Spiels von den Spielern vorgenommen werden, auf dem gemeinsamen Bildschirm zu sehen und somit für beide Parteien nachvollziehbar.

Ist Gamen überhaupt Sport?

Die Veranstalter schrecken nicht davor zurück, sich der Diskussion über die Gefahren und Chancen von E-Sports öffentlich zu stellen. Dazu wurden Profis eingeladen: der in Luzern wohnhafte E-Sports-Profi Luca Boller (in der Szene unter dem Pseudonym Lubo bekannt), ein Sportpädagoge sowie der Chef der E-Sports-Abteilung des FC Basel. Der FC Basel beschäftigt vier Hauptberufliche «Fifa»-Spieler und mischt international ganz vorne mit.

«Man muss mental extrem fit sein, sonst hat man keine Chance.»

Luca Boller, E-Sports-Profi

Kann man E-Sport überhaupt als Sport bezeichnen oder sind die Spieler nicht vielmehr Typen, die vor dem Fernseher sitzen und Fertigpizzas futtern? Darauf hat Lubo, der beim FC Basel seit vier Jahren unter Vertrag steht, eine klare Antwort: «E-Sport kommt logischerweise vom Gamen, das man in verschiedener Intensität und mit unterschiedlichen Zielen verfolgen kann.» Wer es aber nicht auf dem Sofa, sondern bildlich gesprochen am Schreibtisch tut und gezielt trainiert, betreibe seiner Meinung nach eindeutig Sport.

Auf dem Podium wurde über Chancen und Gefahren des E-Sports disktutiert. (Bild: bic)

«Man muss mental extrem fit sein, sonst hat man keine Chance. Das gleiche gilt ja auch für Schach, Curling oder Bogenschiessen, da zweifelt auch niemand daran, dass dies Sportarten sind», betont der 24-Jährige, der eine Banklehre absolviert hat und aktuell Marketing studiert.

Wenn man Profi wie er werden möchte, seien ein aktives Sozialleben sowie eine gesunde Ernährung wichtig, auch wenn man natürlich mehr spielen müsse als andere. «Das hat viel mit der Erziehung zu tun und die Eltern haben eine entsprechende Verantwortung», ist Lubo überzeugt.

E-Sport bringt Jugendliche zusammen

Etwas differenzierter sieht dies Flavio Serino, Dozent für Sportpädagogik an der PH Luzern. «Aus Sicht der Sportwissenschaft besteht die Schwierigkeit, dass es keine einheitliche Definition von ‹Sport› gibt.» Das Entscheidende sei für ihn jedoch die Körperlichkeit, die er beim E-Sport nicht feststellen könne.

Deshalb sei Gamen auch für das Bundesamt für Sport kein Sport, sondern Spielkultur, was insbesondere dann von Bedeutung sei, wenn es um Fördergelder gehe. Aber auch die sozialen Aspekte seien beim E-Sport aus seiner Sicht nicht gleichermassen gegeben wie beim herkömmlichen Sport.

«E-Sport ist der digital verlängerte Arm unseres Kerngeschäfts.»

Joachim Reuter, Leiter E-Sports beim FC Basel

Problematisch sei auch, dass E-Sports nicht nur «Fifa» beinhalte, sondern per Definition auch Schiess- und Kriegsspiele, die wenig mit den eigentlichen Werten des Sports zu tun hätten, aber ebenfalls an Turnieren gespielt werden. «Trotz allem ist es auch aus pädagogischer Sicht nicht zielführend, das Gamen komplett zu verbieten. Denn dass sich Kinder und Jugendliche heute damit beschäftigen, ist einfach die Realität», sagt Serino. Wichtig seien aber ein vernünftiger Umgang sowie genügend Bewegung.

Der Blick aufs Smartphone ist wichtig: Die Spielpläne gibt’s nur digital. (Bild: bic)

Der Ausgleich ist zentral

Als Chance sieht auch Joachim Reuter, Leiter E-Sports beim FC Basel, Veranstaltungen wie in Emmenbrücke. «Aus Sicht des Vereins ist E-Sport der digital verlängerte Arm unseres Kerngeschäfts. Dadurch können wir eine junge Zielgruppe abholen, die in ihrer eigenen Welt zuhause ist.»

Will heissen: Im Grundsatz geschieht das Gleiche, wie wenn ein Fussballclub die Kids auf dem Rasen gemeinsam spielen lässt und so das Zusammensein fördert. Das sei auch der Grund, weshalb die E-Sport-Szene seit einiger Zeit daran arbeitet, dereinst als olympische Disziplin aufgenommen zu werden, so Reuter.

Volle Konzentration auf das Spiel. (Bild: bic)

Das sei der Grund, wieso der FCB vor zwei Jahren ins E-Sport-Business eingestiegen sei: «Wir wollen als Fussballclub in der Lebenswelt dieser jungen Menschen präsent und spürbar sein», so Reuter. Die Kritik komme von den Menschen, die keinen Zugang zu diesem stetig wachsenden Sportbereich fänden. «Oftmals wegen der fehlenden körperlichen Betätigung beim Gamen», so Reuter.

Profis wie Lubo wüssten mittlerweile aber sehr gut, dass ein Ausgleich zum Spielen Voraussetzung ist, um auf höchstem Niveau zu bestehen. «Wer körperlich nicht gesund ist und zu wenig schläft, wird sich an der Spitze nie durchsetzen können», so Reuter.

So ging der erste Tag des Turniers zu Ende. Die Diskussionen über Sinn und Unsinn solcher Events werden sicher anhalten. Sollten jedoch alle Turniere so vonstatten gehen wie jenes in Emmenbrücke, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis der E-Sport den Weg in die Mitte der Gesellschaft findet.

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