Der Wein erobert Zug

Invasion der Weinbars! Und alle sind entspannt

Wer in Zug die Weinseligkeit sucht, hat leichtes Spiel. Denn hier gibt es immer mehr neue Bars, die sich auf Wein spezialisiert haben. Grund genug für die etablierten Weinlokale, sich Sorgen zu machen oder gibt es genügend Weintrinker für alle?

Was darf es denn sein? Ein Roter, der den Augenlidern angenehme Schwere verleiht? Oder doch eher ein fruchtiger Weisser, der die Lebensgeister weckt und zum Herumproleten animiert? Es ist in den letzten Jahren einfach geworden, in Zug zu gutem Wein zu kommen. Zum Felsenkeller, der seit Jahrzehnten am Kolinplatz regiert, haben sich vor zwei Jahren das Masquevino an der Poststrasse und vor einem halben Jahr der Platzhirsch am Hirschenplatz gesellt. Dazu kommen weitere Bars wie etwa das «Dock» unter dem Restaurant Schiff, dass sich auf Weine aus dem Automaten spezialisiert hat sowie das «Weinkehr», die zur Bar umgewandelte Rezeption im Hotel Ochsen.

Der Platzhirsch ist da – Nomen est Omen?

Wir wollen es genauer wissen und kehren ein. Zuerst beim Platzhirsch. Dieser hat sich an einer Adresse eingemietet, die sich für vergangene Lokale als wenig erfolgreich entpuppt hat. Darüber macht sich der Baarer Christoph Schmid jedoch kaum Gedanken. Auch wenn für ihn die Gastronomie Neuland ist. «Ich habe zuvor 20 Jahre für Banken gearbeitet und bin Quereinsteiger.» Blauäugig sei er jedoch nicht ins Gewerbe eingetreten. Er habe sich die Eröffnung einer Weinbar gut überlegt. «Ich konnte mit Josef Pargfrieder, dem Besitzer der Vinothek Josef, einen sehr erfahrenen Sommelier und Gastronomen als Partner für den Platzhirsch gewinnen», erklärt Schmid.

Vor einem halben Jahr feierte der Platzhirsch am Hirschenplatz Eröffnung.

Vor einem halben Jahr feierte der Platzhirsch am Hirschenplatz Eröffnung.

(Bild: wia)

Und dennoch. Von der Bank zur Bar, das ist ein grosser Sprung. Warum diese unorthodoxe Karriere-Wende? «Ich war zuletzt im Private Banking tätig, und was man da in den letzten Jahren an Auflagen aufgehalst bekommen hat, ist krass. Mittlerweile könnten eigentlich Computer die Arbeit des Menschen übernehmen. Zudem fehlte mir – trotz Kundenkontakt – der soziale Aspekt bei der Arbeit.»

Besser als erhofft

Wenn Schmid erzählt, drückt seine Banker-Erfahrung durch. Er versteht es offenbar zu verkaufen, tritt souverän, selbstbewusst und zuversichtlich auf. Ist die Rechnung bis jetzt also aufgegangen? «Wir hatten tatsächlich eine super Eröffnung letzten September, am gleichen Tag der Zeughausgasse-Einweihung. Genau nach Beendigung des Gratisausschanks draussen begann es zu regnen und darum hatten den Laden entsprechend voll. Wir waren völlig überfordert», erklärt Schmid. Zum guten Start habe letztendlich auch der schöne Herbst beigetragen. «Davon konnten wir dank der Tische auf dem Vorplatz enorm profitieren. Es lief deutlich besser als erhofft.»

«Wir wollen niemandem wehtun. Und ich bin sicher: Eine etablierte Bar wie der Felsenkeller wird auch weiterhin funktionieren.»

Christoph Schmid, Betreiber des Platzhirsch

Und das in einem alles andere als konkurrenzfreien Umfeld. Kaum hundert Meter südlich befindet sich der Felsenkeller, zweihundert Meter in Richtung Norden liegt das Masquevino. Ein Problem? Nicht wirklich, findet Schmid. «Wir wollen niemandem wehtun. Und ich bin sicher: Eine etablierte Bar wie der Felsenkeller wird auch weiterhin funktionieren.» So ganz ohne Konkurrenzdenken gehe es aber doch nicht.

«Natürlich wollen wir es etwas anders machen als die bestehenden Lokale. So verteilen wir manchmal ‹Amuse Bouche› oder kleine Risotto-Portiönchen. Das wird von den Gästen enorm geschätzt.» Klingt schick. Überhaupt sieht der Platzhirsch, ganz in schwarz, weiss und silber gehalten, ziemlich elegant aus. Ist hier vor allem die gehobene Klasse willkommen? «Überhaupt nicht. Ausserdem muss man sich auch nicht mit Wein auskennen um bei uns herzlich begrüsst zu werden. Man muss ja auch nicht im Voraus wissen, woran man leidet, wenn man zum Arzt geht.»

Tapas, Wein und Wermut zur Abgrenzung

Kleiner und auch zurückhaltender als der Platzhirsch wirkt das Masquevino, eine Weinbar an der Poststrasse. Masquevino, also mehr als Wein verspricht der Name. Neben spanischen und portugiesischen Tropfen gibt es hier eine Handvoll verschiedener Tapas. In den hinteren Teil des Lokals gelangt man mittels schmalen Gangs, in schummriger Atmosphäre trinkt sich der Gast durch die Weine, die ihn umgeben.

Im Masquevino dominieren Weine aus Spanien und Portugal.

Im Masquevino dominieren Weine aus Spanien und Portugal.

(Bild: wia)

Das Konzept: Drei verschiedene Händler stellen hier ihre Weine aus, darunter die zwei lokalen Geschäfte Weiss zum Erlenbach und das Weinhaus Zug. Der Besitzer des letzteren, Guido Gilardoni ist gleichzeitig auch der Betreiber des Seebistro Seelikon. Und eben auch vom Masquevino.

Zum Masquevino, das er nun gemeinsam mit Matthias Luchsinger führt, ist er Ende 2015 gestossen. Der Grund für die Zusammenarbeit: «Wir haben eine Konzeptänderung vorgenommen. Vorher war es eine reine Weinbar, nun verkaufen wir Wein, Wermut und Tapas.» Genauso wie der Platzhirschbetreiber ist Luchsinger ein Quereinsteiger: «Ich komme eigentlich aus der Medien- und Werbebranche. Zudem berate ich ein Weingut in Spanien und organisiere das Zuger Genuss Film Festival.» Irgendwann im Verlaufe der Zeit sei die Idee aufgetaucht, eine Kombination zwischen Weinhandlung und Weinbar zu eröffnen. Diese wurde vor vier Jahren umgesetzt.

«Mit Wein kann man heute nur überleben, wenn man nicht im Kampf mit den Grossverteilern steht.»

Matthias Luchsinger, Betreiber des Masquevino

Und wie steht’s mit der Konkurrenz? «Die ist gross. Das war letztendlich auch der Grund, warum wir eine Konzeptänderung vorgenommen haben. Wir beschränken uns auf spanischen sowie portugiesischen Wein und servieren Tapas. Damit grenzen wir uns von den anderen ab», erklärt Gilardoni. Handelt es sich beim Wein letztendlich einfach um einen Trend, der nun auch in Zug angekommen ist?

«In Zürich gibt es tatsächlich ziemlich viele Weinbars. Aber ob es nur eine Mode ist, lässt sich wohl noch nicht sagen. Vielleicht ist es einfach so, dass man eine Not zur Tugend macht. Mit einer kleineren Weinhandlung allein verdient man nämlich nur wenig Geld.» Das klingt nicht gerade euphorisch.

«Man muss sich einfach eine Nische suchen. Wir haben hier etwa Weine, die nicht sehr bekannt sind und über die wir sehr viel wissen. Die Leute schätzen es, wenn man eine Geschichte zum Wein erzählen kann», so Gilardoni. «Als Weinhändler kann man heute nur überleben, wenn man mit seinen Produkten nicht im Kampf mit den Grossverteilern steht.»

Der Fels am Kolinplatz

Ein alter Hase in der Zuger Weinszene ist Rémy Blaser. Seit 27 Jahren betreibt er den Felsenkeller, zuerst nur als Weinhandlung, seit 16 Jahren auch als Weinrestaurant. Will heissen: Der Felsenkeller versorgt die Kundschaft mit Wein, während das Essen von den Restaurants Aklin und Fischmärt geliefert wird. Ein Konzept, dass offenbar sogar den Tages-Anzeiger beeindruckte. Dieser schrieb damals von einer «originellen und zukunftsträchtigen Idee».

«Ich begrüsse diese neuen Lokale. So gibt es für Gäste immer weniger Gründe, am Wochenende nach Zürich oder Luzern abzuwandern.»

Rémy Blaser, Besitzer des Felsenkellers

Blaser findet klare Worte dafür, was in Zug derzeit passiert: «Weinbars verbreiten sich hier inflationär.» Ein Grund zur Sorge? «Nein. Wer Futterneid hat, der hat verloren.» Seine entspannte Haltung kommt nicht von ungefähr. «Unser Lokal ist fast immer voll, ausserdem haben wir die Kostenrechnung im Griff. – Das ist elementar», erklärt Blaser, der einst Betriebswirtschaft studierte.

Den Felsenkeller beim Kolinplatz gibt es bereits seit 27 Jahren.

Den Felsenkeller beim Kolinplatz gibt es bereits seit 27 Jahren.

(Bild: wia)

Keine Angst davor, dass der Platzhirsch plötzlich überhand nimmt? «Im Gegenteil. Ich begrüsse diese neuen Lokale. So gibt es für Gäste immer weniger Gründe, am Wochenende nach Zürich oder Luzern abzuwandern. Wir wachsen seit zehn Jahren konstant.»

Die Eröffnung der neueren Lokale spüre der Felsenkeller kaum. Trotzdem würden Ankündigungen neuer Bars auch beim Felsenkeller etwas auslösen. «Das spornt uns jeweils an, unser Konzept zu optimieren. Als Reaktion auf die Eröffnung des Platzhirsch haben wir bei uns im Keller eine Backstube eingerichtet. Schmid kündigte nämlich an, dass man im Platzhirsch rund um die Uhr essen könne. Jetzt können auch wir die Gäste spätabends noch mit Snacks verpflegen.»

Beflügelt anstatt verängstigt

Die Betreiber des Felsenkellers stehen mit ihrem Lokal für die gehobene Gastronomie. «Den Leuten wird bei der Begrüssung aus dem Mantel geholfen, bei der Verabschiedung schütteln wir jedem die Hand.» Ein Lokal für Zugs High Society also? Vehement dementiert Blaser: «Überhaupt nicht. Wir haben interne Richtlinien für unsere Mitarbeiter, und dort steht zuoberst, dass alle Gäste gleich zu behandeln sind. Ausser, sie wissen sich nicht wie Gäste zu verhalten. Es gibt tatsächlich ein paar Leute, die hier nicht erwünscht sind. Aber darunter sind keine Jungen.»

Das Fazit. Alle der befragten Unternehmen empfinden die steigende Dichte an Weinbars eher als beflügelnd denn beängstigend. Ausnahmslos alle Befragten freuten sich über die Belebung der ansonsten eher ausgestorbenen Stadt Zug und finden, dass das Potential auch jetzt noch nicht ausgeschöpft sei. Vielleicht ist es auch einfach der beruhigenden Wirkung des guten Rotweins zu verdanken, dass die Zuger Barbetreiber der Zukunft so entspannt entgegenblicken.

 

Welche Erfahrungen haben Sie in den Zuger Weinlokalen gemacht? Schreiben Sie uns einen Kommentar!

 

 

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