Die «Käfer-Truppe» vor dem Zuger Obergericht

«Investoren hätten ja den Namen Käfer googeln können»

Putziges kleines Zug: Weil am Obergericht nicht alle Angeklagten mit Anwälten nebeneinander sitzen können, findet der Berufungsprozess im Gebäude des Strafgerichts statt (Bild).

(Bild: mbe.)

«Die Beschuldigten haben Tausende von Bürgern telefonisch belästigt und abgezockt», sagt der Staatsanwalt Andreas Sidler über die Zuger «Käfer-Truppe». Der Verteidiger des Hauptbeschuldigten entgegnet, Investoren hätten halt besser recherchieren sollen.

Die Berufungsverhandlung des Obergerichts findet dieser Tage im Gebäude des Strafgerichts statt. Aus Platzgründen: Denn fünf Beschuldigte sitzen vor Gericht, begleitet von ihren Anwälten. Vier in Anzug und Krawatte. Bis auf Hans-Jürgen Käfer. In Jeans und T-Shirt wurde er mit Metallfussfesseln in den Gerichtssaal geführt, die ihm auch wegen des Prozesses nicht abgenommen wurden. Käfer sitzt bereits im vorzeitigen Strafvollzug im Bostadel. Zwei Polizisten bewachen den Deutschen, der einst Hunderte von Zuhörern an psychologisch angehauchten Wohlfühl-Seminaren in seinen Bann zog.

Der Hauptbeschuldigte, Hans-Jürgen Käfer, seine Frau und drei angeklagte Verkäufer sollen von 2006 bis 2007 Investoren mit aggressiven Telefonmarketingmethoden Aktien des Startup-Unternehmens Max Entertainment Group angedreht haben. Die Aktien stellten sich als Schrottpapiere heraus. Die Anleger verloren ihr gesamtes Geld, sieben Millionen Franken sind verschwunden (zentralplus berichtete).

Von Januar bis März 2016 fand der erste Prozess am Strafgericht Zug statt. Die Beschuldigten rekurrierten alle gegen das Urteil (siehe Box).

«Keine Scheinfirma»

In der Befragung zur Max Entertainment Group erzählen die Telefonverkäufer, dass die Firma durchaus aktiv gewesen sei und Martial-Art-Kämpfer unter Vertrag genommen hätte. Der Chefverkäufer wird emotional. Man spürt, dass er an die Idee seines Chefs Käfers glaubte – oder zumindest gut schauspielern kann. «Wenn sogar Grossbanken bei uns investierten, konnte es nur gut sein. Es ging um 40 Millionen Franken und nicht nur um sieben Millionen Franken.»

Max Entertainment sei keine Scheinfirma gewesen, beteuern auch die anderen Angeklagten. «Diese Vorwürfe sind ein absoluter Blödsinn!», explodiert Hans-Jürgen Käfer. «In den USA sind Martial Arts ein Milliardengeschäft. Das hätte garantiert auch in Europa funktioniert.»

Keine Strafmilderungen

Staatsanwalt Andreas Sidler sieht das anders. In seinem Plädoyer fordert er höhere Strafen. Das Strafgericht habe verschiedene Vorwürfe relativiert. So denjenigen der Geldwäscherei. Aber auch bei der Frage, ob die Mitbeschuldigten in einer bestimmten Zeitspanne als «Gehilfen» und nicht als «Mittäter» verurteilt werden sollen, gehen die Meinungen auseinander.

«50’000 Franken pro Monat, so viel verdient ein Callcenter-Angestellter nicht einmal in einem Jahr.»

Andreas Sidler, Staatsanwalt

Sidler argumentiert, dass die Telefonverkäufer schon vor Max Entertainment für angeblich erfolgreiche Startups wie Nixtit aus Hünenberg («die rauchlose Zigarette») Aktien verkauft hätten. Doch auch das sei ein Luftschloss gewesen, die Investoren verloren ihr Geld.

«Tausende abgezockt»

Der Staatsanwalt: «Sie haben Tausende von Bürgern in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit Cold Calls belästigt und abgezockt. Das ist Telefondrückerei.» Mit Lügen und Verdrehungen seien gutgläubige Investoren in die Falle gelockt worden. Eine E-Mail beweise, dass es den Verkäufern völlig egal gewesen sei, was sie am Telefon verkauften – solange die Provision stimmte. «Das macht kein seriöser Finanzberater.»

Käfer und seine Truppe hätten vom Geld der Anleger gelebt und ein Luxusleben geführt. Die Angeklagten seien nicht zu schonen. Ein Indiz für Andreas Sidler, dass der Chefverkäufer kein einfacher Telefonverkäufer war, sei sein Lohn: «Er hatte 50’000 Franken pro Monat, so viel verdient ein Callcenter-Angestellter nicht einmal in einem Jahr.»

Kritik an Staatsanwaltschaft

Der Zuger Anwalt Reto Steinmann verteidigt den Hauptbeschuldigten Hans-Jürgen Käfer. Steinmann kritisierte, dass man Käfer und seine Frau als «Gaunerpärchen» darstelle, das sein ganzes Leben nichts anders getan hätte, als Leute auszunehmen. «Das ist falsch.» Steinmann bemängelt zudem, dass man auf Käfers Aktivitäten und Vorgeschichte mit anderen Firmen hinweise. In einem anderen Prozess in Zug um eine Firma, die (wertlose) Aktien von nachhaltigen Bambusplantagen auf den Philippinen verkaufte, seien Käfers vom Betrugsvorwurf freigesprochen worden.

Steinmann: «Sie wollen Exempel an Käfer statuieren»

Den Luzerner Kampfsportler Rafael Perlungher, der das Verfahren mit seiner Strafanzeige ausgelöst hatte, bezeichnete der Anwalt als einen «Dilettanten», den man gar nicht anhören müsse. Er sei zudem voreingenommen, Perlungher habe ja ein Büro bei Max Entertainment gehabt.
Steinmann kritisierte auch die Medien, speziell die «Dok»-Sendung und den «Kassensturz» von SRF. Sie hätten seinen Klienten vorverurteilt (SRF prangert Käfers Machenschaften und die frühere Untätigkeit der Behörden schon seit Jahren an; ein erstes Verfahren hatte eine Zuger Staatsanwältin eingestellt. Das Obergericht verlangte, den Fall nochmals aufzurollen).

Weil die Medien den Behörden vorwerfen, zu wenig gegen Finanzschwindler im «Eldorado Zug» zu unternehmen, wolle man an Käfer jetzt ein Exempel statuieren, so Steinmann. Zur Max Entertainment sagte Steinmann, die Investoren hätten besser recherchieren sollen. Wenn sie den Namen von Käfer gegoogelt hätten, «wären sie auf viele negative Presseberichte gestossen».

Vergleich mit anderen Fällen

Steinmann bezeichnete das Strafmass von sechs Jahren Gefängnis für Käfer als zu hoch und zog Vergleiche mit anderen Fällen. Hans-Dieter Behring solle für eine Deliktsumme von 800 Millionen Franken für 6 Jahre und 9 Monate ins Gefängnis. Beim «grössten Schwyzer Betrugsfall aller Zeiten» um die Ipco Investment AG würden sieben Jahre Gefängnis für den Hauptdrahtzieher gefordert. Nur drei Jahre Gefängnis habe es bei einem anderen Betrugsfall aus Zug 2014 gegeben. 561 Anleger seien um 19 Millionen Franken betrogen worden, das Obergericht habe die Strafe später auf 2,5 Jahre reduziert.
Steinmann: «Bei all diesen Fällen haben die Personen jedoch nichts investiert und die Gelder versickerten in den Taschen der Beschuldigten.» Hans-Jürgen Käfer hingegen habe millionenteure TV-Shows mit Martial-Art-Kämpfen finanziert.

Maximal 20 Monate

Fazit: Die Freiheitsstrafe sei viel zu hoch angesetzt. Käfer sei vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs freizusprechen und nur für ungetreue Geschäftsführung und Misswirtschaft zu verurteilen. «Eine Freiheitsstrafe von maximal 20 Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren ist angemessen.»

Steinmann wirft der Anklage ausserdem vor, die Deliktsumme von sieben Millionen Franken sei falsch. Wenn man die Kosten für TV-Shows und anderes abziehe, blieben höchstens drei Millionen Franken. «Und mein Klient hat lediglich von zirka 700’000 Franken persönlich profitiert», so Reto Steinmann.

Freispruch verlangt

Der Verteidiger des Chef-Telefonverkäufers verlangt einen Freispruch für seinen Mandanten. Zudem solle man ihm die eingezogenen 500’000 Franken zurückzahlen und ihm eine angemessene Genugtuung aus der Staatskasse bezahlen.

Man wolle ihn für den Millionenschaden solidarisch haftbar machen, für den einzig Käfer und seine Frau verantwortlich seien. «Er soll solidarisch für den Grössenwahn und das Luxusleben der Käfers haften», so sein Anwalt. Die Staatsanwaltschaft  präsentiere einen «irreführenden und unvollständigen» Sachverhalt, es gebe keine Beweise für seine Schuld. «Man sieht, mit welcher Methodik die Staatsanwaltschaft ihm ein Wissen unterstellt, das er gar nicht hatte.»

Auch die Anwälte der anderen Beschuldigten versuchen in ihren Plädoyers vor Obergericht die Rolle ihrer Mandaten herunterzuspielen. Und alle Schuld und Verantwortung Hans-Jürgen Käfer zuzuschieben.

Karin Käfer: «Wenig Ahnung gehabt»

Die von ihrem Mann schon länger getrennte Karin Käfer machte einen angeschlagenen Eindruck und erklärte, sie sei in psychiatrischer Behandlung. Ihr Anwalt relativierte ihre Rolle bei Max Entertainment. Sie machte die Buchhaltung. Sie sei Mutter von vier Kindern und habe wenig Ahnung von Businessdingen oder wie eine Gesellschaft funktioniere. «Sie war bemüht, die Zahlungen pünktlich zu machen, und glaubte an den Erfolg des Projekts.»

Käfer der General

Der Anwalt des Chefverkäufers sagte, Hans-Jürgen Käfer sei ein Machiavellist und raffinierter Blender gewesen. «Nach aussen vertrat er den Erfolg, trug schicke Kleider, fuhr einen Bentley und wohnte in einer Luxusvilla.»  Selbst professionelle Vermögensverwalter hätten Käfer geglaubt. Käfer sei ein hochmanipulativer Mann gewesen. Den Telefonverkäufern – «Jungs von der Strasse» – hätte das Wissen gefehlt, die Machenschaften Käfers zu durchschauen.

Sein Mandant sei ein besonders guter Verkäufer gewesen und deshalb bei Max Entertainment befördert worden. «Der Meister platzierte das Zahnrad an dem Ort, wo er ihn brauchte. In seine Pläne einweihen wollte er ihn nicht, denn Mitwisser brauchte er nicht.» Käfer sei der General gewesen, der Mitangeklagte ein Gefreiter, so der Anwalt. «Ein Gefreiter ist ein besonders guter Soldat, nicht besonders intelligent, aber auf ihn ist Verlass.»

«Er wusste nichts»

Ein anderer Telefonverkäufer wird vom Zuger Anwalt Andreas Landtwing verteidigt. Er verlangt einen Freispruch vom Vorwurf der Gehilfenschaft. Landtwing kritisierte den von der Staatsanwaltschaft kreierten Begriff «Käfer-Truppe», der sich überall etabliert habe. Diese Truppe gebe es gar nicht. Sein Mandant sei ein einfacher Angestellter und als solcher zu beurteilen. «Er war kein Frontmann», sagt Landtwing, er habe kein Insiderwissen über Käfers Absichten gehabt. Er habe etwas über 5’000 Franken monatlich verdient.

«Sogar Konrad Singer glaubte Käfer.»

Andreas Landtwing, Verteidiger

Landtwing erwähnt, dass auch bekannte Zuger in Max Entertainment investiert hätten. «Der Oberägerer Konrad Singer hat noch 2006 in Max Entertainment 225’000 Franken investiert, liess sich mit Käfer fotografieren und machte noch 2009 Geschäfte mit ihm.» (Anm. d. Red.: Singer ist Inhaber einer Vermögensverwaltungsfirma.)
Wenn nicht einmal Singer Verdacht geschöpft habe, wieso hätte sein Mandant das tun sollen, fragt der Anwalt. Dieser sei einer von vielen Telefonverkäufern gewesen und hätte wie diese an den Erfolg von Max Entertainment geglaubt.

Es sei willkürlich, dass die beiden angeklagten Verkäufer später in die Anklage einbezogen worden seien. Bei Max Entertainment hätten viele Verkäufer gearbeitet. «Warum sitzen diese nicht hier auf der Anklagebank?»

Am Freitag geht es mit Parteivorträgen weiter, und die Beschuldigten haben das Schlusswort. Das Urteil des Obergerichts wird später und schriftlich folgen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Marianna Truttmann
    Marianna Truttmann, 08.07.2016, 12:39 Uhr

    Tolle Argumentation von Käfer-Anwalt: Die Medien haben Käfer vorverurteilt, aber die Investoren hätten aufgrund dieser Medienberichte auf die Anlage bei Käfer verzichten sollen ….

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