Kanton Zug soll Flüchtlingskinder separat fördern

Integration: FDP mit Linken und CVP einig

Die Flüchtlingskinder, die jetzt kommen, brauchen viel mehr Betreuung. Sie sind oft traumatisiert, müssen neben der Sprache auch unsere Schrift erlernen. (Bild: Archiv)

Gemeinden und Schulen seien mit der Integration von Kindern aus dem Asylbereich überfordert. Eine neue Motion fordert deshalb die Schaffung kantonaler Integrationsklassen. FDP-, ALG-, SP- und CVP-Kantonsräte ziehen ausnahmsweise am gleichen Strick.

Sie sehen dringenden Handlungsbedarf: Kantonsräte verschiedener Parteien haben eine neue Motion eingereicht. Sie fordern den Regierungsrat auf, dem Parlament eine Vorlage zur Schaffung von zentralen Schulklassen für Asylbewerber-Kinder zu präsentieren.
Konkret regen sie an, an einem oder mehreren Standorten im Kanton Zug solche Klassen zu schaffen. «Idealerweise sollten sie in unmittelbarer Nähe zu bestehenden oder geplanten Durchgangszentren positioniert sein», heisst es im Motionstext.

Die Schulung solle mindestens ein Jahr dauern. Jedes Schulkind solle ausserdem so lange durch den schulpsychologischen Dienst begutachtet und begleitet werden, bis es in die Regelklasse der Gemeindeschule integriert sei.

Massives Problem

Zur Begründung sagt der Baarer FDP-Kantonsrat Andreas Hostettler, die Integration der Kinder sei ein Problem, das die Schulen und Gemeinden massiv beschäftige. Hostettler hat die Motion zusammen mit Esther Haas von der Alternative – die Grünen aufgegleist. «Später haben wir auch CVP- und SP-Vertreter ins Boot geholt», sagt Hostettler. Er ist Mitglied des Bildungsrats.

Esther Haas aus Cham ist Mitglied der kantonsrätlichen Bildungskommission. «Wir haben mit Leuten an der Schulfront geredet», sagt Haas auf Anfrage, «in dieser Situation müssen wir den Schulen unter die Arme greifen.» Sie habe das Anliegen auch ihrer Fraktion vorgestellt, diese sei dafür.

«Es ist ein pragmatischer Lösungsansatz.»
Andreas Hostettler, FDP-Kantonsrat

Das sei kein parteipolitisches Anliegen, betonen beide Politiker gegenüber zentral+. Andreas Hostettler: «Mit unserem pragmatischen Lösungsansatz kann ohne unnötige Polemik ein grosses Problem angepackt und einer Lösung zugeführt werden.»

Kinder zu früh in Gemeindeschulen

Zur Einschätzung der Situation sagt Hostettler: «Heute sind die Kinder drei bis vier Wochen in der Durchgangsstation und werden dann in die Gemeinden und deren Schulen verteilt.» Die Kinder seien oft traumatisiert, könnten nicht Deutsch und beherrschten in vielen Fällen auch nicht unser Alphabet. «Es ist deshalb nicht sinnvoll, diese Schulkinder in einer so frühen Phase in die gemeindlichen Schulen zu integrieren, weil sie letztlich keinen Gewinn daraus ziehen», sagt der Kantonsrat.

Ein weiteres Argument: «Dies beeinträchtigt zudem die Unterrichtsqualität für Schüler in den Regelklassen.» Mit dem Erlernen unserer Sprache und unserer Schrift, verbunden mit den bei uns geltenden Verhaltens- und Lebensgrundsätzen, werde die grundlegende Basis geschaffen für eine Integration in unsere Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.

Nicht vergleichbar mit Jugoslawien-Krieg

Wegen der allgemeinen Schulpflicht müssen alle Kinder eingeschult werden, das war immer so. Was ist neu an der Situation? Gemäss ALG-Kantonsrätin Esther Haas kommen jetzt viele Kinder, welche die arabische Schrift beherrschten, jedoch nicht die lateinische. «Die aktuellen Herausforderungen sind ganz anders gelagert als in den 90er-Jahren, als die letzte grosse Flüchtlingswelle aus Ex-Jugoslawien die Schweiz erreichte.»

«Die Herausforderung ist viel grösser als im Jugoslawien-Krieg.»
Esther Haas, Kantonsrätin Alternative – die Grünen

Ganz neu wären Integrationsklassen im Kanton Zug nicht. Laut Haas gibt es solche Klassen in der Unter-, Mittel- und Oberstufe der Gemeinde Cham. Dort geht es um die Verbesserung der Deutschkenntnisse. «Doch wenn die Schrift auch erlernt werden muss, ist es natürlich komplizierter», sagt Haas.

Politiker von SP und CVP ins Boot geholt

SP-Kantonsrat Zari Dzaferi ist selbst Deutschlehrer. Die Sprache sei die Basis für den schulischen und beruflichen Erfolg, das wisse er aus eigener Erfahrung, sagt Dzaferi auf Anfrage. Es sei einfacher, Schülern aus europäischen Ländern Deutsch beizubringen als Kindern aus dem arabischen Raum. Da brauche es viel mehr Aufwand, um eine gute Basis zu legen.  Er befürworte deshalb die Idee der Integrationsklassen. «Ich bin überzeugt, dass dies aus pädagogischer und finanzpolitischer Sicht sinnvoll ist und das Anliegen deshalb eine breite Unterstützung geniesst.»

Die Motionäre gehen nicht davon aus, dass dieser separate Unterricht mehr kostet. «Die Fachleute wären dann alle an einem Ort konzentriert», sagt Andreas Hostettler. Gemäss dem FDP-Kantonsrat haben Schulpräsidenten und Rektoren, mit denen man das Anliegen besprochen habe, positiv reagiert. «Wir rennen mit diesem Anliegen offene Türen ein.»

Neben Andreas Hostettler und Esther Haas haben sechs weitere Kantonsratsmitglieder unterschrieben. Zari Dzaferi (SP) und die beiden FDP-Kantonsräte Peter Letter und Beat Unternährer sind in der Bildungskommission des Kantonsrats. Unterstützt wird der Vorstoss ebenfalls von SP-Kantonsrat Beat Iten und den beiden CVP-Kantonsratsmitgliedern Pirmin Andermatt und Karin Andenmatten.

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