Saftkur – oder: warum ich für das Biest in mir nichts kann

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Fünf Tage nichts ausser Flüssignahrung: Eine Saftkur hat es in sich. Wie man das durchsteht, hat unsere Gesellschafts-Redaktorin Isabelle Dahinden in ihrer Kolumne festgehalten. Eins vorneweg: angenehm ist anders.

Nichts als Saft. Fünf Tage. Morgens, mittags, abends, tags davor und tags darauf. Zu verlockend, dieser Gedanke, dachte ich mir. In meinen Träumen rannte ich bereits wie eine dieser Frauen in der Werbung barfuss über Wiesen – drei Kilo leichter. Das lockige Haar an Sprungkraft gewonnen, die Haut babyweich. Mein Körper entgiftet, der Kopf frei von all dem Gift da draussen. Eine Saftkur verspricht all das in einem.

Und so beschloss ich, dass es doch ganz vernünftig wäre, von dem Karton mit den elf Saftflaschen, den ich vor Monaten in einem «new-year-new-me»-Moment nach Hause manövriert habe, auch mal Gebrauch zu machen.

Bevor man sich entschliesst, mit einer Saftkur durchzustarten, verschiebt man sie natürlich mehrmals. Eine Verabredung, die man nüchtern nicht übersteht, der Wohnungsputzmarathon, der Arbeitskollege, der noch den Büro-Kühlschrank mit Prosecco-Dosen auffüllt: Zu viele Gründe, zu viele Ausreden.

Den richtigen Startpunkt festzusetzen, sollte also wohlüberlegt sein. Am besten: Keine Arbeit, keine Termine und keine Verabredungen.

Tag 0: Der verlockende Kebabtraum

Und wie das liebe Leben so spielt … Leicht verkatert wache ich auf, am sogenannten Vorbereitungstag der Kur. 33 Schritte trennen uns – den Kebab und mich, denke ich noch, als ich unter die Dusche steige. Und zwei Stunden – bis die Kebabbude geöffnet hat. Doch das Tagesprogramm steht fest: morgens Saft, Leinsamen und Wasser. Mittags leichtes Essen (möglichst ohne Fleisch), abends zwei gedämpfte Kartoffeln und Karotten.

Eine Umfrage in meinem Freundeskreis hat ergeben, dass auch ein Falafelkebab keine leichte Kost ist. Und so brüte ich Stunden später vor einer Kiwi und einer halben Orange am Esstisch. Alles easy, denke ich noch, der Saftkur bin ich gewachsen. Und verdrück mich abends – sogar ohne das vorgeschriebene Gourmet-Kartoffel-Menü – ins Bett. Denn für alles andere habe ich gerade keine Kraft mehr.

Tag 3: Totaler Durchhänger

Erst am nächsten Morgen fängt die Kur richtig an. Fünf Tage gibt’s nichts mehr zu kauen – sondern nur puren Saft. Die ersten beiden Tage sind einfacher als erwartet. Das einzige, was mir fehlt: der Kaffee. Das einzige, was mich nervt: alle Menschen rundum. Zum ersten Mal realisiere ich, wie viel sich eigentlich ums Essen dreht. Eine Nachricht von meinem Mitarbeiter poppt auf meinem Handy auf: «Gömmer zäme go inebiige?» Zehn Sekunden später: «Ah, geht ja nicht.» Alle sitzen sie da, in diesem Büro, nippen genüsslich an ihrem Kaffee, verdrücken Schokoladencroissants und sprechen darüber, was bei ihnen mittags, abends und dazwischen auf den Teller kommt.

An Tag 3 habe ich den totalen Durchhänger. Mit miesen Kopfschmerzen wache ich auf, bahne mir den Weg durch die Wohnung, die voll mit Gerümpel der neuen Mitbewohner ist, knalle mit dem Fuss in eine Zügelbox, mit dem Kopf in den Lattenrost, laufe fluchend weiter. Der Tag ist jetzt schon gelaufen. Ich fühle mich antriebslos, gereizt und aggressiv – ein Tag, den ich besser im Bett verbracht hätte.

Nach den obligaten unverkauten Leinensamen und dem ersten Glas Saft mache ich mich auf den Weg zur Arbeit. Völlig benebelt spaziere ich durch die Stadt, ein Auto hupt, vermutlich hätte ich erst schauen müssen, bevor ich die Strasse überquere, vermutlich, ja. Irgendwie schleppe ich mich durch den Tag, physisch anwesend, psychisch eher unbrauchbar. Kaffee könnte Abhilfe schaffen, denke ich, als ich im Büro an der Kaffeemaschine vorbeikomme. «Ich gucke nur», sage ich, den bösen, mahnenden Blick des Kollegen spürend. «Jetzt wirsch aber ned schwach, gäll.»

Tag 5: Saftkur heisst No Social Life

Abends habe ich mit einem Kumpel abgemacht. Statt uns in eine Bar zu verziehen, treffen wir uns auf einen Spaziergang am Quai. Warum ich mir das Ganze antue, fragt er mich. Ich sähe ja «semi-gut» aus. Ob der Sinn des Ganzen nicht wäre, sich dabei gut zu fühlen.

«Bin ich froh, wenn du deine Säfte fertig getrunken hast», sagt er, nimmt einen Schluck seines Dosenbiers, ich von meinem Rüebli-Saft. Schon den ganzen Tag hab ich mir überlegt, meine gepressten Früchte und Gemüse mit Prosecco zu pimpen. Ganz heimlich. «Diese Kur beeinflusst ja gerade auch mein Leben.»

Drei Tage – und eine Absagewelle meinerseits für alle weiteren Treffen – später ist der ganze Spuk vorbei. «Sorry, mag heute nicht mehr – üble Saftkur»: Das wird als Entschuldigung dafür gebraucht, um mich mal wieder ein wenig mehr auf mich zu fokussieren.

Am Aufbautag gibt's zum ersten Mal etwas zu knabbern – drei Scheiben Zwieback und einen Apfel. Ganz ehrlich: das war das geilste Essen ever. Ich fühl mich gut, bin energiegeladener als zuvor und esse jetzt viel bewusster, langsamer und genüsslicher.

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1 Kommentar
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    Ingrid, 19.03.2022, 11:36 Uhr

    Bini aber scho no froh dasme mit dir wider vor de 10ni cha Spaghetti ässe & Wiiswii sippe 🍝🍾🥂

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