Heiraten am Laufmeter

Ist Cham das Las Vegas von Zug?

Christian Sigrist traut seit vier Jahren Paare in der Villa Villette. «Ich schreibe für jedes Brautpaar eine individuelle Rede», sagt er. (Bild: mbe.)

Nirgends im Kanton Zug heiraten so viele Paare wie in der Ennetsee-Gemeinde Cham. «Die Villa Villette ist ein Glücksfall für uns», sagt Christian Sigrist vom Zivilstandsamt. Doch sie ist nicht der einzige Grund für den hiesigen Hochzeitsboom. Weshalb sind die Chamer so trauungsfreudig?

Mit Las Vegas kann Cham zwar nicht mithalten. «Blitzhochzeiten» können noch nicht durchgeführt werden, da zwischen Vorbereitungsgespräch und Trauung mindestens zehn Tage liegen müssen. Das steht so im Zivilgesetzbuch. Aber kurzfristige Wünsche werden, unter Einhaltung dieser Frist, durchaus erfüllt.
Fakt ist: Cham ist das heimliche «Liebesnest» von Zug. Die Anzahl Trauungen in Cham ist überdurchschnittlich hoch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl. 256 Paare gaben sich 2014 das Ja-Wort in der rund 15’500 Einwohner zählenden Gemeinde. Zum Vergleich: Im Hauptort Zug heirateten letztes Jahr 220 Paare – bei doppelt so vielen Einwohnern. Sind die Stadtzuger heiratsmüde oder die Chamer äusserst «paarungsfreudig»?

Die Erklärung ist einfach: «Rund 40 Prozent aller Trauungen kommen durch externe Gäste zustande», sagt Christian Sigrist, Bereichsleiter des Zivilstands-, Erbschafts- und Bestattungsamts Cham. Der Zivilstandsbeamte traut seit vier Jahren Heiratswillige.

«Wir durften auch schon manchen Heimweh-Schweizer begrüssen, der in Cham heiraten wollte.»

Christian Sigrist, Zivilstandsbeamter

Viele der Paare, Sigrist spricht von «Kunden», seien Personen aus anderen Zuger Gemeinden, anderen Kantonen sowie aus dem Ausland. «Wir durften auch schon manchen Heimweh-Schweizer begrüssen, der in Cham heiraten wollte», erzählt Sigrist.

Die weisse Hochzeit

Das am weitesten gereiste Paar kam aus Australien. «Das Paar fand Informationen und Fotos über die Villette im Netz und verliebte sich in den Ort. Deshalb verbanden die beiden eine Europareise mit einem fünftägigen Aufenthalt in Luzern – und ihrer Märchenhochzeit im verschneiten Cham.»

Sie hätte sich eine Weihnachts- und Schneehochzeit in den Bergen gewünscht. Dass Zug nur am Rand der Alpen liegt, war dann nicht mehr so wichtig. Tatsächlich schneite es dann, just am Tag der Zeremonie, im Dezember 2014. Sigrist: «Es bildete sich ein schöner weisser Teppich im Villettepark. Sie hatten riesigen Spass.»

Unglückszahl 13

«Wir freuen uns, wenn möglichst viele Leute bei uns heiraten», sagt Sigrist. 2015 ist noch nicht abgeschlossen. «Es zeichnet sich jedoch ab, dass wir 2014 klar übertreffen werden», sagt der Zivilstandsbeamte. Im Jahr davor gab es eine kleine Baisse, was sich Sigrist mit der Unglückszahl 13 in der Jahreszahl 2013 erklärt.

Marketing und Dienstleistung

Cham unternahm in den letzten Jahren einiges, um sich als Hochzeitsort beliebt zu machen. Einerseits mit gezieltem Marketing auf der Webseite der Gemeinde und an Messen. Andererseits, indem man den Paaren viel bietet. So können Brautleute zwischen vier verschiedenen Traulokalen wählen: Die Zeremonie kann traditionell im Gemeindehaus stattfinden.

Wer es lieber rustikal hat, heiratet im Restaurant Milchsüdi oder im Restaurant Tisch & Bar in Holzhäusern. Am Edelsten ist aber die Trauzeremonie in der ehemaligen Fabrikantenvilla Villette, die im Besitz der Gemeinde Cham und des Kantons Zug ist. Zusammen mit dem grossen Park bildet sie ein wunderschönes Ensemble, das für eine Traumhochzeit geradezu prädestiniert ist.

«Mit unseren schönen Traulokalitäten ist Cham für viele offenbar der schönste Ort fürs Ja-Wort», sagt Christian Sigrist. Man versuche, nahe am Leben und an den Personen zu sein, sagt Sigrist. «Ich verfasse für jedes Paar eine individuelle Traurede», erklärt Sigrist. Der Grund: Immer mehr Paare verzichten auf die kirchliche Trauung.

Bei den sogenannten Sommernachtstrauungen könne man sich sogar an fünf Abenden des Jahres im Vollmondschein das Eheversprechen geben.

 

Heirat im Nestlé-Saal

In der Villette kann man entweder im Zeugheer-Saal im Erdgeschoss heiraten oder, bei grossen Gruppen, im sogenannten Nestlé-Saal im ersten Stock. «Manchmal haben wir dort 100 bis 120 Hochzeitsgäste», sagt der Zivilstandsleiter.

Sind die vielen Trauungen ein lukratives Geschäft oder gar Wirtschaftszweig für die Gemeinde? Nein, findet der Zivilstandsbeamte. Zumindest nicht für die Gemeinde. Wie alle anderen Einwohnergemeinden erhebe das Zivilstandsamt Cham die üblichen eidgenössisch geregelten Gebühren.

«Im Schnitt entfallen pro Trauung etwa 300 bis 400 Franken. Damit sind alle Aufwände von der Saalmiete, über die Prüfung aller nötigen Papiere und Dokument-Erstellung bis hin zur Zeremonie abgegolten.» Das macht bei 256 Trauungen Einnahmen von rund 80’000 Franken jährlich für Cham.

Doch eine Hochzeit bringt natürlich auch den Restaurants oder Hotels Umsatz, es gibt also eine indirekte Wertschöpfung. Zahlen dazu sind jedoch nicht erhältlich.

Drei Kreise im Kanton Zug

Wie viele Trauungen gibt es im übrigen Kanton Zug? Der Kanton hat drei Zivilstandsamts-Kreise: Zug, Baar und Cham. Die Nachbargemeinden gehören je zu einem Kreis. Heiraten kann man aber, wo man will. Der Zivilstandskreis Zug zählte 2014 220 Trauungen (siehe auch Tabelle unten). «Im laufenden Jahr hatten wir bisher 222 Paare», sagt Tiziana Leone, stellvertretende Leiterin des Zivilstandsamts.

In Zug sind rund ein Viertel der Paare Auswärtige. Geheiratet wird in der Stadt im historischen Trauzimmer des Stadthauses. «Ein sehr schöner Raum. Der einzige Haken ist, dass wir wenig Platz haben», sagt Leone. Mit den Brautleuten können 15 Personen an der feierlichen Zeremonie teilnehmen.

Im Zivilstandskreis Baar, zu dem auch Neuheim und Menzingen gehören, heirateten 2015 bisher 136 Paare. Im Vorjahr waren es 137. Ein Rekordjahr war 2012 mit 152. «Die Tendenz ist aber eher abnehmend», erklärt ein Mitarbeiter gegenüber zentral+.

Kaum Homo-Partnerschaften

Übrigens: Eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften lassen sich im Kanton Zug an einer Hand abzählen. Die angefragten Zivilstandsämter sprechen von ein bis vier Paaren pro Jahr. In keinem Kreis wird, weil es so wenige sind, Buch darüber geführt. Es gibt aber eine nationale Statistik, die 2007 mit dem Inkrafttreten des Partnerschafts-Gesetzes beginnt.

Laut dieser Statistik liessen im Kanton Zug zehn Paare eine Partnerschaft eintragen. 5 Männer- und 5 Frauenpaare. 2 Partnerschaften wurden seit 2007 wieder aufgelöst, je eine schwule und eine lesbische Beziehung gingen also zu Ende. Es gibt also 8 amtlich registrierte Partnerschaften im ganzen Kanton Zug (was natürlich nicht gleichzusetzen ist mit der Zahl der offen oder diskret gelebten gleichgeschlechtlichen Beziehungen).

Luzern hat 15 Paare, Nidwalden null

Zum Vergleich: In Luzern liessen seit 2007 20 Paare ihre Partnerschaft amtlich registrieren, 13 Männer- und 7 Frauenpaare. In Luzern wurden 5 Verbindungen wieder aufgelöst. Es gibt also zurzeit 15 gleichgeschlechtliche Pärchen. In den anderen Zentralschweizer Kantonen scheint diese Lebensform nicht weit verbreitet: Schwyz hat 7 Paare, Uri 4, Obwalden 1 und der Kanton Nidwalden null.

Die Hochburg der Gay- und Lesben-Partnerschaften in der Deutschschweiz ist Zürich, wo seit 2007 insgesamt 220 Paare ihre Partnerschaft haben eintragen lassen. Prominentestes Beispiel ist die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Laut der Statistik wurden 57 Verbindungen seit Beginn der Zählung wieder aufgelöst, 42 Männerpaare und 15 Frauenpaare trennten sich. Nicht viel anders also als bei den «Heteros».

Eheschliessungen ZSK Cham201020112012201320142015
Schweizer mit Schweizerin n.e. n.e.175147147 n.e.
Binationale Paare n.e. n.e.867076 n.e.
Beide Partner ausländisch n.e.  n.e202833 n.e
Total Eheschliessungen286286281245256 n.e.

 

Eheschliessungen ZSK Zug201020112012201320142015
Schweizer mit Schweizerin127125114121101116 bisher
Binationale Paare836273568068   bisher
Beide Partner ausländisch393145433938   bisher
Total Eheschliessungen249218232220220222 bisher

 

Eheschliessungen ZSK Baar201020112012201320142015
Schweizer mit Schweizerin 91 80 91 64 6976 bisher
Binationale Paare 43 30 45 4340 46 bisher
Beide Partner ausländisch 13 22 15 24 22 14 bisher
Total Eheschliessungen147131152135137136 bisher
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