Isa, garantiert kompliziert

Beziehungs(un)fähig: Warum ich zu wenig aushalte

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Es gibt Tage, an denen sich zentralplus Gesellschafts-Redaktorin Isabelle Dahinden fragt, ob sie für Beziehungen gemacht ist. In ihrer neuesten Kolumne geht’s ums Lieben – oder darum, einander auszuhalten.

«Man muss einander eben aushalten können.»

Letztens habe ich mit einer guten Freundin darüber gesprochen, warum so vieles zum Scheitern verflucht ist. Die Weingläser im Spülbecken, ein Paar Socken auf Lebzeit beieinanderzubehalten, Beziehungen auf die Reihe zu kriegen. Oder wie man diese Konstellation zwischen zwei Menschen nennt, in der man sich kennenlernt, datet, miteinander schläft, über die tiefsten Abgründe wie Verdauungsstörungen und so spricht. Eben irgendwas am Laufen hat. Und ich mich fragte, warum ich das nie auf die Reihe kriege mit diesen Männern und diesen Beziehungen. Bis meine Kollegin dann eben meinte, es sei diese Kunst des Aushaltens.

Eine recht unromantische Vorstellung von Liebe. Aber je mehr ich darüber nachdenke auch eine wahre. Sich zu verlieben, ist gar nicht mal so schwer. Was eine Beziehung auszeichnet, ist diese verdammte Konstante. Sein Gegenüber mit all seinen Schwächen zu akzeptieren, Kompromisse einzugehen und für das Gemeinsame zu kämpfen. Kurz: alles auszuhalten.

Der freie Fall

Mein Leben ist von Stimmungsschwankungen geprägt. Eigentlich gibt es mich nur in zwei Varianten: Single und glücklich oder verliebt und dann oftmals auch ein bisschen angepisst. Müsste ich eine Beziehungskurve zeichnen, wie meine Begegnungen mit Männern in etwa ablaufen, sähe sie so aus:

Das ist mal ein freier Fall.

Woher der plötzliche Fall? Weil es zu schnell zu intensiv wird. Und ich dann mit dem Hirnen beginne. Ich mich selbst schützen, nicht verletzt werden möchte. Ich mich frage, wie viel ich eigentlich gebe und wie viel zurückkommt. Zu lieben, heisst keinen Deal einzugehen. Und doch braucht es immer zwei, die einander wollen und etwas dafür tun.

Das Definieren über sein +1

Meiner Meinung nach geben wir dem Beziehungsstatus viel zu viel Gewicht. Wir definieren uns über Beziehungen und Status und nicht darüber, was uns wirklich als Menschen ausmacht. Deswegen quält der eigene Single-Status das Umfeld oft mehr als einen selbst. Und viel zu oft schmeissen wir Begegnungen viel zu früh hin, wenn es mal ordentlich kracht oder einen die Angst überkommt.

In meinem Freundeskreis kriegen gerade viele vieles hin. Sie ziehen mit ihrem Freund zusammen, wollen sich einen Welpen zulegen. Sie sprechen darüber, wie’s wäre, wenn da noch ein Baby im Bauch und ein Ring am Finger wäre. Sie duschen zusammen, putzen sich gemeinsam die Zähne, kochen gemeinsam, essen zusammen, schlafen zusammen, drücken sich gegenseitig die Überreste ihrer Pubertätsakne aus ihren Gesichtern. Bis sie ganz oft nur noch mit ihrem Partner anzutreffen sind, ihrem +1.

Lieben – oder über die Kunst des Aushaltens

Und ich, ich frage mich, ob ich das alles aushalten würde. Alles gemeinsam zu tun. So zu tun, als ob es kein Mich mehr gäbe, sondern nur ein Uns. Eine Einheit. Wenn ich zähneputzend vor dem Badezimmerspiegel stehe, und nicht nur das eigene verquollene Gesicht sehe, sondern auch das seinige. Und das jeden verfluchten Morgen. Es ist das letzte, das ich abends vor dem Einschlafen anblinzle, das erste, was mir morgens ins Gesicht schnarcht. Womöglich träum ich noch davon. Nacht für Nacht, Tag für Tag.

Für andere mag dieses Bild stimmig und schön sein, für mich zu perfekt und erdrückend. Vielleicht hab ich auch einfach Angst, mit einem Mann die Honeymoon-Phase zu übertreten. Und wir uns dann auch gegenseitig Pickel ausdrücken und uns über die Nasenhaare des Gegenübers aufregen. Für mich darf Liebe immer auch ein wenig verrückt bleiben – leidenschaftlich eben. Eine Konstellation, in der man einzeln, aber auch gemeinsam weiterkommt.

Es gibt diese Tage, an denen ich mich frage, ob ich Single bin, weil ich es einfach andersrum nicht auf die Reihe kriege. Ob ich eine kompromisslose Egoistin bin. Zu faul, mir mal richtig Mühe zu geben. Zu emanzipiert, nicht mehr alleine zu sein. Zu vorsichtig-passiv, aus Angst, verletzt zu werden. Wieder zu scheitern – denn es macht ja leider nicht weniger weh. Schlicht: ob ich eigentlich beziehungsunfähig bin.

Das sei niemand, behaupten zumindest Expertinnen. Aber es ist diese Überromantisierung der Liebe. Es geht nicht einfach darum, einander zu lieben. Sondern auch darum, einander auszuhalten. Das Gegenüber auszuhalten und selber vom Gegenüber ausgehalten zu werden. Wie viel man beim Lieben ertragen muss, ist wieder ein Kapitel für sich.

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