(Un)erwachsen

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

In Bars und Nachtclubs steht die Zeit gefühlt still. Eine Kolumne übers unerwachsene Erwachsensein.

«I'm on the floor, floor
I love to dance
So give me more, more, 'til I can't stand …»

Nicki Minaj will mal wieder high sein. Ich bin lieber sober. Ich sitze in der Max Bar und fühle mich um zehn Jahre zurückkatapultiert. Auch dank Nicki. Wie immer dröhnt die Musik viel zu laut aus den Boxen, der rote Cadillac steht noch immer am Bartresen und ich sitze mit denselben Freunden wie damals hier. Alles beim Alten.

Voll 2012

«Es ist wie im 2012», sagt mein Kumpel. Und er hat Recht. Alles ist wie damals. Fast alles. Vor mir steht kein Gemma, der mich damals mit seinen hochprozentigen Inhalten in besonders peinliche Momente manövrierte, sondern ein Alpenchrütli-Tee, der mich zumindest erwachsen aussehen lässt. Der Minirock, den ich heute trage, ist gut zehn Zentimeter länger als damals und somit mehr als nur eine halbexistierende Sache.

Und wir sprechen auch nur über Erwachsenendinge. Soeben erklärte ich meinen Freunden, wie eine Blasmaschine funktioniert. Eine, welche die Kleidung trocken bläst. Wir fachsimpelten übers Wäschewaschen. Und über Garmethoden.

Barhopping war an jenem Abend angesagt. Neun Bars standen auf der Liste, sechs davon konnten wir abhaken. Bereits in Bar Nummer fünf gab ich auf und liess meinen Cosmopolitan stehen. Unberührt. Da Sodbrennen.

Teilzeitdiscogängerin

Ich weiss nicht, wann das mit dem Älterwerden begonnen hat. Heute bin ich Teilzeitdiscomädchen und Hausfrau in hohem Pensum.

Als Teilzeitdiscogängerin gehe ich nur noch sporadisch feiern. Das Schöne am Feiern ist, dass man sich dabei jung fühlt. Weil die Zeit im Nachtleben gefühlt stillsteht. Der Faktor Zeit existiert nicht, man tanzt, so lange man will. Die Bässe sind zehn Jahre später dieselben, die Anmachsprüche sind gleich schmierig geblieben, das Kondenswasser tropft noch immer von der Decke. Unter den Discokugeln und Blitzlichtern, die pulsierende Musik im Körper spürend – und in den Nebelschwaden sind alle gleich.

Teilzeitdiscogängerin, das bedeutet auch, dass ich mittlerweile mit Smoothie-Mixer (er heisst Severin), Gemüseschneider und Sous-Vide-Stick mehr Küchengeräte als Schuhe besitze. Und ich füttere auf meinem Balkon Stadtvögel. Etwas, was scheinbar ein Rentnerinnending sein soll.

In jener Nacht trat ich nach meinem Alpenchrütli-Tee den Heimweg an. Zu Hause werde ich in den Waschkeller und nicht wie 2012 in einen Technobunker steigen. «I adulted so hard!», applaudierte ich mir in meinen Gedanken selbst zu. Bis ich Tage später dann doch in einen «richtigen» Keller abtauchte. Und nach einer Nacht mit involviertem Tequila das WC vollkotzte.

Das Doofe am Feiern ist, dass man sich tags darauf so alt fühlt, wie man ist.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon