Kritik an Panorama Residenz Vitznau ebbt nicht ab

«Investor Pühringer hat das Augenmass verloren»

Im Hang des «Huseboden» sollen elf Villen gebaut werden. Hinten das Park Hotel Vitznau.  (Bild: Robert Müller)

(Bild: Archivild Robert Müller)

In Vitznau hat Investor Peter Pühringer den Gestaltungsplan für seine Panorama Residenz Vitznau ein zweites Mal aufgelegt. Die 250-Millionen-Investition bleibt umstritten. Nachbarn opponieren und sagen, der Park Hotel-Besitzer habe das Augenmass verloren. Aber es sind nicht nur die Dimensionen des Baus, die zu reden geben.

Die Interviewanfrage endet mit einer Überraschung. «Der Gemeindepräsident und ich haben lange überlegt, ob wir zum Bauvorhaben Stellung nehmen wollen – und uns dann entschieden, nichts zu sagen», sagt Alex Waldis, Gemeindeammann und Bauchef von Vitznau.

Dass sich Gemeindepräsident Noldi Küttel (CVP) und Bauchef Alex Waldis (FDP) zum grössten Bauprojekt in Vitznau gegenüber zentralplus nicht äussern wollen, hat mit der langen Geschichte der Panorama Residenz Vitznau zu tun. An diesem Projekt haben sich die beiden Behördenmitglieder schon einmal die Finger verbrannt: 2014 stellte das Bundesgericht fest, Küttel und Waldis seien zu stark mit dem Bauherrn Peter Pühringer verbandelt und sie müssten deshalb bei der Beurteilung des Bauvorhabens in den Ausstand treten.

Seit Jahren ein Politikum

In Nachbarschaft zum markanten Park Hotel Vitznau, das der österreichische Investor Peter Pühringer für 270 Millionen Franken zum Luxushotel umgebaut hat, will Pühringer eine zweite Grossüberbauung realisieren: die Panorama Residenz Vitznau für 250 Millionen Franken. Das Baugelände erstreckt sich vom See her den Hang hinauf. Das Vorhaben gibt seit  Jahren zu reden: Wegen den Investitionen, der Grösse, und der Art und Weise, wie der Investor sein Vorhaben vorantreibt.

Die geplante Panorama Residenz Vitznau vom See aus gesehen – mit den Villen am Hang des Huseboden und dem Campushotel an der Kantonsstrasse.  (Visualisierung: Marques Luzern)

Die geplante Panorama Residenz Vitznau vom See aus gesehen – mit den Villen am Hang des Huseboden und dem Campushotel an der Kantonsstrasse.  (Visualisierung: Marques Luzern)

Schon 2012 wurde der Gestaltungsplan für die Park Residenz Vitznau öffentlich aufgelegt. Diesen Sommer hat der Investor diesen Plan jedoch überraschend zurückgezogen – und sogleich wieder neu aufgelegt. Dabei ist der neue Gestaltungsplan im Wesentlichen der alte: Das Projekt umfasst wie bisher elf Villen und ein Campushotel an der Kantonsstrasse. Das Campushotel soll unter anderem 50 Appartements, ein Konferenz- und Start-up-Zentrum mit Büros, Hörsälen und Konferenzräumen sowie einen Kammermusiksaal mit 425 Plätzen enthalten. Weiter sollen eine Markthalle und Gastrobetriebe entstehen.

Teile in Gefahrenzone

Der Grund für die Neuauflage ist: Der Kanton hat die Gefahrenkarte für Vitznau neu justiert. Jetzt liegen Teile des Baugebietes in der roten Zone, der höchsten Gefährdungsstufe also. Das Problem ist der Widibach, der in Extremfällen mit viel Geröll und Geschiebe das Bauvorhaben bedroht. Rote Zone heisst grundsätzlich: Bauverbot.

Ausschnitt aus der Gefahrenkarte Vitznau. Die Gefahrenzone des Widibach liegt beim Park Hotel Vitznau im oberen linken Bildabschnitt.  (Bild: Geoportal Kanton Luzern)

Ausschnitt aus der Gefahrenkarte Vitznau. Die Gefahrenzone des Widibach liegt beim Park Hotel Vitznau im oberen linken Bildabschnitt.  (Bild: Geoportal Kanton Luzern)

Damit Pühringer trotzdem bauen kann, muss er die Naturgefahren entschärfen. Dazu plant er neben dem Park Hotel einen Entlastungskanal für den Widibach. Murgänge sollen unter dem Campushotel hindurch Richtung See abgeleitet werden. Dieser unterirdische Kanal ist rund hundert Meter lang, acht Meter breit und fünf Meter hoch.

Ohne diesen Entlastungskanal ist der Bau des Campushotels nicht möglich. Darum will Investor Peter Pühringer eine Vereinbarung mit dem Kanton treffen. Geplant ist, dass der Kanton die Bauherrschaft für den Entlastungskanal an Peter Pühringer abtritt. «Die Erstellung eines Integralen Schutzkonzeptes (ISK) dauert drei bis fünf Jahre», sagt Sven-Erik Zeidler, Leiter der Dienststelle Raum und Wirtschaft (rawi) beim Kanton, «darum haben wir beschlossen, das Projekt an die Bauherrschaft abzugeben, weil sie ihr Projekt schneller realisieren möchte.»

Der Hang «Huseboden»: Die Profile zeigen, wo elf Villen als Teil der Panorama Residenz Vitznau zu stehen kommen.  (Bild: Robert Müller)

Der Hang «Huseboden»: Die Profile zeigen, wo elf Villen als Teil der Panorama Residenz Vitznau zu stehen kommen.  (Bild: Robert Müller)

Positiv für den Tourismus

Allerdings muss Peter Pühringer auch die Kosten von sechs Millionen Franken übernehmen. Der Grund: «Die Bauherrin ist praktisch alleinige Nutzniesserin des Entlastungskanals», sagt Albin Schmidhauser, Leiter Fachbereich Naturgefahren in der Abteilung Verkehr und Infrastruktur (vif) des Kantons. Dabei drückt Peter Pühringer mächtig aufs Tempo. In einem Brief, der den Gestaltungsplanunterlagen beiliegt, schreibt er, er übernehme die Kosten «unter der Prämisse, dass eine rechtskräftige Baubewilligung (…) bis 2018 vorliegt».

Sven-Eric Zeidler sagt, der Kanton stehe seitens von Peter Pühringer nicht unter Druck. «Wir helfen, das Verfahren schnellstmöglich und bestmöglich abzuwickeln. Eine Garantie für den Zeitplan können wir aber nicht geben. Aus unserer Sicht ist das gesamte Bauvorhaben aber positiv für die touristische Entwicklung von Vitznau, darum helfen wir.» Den «Deal» mit Pühringer muss der Regierungsrat noch absegnen. Weitere Sanierungen im oberen Teil des Widibaches will der Kanton selber planen.

Anwohner wehren sich rechtlich

Vom Entlastungskanal sind zwei benachbarte Grundeigentümer betroffen. Beide haben eine Einsprache eingereicht (die Frist lief am 31. Oktober ab). Die am stärksten betroffene Familie, deren Grundstück direkt an den Entlastungskanal angrenzt, wird vom Zuger Anwalt Michael Stalder vertreten. Stalder sagt: «Potentiell sind die Auswirkungen beträchtlich. Es sind massive Betonverbauungen und Stützelemente direkt an der Grundstücksgrenze vorgesehen.»

Der Entlastungskanal soll das Bauvorhaben von Peter Pühringer zum Fliegen bringen.  (Grafik: ewp Bucher Dillier)

Der Entlastungskanal soll das Bauvorhaben von Peter Pühringer zum Fliegen bringen.  (Grafik: ewp Bucher Dillier)

Die beiden Einsprecherfamilien, die nicht namentlich erwähnt werden möchten, wundern sich, dass der Entlastungskanal aus dem sogenannten integralen Schutzkonzept (ISK) herausgebrochen werden soll. Rechtsanwalt Michael Stalder sagt: «Wir beurteilen die Herauslösung aus dem ISK als problematisch. Spätestens seit dem Hochwasserereignis 2005 wissen wir, dass die Gefahr, die vom Widibach ausgeht, nur mit einem Gesamtkonzept von Schutzmassnahmen adäquat begegnet werden kann.» Über die Einsprache sagt er, es sei jedem Bauherrn selbst überlassen, ob er die Nachbarn einzubinden versuche oder auf Konfrontationskurs gehe.

Gewaltige Dimensionen

Doch es geht nicht nur um den Entlastungskanal. Auch die Grösse der geplanten Panorama Residenz Vitznau bleibt umstritten. «Die Dimensionen des geplanten Campus-Gebäudes sind gewaltig. Die Gebäudelänge von über 200 Metern entspricht der Grösse von zwei Fussballfeldern. Verglichen mit den umliegenden, viel kleinmassstäblicheren Wohnbauten fällt das Campus-Gebäude buchstäblich aus dem Rahmen», sagt Anwalt Michael Stalder. Hinzu komme, dass das Siedlungsgebiet von Vitznau vom Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) umschlossen sei.

Auch Nachbarn, die nicht zu den Einsprechern gehören, kritisieren das Volumen des Projektes. So etwa Pius Meyer. Zum Campushotel sagt er: «Die Bevölkerung von Vitznau ist mehrheitlich froh, dass jemand im Dorf investiert. Auch ich finde das gut. Aber der Investor hat das Augenmass verloren. Das Dorf mit einer solchen Talsperre zu verschandeln, geht einfach zu weit. Ich frage mich, ob die Schutzverbände da genau hingeschaut haben.»

Nichts Gemeinnütziges

Umstritten ist auch Peter Pühringers Stil. Er bezeichnet sein Bauvorhaben als «Donatorenprojekt». Das stört einen weiteren Nachbarn, den Architekten Igor Gole. «Am Vorhaben ist nichts Gemeinnütziges, das sind ganz normale private kommerzielle Projekte. Die Anpreisung als ‹Donatorenprojekt› ist nicht fair und nicht ehrlich.» Ausserdem kritisiert Igor Gole, «dass sich die Gemeindebehörden einem einzigen Investoren ausliefern und keine eigenen Ideen über Entwicklung der Gemeinde aufs Tapet bringen». Rechtsanwalt Michael Stalder meint, die Behörden seien dem Gemeinwohl verpflichtet und nicht der Wahrung von Partikularinteressen.

Blick auf das Baugebiet für das Campushotel an der Kantonsstrasse. Das Restaurant «Schiff» (links im Bild) würde abgerissen.  (Bild: Robert Müller)

Blick auf das Baugebiet für das Campushotel an der Kantonsstrasse. Das Restaurant «Schiff» (links im Bild) würde abgerissen.  (Bild: Robert Müller)

Doch die Kritiker haben einen schweren Stand. Schon einmal wurden sie öffentlich von Peter Pühringer als «Verhinderer» kritisiert (zentralplus berichtete). Um die Blockade zu lösen setzte der Gemeinderat im Frühjahr eine «Arbeitsgruppe Vernetzung Vitznau» ein, der auch Peter Pühringer und einer seiner Mitarbeiter angehören. Zu einer von drei Veranstaltungen, von Politikberater Iwan Rickenbacher moderiert, wurden auch die Kritiker eingeladen. Architekt Igor Gole sagt, es seien rund hundert Personen gekommen.

Grundsatzfrage: Wie soll sich Vitznau entwickeln?

Beim Streit um die Panorama Residenz geht es letztlich um die Grundsatzfrage, wie sich Vitznau entwickeln soll: Nach den Vorstellungen von Peter Pühringer – oder moderat? Zu dieser Frage gibt es unter den Kritikern unterschiedliche Vorstellungen. «Die ältere Generation möchte lieber alles bewahren, wie es ist», sagt Igor Gole. «Doch ich gehöre zur jüngeren Generation, und ich bin dafür, dass wir uns entwickeln und dass Leben ins Dorf kommt.»

Offen ist, ob die Entwicklung, wie sie Investor Pühringer der Gemeinde aufs Auge drücken will, den Einwohnern von Vitznau auch nützt. Architekt Igor Gole ist skeptisch. «Bis jetzt waren die Investitionen auf Luxus ausgerichtet», meint er mit Blick auf das Park Hotel Vitznau. Wenn der Standard in der geplanten Panorama Residenz ähnlich sei, bleibe der Gewinn für die Bevölkerung bescheiden.

Peter Pühringer selber äussert sich nicht. Eine Interviewanfrage von zentralplus blieb unbeantwortet. In Vitznau werden nun vom Gemeinderat die Einsprachen gegen den neuen Gestaltungsplan behandelt. Ob sich auch die Gerichte damit beschäftigen werden, ist offen.

Kritik an Schutzverbänden

Die Kritik an der Grösse der Park Residenz Vitznau hält an. Dabei werden auch die Schutzverbände kritisiert. Sie hätten, so der Tenor, der Anforderung an eine orts- und landschaftsverträgliche Eingliederung gemäss kantonalem Planungs- und Baugesetz zu wenig Beachtung geschenkt.

Angesprochen sind der Landschaftsschutzverband Vierwaldstättersee (LSVV) und der Innerschweizer Heimatschutz (IHS). Der Gebietsgutachter des Bauberatungsgremiums des IHS, Architekt Sepp Rothenfluh, weist die Kritik zurück. «Wir müssen die Fakten festhalten: Das Gebiet ist Bauzone, und der Eigentümer hat das Recht gemäss der gültigen Bau- und Zonenordnung zu bauen. Zweitens hat der Bauherr aus der Vergangenheit gelernt und von Anfang an die Schutzverbände eingeladen. Er hält sich somit im Wesentlichen an die Spielregeln.»

Ausserdem habe man sich aus einem qualifizierten Wettbewerb für das beste und verträglichste Projekt entschieden, das eine möglichst flache Eingliederung der Wohnbauten in die Landschaft vorsehe. «Wir vom IHS haben die ‹Doktrin Einsprachen› schon vor Jahren immer wieder in Frage gestellt. Wir versuchen uns proaktiv einzubringen und so eine wesentliche Rolle bei den Projektentwicklungen zu spielen, um das Beste für den jeweiligen Ort herauszuholen.» Dies sei in Vitznau gelungen.

Wie gross darf das Hotel sein?

Urs Steiger, Präsident des LSVV, weist ebenfalls darauf hin, dass die fraglichen Gebiete in der Bauzone liegen. Schwierig sei beim Campushotel, dass es in der Kur- und Sportzone liege, wo es keine Ausnützungsziffern gebe und das mögliche Bauvolumen erst festgelegt werden müsse.

Eine zweite Schwierigkeit sei, dass Hotels heute andere Dimensionen hätten also noch vor 30 Jahren. «Es ist eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe, ein korrektes Volumen für Hotelanlagen festzulegen», sagt Urs Steiger. «Es besteht ein Spannungsfeld zwischen den ökonomischen Ansprüchen des Bauherrn, also der Rentabilität eines heutigen Hotelbetriebes, und unseren Ansprüchen an die Landschaftsqualität, wobei auch die zahlreichen Hotels rund um den Vierwaldstättersee ein Teil der Landschaft darstellen.»

Bei der Panorama Residenz Vitznau sei dieser Balanceakt besonders extrem. «Doch wir sind der Auffassung, dass man mit der Terassenstruktur eine gute Lösung gefunden hat, um das grosse Bauvolumen zu strukturieren.» Urs Steiger würde es begrüssen, wenn Projekte von grosser Raumbedeutung für den Landschaftsraum Vierwaldstättersee wie die Panorama Residenz Vitznau generell von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) begutachtet würden.

Eine Einsprache des LSVV ist in Vitznau noch hängig. Sie betrifft die Ortsplanungsrevision. Hier ist der LSVV der Ansicht, dass die Bauzonen immer noch viel zu gross sind.

Die Ebene 1 des Campushotels, links der unterirdische Entlastungskanal, rechts der Konzertsaal, ganz rechts die Markthalle.  (Grafik: Marques Luzern)

Die Ebene 1 des Campushotels, links der unterirdische Entlastungskanal, rechts der Konzertsaal, ganz rechts die Markthalle.  (Grafik: Marques Luzern)

Die Ebene 2 des Campushotels, mit Büroflächen und Hörsaal links.  (Grafik: Marques Luzern)

Die Ebene 2 des Campushotels, mit Büroflächen und Hörsaal links.  (Grafik: Marques Luzern)

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