Isa, garantiert kompliziert

Tinder kann mich jetzt mal

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Regelmässig gibt Gesellschaftsredaktorin Isabelle Dahinden in ihrer Kolumne persönliche Einblicke in ihr Leben – und in ihren komplizierten Alltag. Heute berichtet sie darüber, wie anstrengend und nervtötend tindern ist.

Ich bin jetzt wieder auf Tinder, habe das Prinzip aber immer noch nicht so ganz verstanden. In den Biografien potenzieller Seelenverwandter sind Auberginen-Emojis neben Chilischoten, Gurken und Bananen gereiht. Und dann gibt's da noch Zentimeterangaben. «Alex, 19 Zentimeter.» Der Arme. Muss wohl kleinwüchsig sein. Dafür ist er «very openminded».

Ich swipe deswegen ungefähr nur jeden 137. Mann nach rechts. Dann schreiben sie «Hi, Sunshine 🌞», «Hello Cutie 😍 😘 😘», «Höi Isabel.» Oder Raffael, den ich von früher vom Ausgang kenne. Unsere Konversation bestand damals darin, einmal quer über die Bar zu winken. Jetzt schreibt er «Hey isa, na?» und ein Zwinker-Emoji.

Von mir kam nix zurück. Ein Tag später er so: «Lass uns wie zwei Verrückte übers Weekend ins Tessin fahren, an den Strand nackt baden. Mit dem Boot. Das Leben geniessen. Viel Magic könnte da passieren. Die Tension ist eben mega hoch und so. Der Sex wird sicher prickelnd.» Tiger-Emoji. Kuss-Emoji. Wahrheitskugel-Emoji. Explosions-Emoji. Mich tschuderet‘s.

Jeremy sucht eine Frau in Latex. Stefano ist Vater (will gerne noch mehr Kinder) und hat «Lust auf Begegnungen». Lukas will «nix Festes» und meint damit wohl: Für alles zu haben, für nichts zu gebrauchen. Und Paco will «die Frau fürs Leben». Schliesslich schreibe ich wochenlang mit Tim, der «nicht weiss, was er will». Genau mein Ding.

Obwohl wir unterschiedlicher nicht sein könnten – er bezeichnete sich selbst als «sehr rationaler Bünzli» und mich als «Hippie» –, treffen wir uns schliesslich. Wieder und wieder. Vermutlich, um uns irgendwie beweisen zu wollen, dass wir doch irgendwas gemeinsam haben. Amüsant war's auf jeden Fall. Er machte Liegestützen, während ich kühlen Wein nachschenkte. Wusch ich mir die Hände und faltete das Tuch nicht millimetergenau aufeinander und platzierte es in seiner linken Küchenschublade links vom Lavabo, unterbrach er das Gespräch, stand auf, faltete das Tuch präziser, schneller und schöner.

Sein Zuhause war quasi ein 5-Sterne-Hotel. Dass ich nicht die Einzige bin, die eincheckte, wusste ich schnell. Er hatte da nämlich eine Special-Schublade. Mit Locken-, Anti-Frizz-Shampoo und Conditioner. Alles in pink- oder rosafarbenen Flaschen. Und etwa 20 Zahnbürsten, Originalverpackt. Superorganisiert eben.

Wer jetzt denkt, zu tindern wäre pures Amüsement, der täuscht sich. Nach dem vielen Swipen schmerzt einem die Hand, noch viel mehr quälen einen die Selbsterkenntnisse. Schliesslich wird auf Tinder jeder super oberflächlich. Nicht selten geben Männer ihre Körpergrösse in den Profilen an. Würde ich einen nach rechts swipen, wenn er 10 Zentimeter kleiner ist? Wir Frauen kreischen nach Body Positivity. Nur der Mann an unserer Seite, der muss grösser sein.

Eine Nachricht ploppt auf meinem iPhone auf. Sie ist von Tinder. «Lass deine Matches nicht länger auf dich warten 💌».

Genug ist genug: Tinder kann mich jetzt mal.

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