Auf einen Spaziergang mit dem Stadtarchitekten

«In Zug wurde Siedlungsbau betrieben wie in Spreitenbach»

Der Stadtarchitekt Christian Schnieper kennt nicht nur die gelungenen Ecken von Zug.

(Bild: wia)

In den kommenden Jahren dürfte sich das Zentrum von Zug ziemlich verändern. Wir haben mit dem Zuger Stadtarchitekten die Gegend erkundet, haben über grosse Baupläne gesprochen und mindestens ebenso grosse städtebauliche Sünden.

Das blauschillernde Marc-Rich-Gebäude beim Bahnhof Zug, die markante gelbe Fassade des Metalli-Einkaufszentrums, das vielversprechend klingende Parkhotel, welches für seine vier Sterne doch sehr bescheiden daherkommt. All diese Gebäude befinden sich im Zentrum von Zug und sie alle haben ihren Zenit mittlerweile überschritten.

Die Gegend zwischen Bahnhof Zug, Bergli, Gotthard- und Gubelstrasse dürfte sich in mittlerer Frist gehörig verändern. Nicht nur planen verschiedene Grundeigentümer, ihre Liegenschaften grosszügig zu sanieren, einige bestehende Häuser dürften Neubauten, darunter auch Hochhäusern, weichen.

Das Geviert, auf dem das Metalli steht, gehört der Zug Estates AG. Doch hat sie nicht das alleinige Sagen im Bezug auf die Entwicklung im Herzen der Stadt. Auch die Behörden können mitbestimmen, insbesondere in Sachen Städtebau. Wir treffen deshalb den Zuger Stadtarchitekten Christian Schnieper auf einen Spaziergang durch besagte Gegend.

Die Passanten werden ziemlich rumgeschickt

Treffpunkt: Am Fuss der Zuger Kantonalbank beim Bahnhof. «Das Projekt Baarerstrasse West, also zwischen Baarerstrasse und Bahnhof, ist ein wichtiges», erklärt der 40-Jährige nach der Begrüssung sogleich. «Schauen Sie einmal. Dies ist der Hauptzugang zum Bahnhof», sagt er und weist auf die Achse, auf der die Fussgänger aus dem Bahnhof in Richtung Metalli nach draussen geführt werden.

In der Verlängerung des Fussgängerstreifens ist kein Durchgang, sondern ein Ladengeschäft.

In der Verlängerung des Fussgängerstreifens ist kein Durchgang, sondern ein Ladengeschäft.

(Bild: wia)

Jedenfalls so weit, bis sie von der Baarerstrasse unterbrochen wird. «Die Durchlässigkeit zwischen Metalli und Bahnhof ist hier unterbrochen.  Wer zur Mall will, kann nicht geradeaus, sondern muss zum Fussgängerstreifen, der etwas versetzt steht», so der Architekt, während wir ebendiesen Weg einschlagen. «Ist man einmal drüben, geht es wiederum nicht geradeaus in die Einkaufshalle hinein.

Tatsächlich muss man sich dort wieder links halten, bis man ins Zentrum eingelassen wird. «Die Durchlässigkeit einer Stadt für den Langsamverkehr ist eines unserer wichtigsten Ziele bei der künftigen städtebaulichen Planung», so der Mann, der seit 3,5 Jahren als Stadtarchitekt amtet. «Es ist schlichtweg sinnvoll, Fussgängern einfache Wege zu ermöglichen.»

Falsch geplant? Nein, nur nicht mehr zeitgemäss

Was Schnieper erklärt, ist durchaus einleuchtend. Der Fussgänger wird ziemlich in der Gegend rumgeschickt, bis er im Metalli steht. Auch wenn sich die Zuger so sehr an diesen Umstand gewöhnt haben dürften, dass ihnen das nicht mehr auffällt.

Hat der damalige Architekt falsch geplant? «Nein», so der Stadtarchitekt. «Bedenken Sie, dass das Metalli in den Achtzigern gebaut wurde, also noch vor dem Neubau des Bahnhofs.» Während die Unterführung beim Glashof damals noch als Hauptachse diente, ist sie heute nur noch Nebenachse auf dem Weg vom Metalli zum Bahnhof. Den heutigen Bahnhofseingang gab es in seiner heutigen Form und Dimension damals noch nicht.

Blau: Der frühere Zugang vom Bahnhof zum Metalli. Rot: Der heutige Zugang. Der Fussgänger muss mehrmals abdrehen bis zum Einkaufszentrum.

Blau: Der frühere Zugang vom Bahnhof zum Metalli. Rot: Der heutige Zugang. Der Fussgänger muss mehrmals abdrehen bis zum Einkaufszentrum.

(Bild: Google Maps)

Ein Platz, den niemand nutzt

Mittlerweile sind wir am Starbucks vorbeispaziert und stehen am nördlichen Eingang des Einkaufszentrums, vor dem ein Platz liegt, der etwas zu gross wirkt. Der Eingang dürfte früher, vor dem Umbau des Bahnhofs, deutlich stärker frequentiert gewesen sein.

Von hier aus weist Schnieper auf einen weiteren, speziellen Umstand hin. «Die Metallstrasse, die hier quer zur Baarerstrasse verläuft, endet auf deren Westseite in einem Parkplatz», sagt er. Überhaupt, so der Stadtarchitekt, sei die Menge an oberirdischen Langzeitparkplätzen, die um den Bahnhof mitten in der Stadt Zug zu finden seien, im Vergleich zu anderen zentral gelegenen Bahnhöfen in der Schweiz sehr untypisch. «Dies wurde im Rahmen eines Workshops gemeinsam mit der SBB bestätigt», präzisiert Schnieper.

Diese Häuser dürften die nächsten Jahrzehnte nicht überstehen. Dazwischen, als Verlängerung der Metallstrasse, liegt ein Parkplatz.

Diese Häuser dürften die nächsten Jahrzehnte nicht überstehen. Dazwischen, als Verlängerung der Metallstrasse, liegt ein Parkplatz.

(Bild: wia)

«Ich finde, Autos gehören zur Stadt dazu und Kurzzeitparkplätze im Zentrum sind absolut sinnvoll.» Gehe es jedoch darum, sein Auto über mehrere Stunden zu parkieren, sei ein Parkhaus viel zweckmässiger, so der Zuger.

Parkplatz = Marktplatz, ja bitte

Gerade multiple Nutzungen strebe man beim Städtebau an. «Also beispielsweise Parkplätze, die am Samstag als Marktplätze genutzt werden.» Der nördliche Eingang zum Metalli, auf dem wir stehen, wird kaum mehr genutzt. Abgesehen vom Starbucks, der einen kleinen Teil davon mit Tischen und Stühlen bestückt hat. Früher fand hier ein Bauernmarkt statt, dieser wurde jedoch mittlerweile in einen anderen Teil des Metalli-Gevierts verlagert. Auch an schönen Tagen sieht man hier kaum Menschen verweilen.

«Die Gerade der Metalli-Einkaufsallee endet sowohl im Norden als auch im Süden an einer Hauswand.»

Christian Schnieper, Stadtarchitekt

Öffentliche Plätze, so Schnieper, seien ein zentrales und nicht einfaches Thema. «Nehmen wir den Arenaplatz. Die Idee, diesen freizulassen, ist in der Theorie gut. Nur ist er viel zu gross für die meisten Anlässe. Sogar beim EVZ-Jubiläumsfest musste er halbiert werden.» Da sei der obere Postplatz, der kürzlich von Autos befreit wurde, rein von der Dimension her im Vorteil. «Zwischen den Häusern fühlt man sich geschützt. Klar ist der Platz heute noch karg, doch bin ich überzeugt, dass dieser Platz einst leben wird», so der Stadtarchitekt.

Das Rezept für belebte Plätze

Er kennt die Rezeptur für belebte Plätze. «Es klingt einfach. Erstens braucht es Pflanzen, zweitens Sitzmöglichkeiten und drittens Wasser.» Es sind dies drei Elemente, die bis im Sommer am Postplatz Einzug halten werden.

Weil der Platz vor dem Metalli einzig mit (nassen) Sitzbänken punkten kann, machen wir uns auf in die Einkaufsallee. Auch hier macht der Stadtarchitekt auf eine interessante Gegebenheit aufmerksam. «Sehen Sie, diese lange Gerade der Einkaufsallee endet sowohl im Norden als auch im Süden an einer Hauswand.» Im Norden wird der Blick in die Distanz am Gebäude aufgehalten, in dem sich das Restaurant Bären befindet. Im Süden verunmöglicht ebenfalls ein Bau die Durchlässigkeit.

Die Einkaufsallee im Metalli führt sowohl im Norden als auch Süden an eine Hauswand.

Die Einkaufsallee im Metalli führt sowohl im Norden als auch Süden an eine Hauswand.

(Bild: wia)

«Fussgänger müssen nach rechts ausweichen sowie die Gotthardstrasse überqueren, um in die Neustadtpassage zu gelangen», sagt Schnieper. Mittlerweile sind wir beim Metalli-Südeingang angekommen und halten an. «Die Neustadtpassage ist städtebaulich sowieso schwierig, da sie die Stadt entzweit.»

Heisst: Die Passage selbst ist ein Nadelöhr, durch welches Fussgänger hindurchmüssen, wenn sie in Richtung Altstadt wollen. Die unbequeme Alternative: Überquerung der Baarer- und der Gotthardstrasse ab Metalli, und danach erneut die Überquerung zweier Strassen, bis man sich an der Bahnhofstrasse befindet.

«Das ist eine städtebauliche Störung, für welche wir noch einen adäquaten Umgang finden müssen», findet Schnieper.

Rot: Der schnellste Weg in den Süden geht durch die Neustadtpassage. Die Alternative beinhaltet vier Strassenquerungen.

Rot: Der schnellste Weg in den Süden geht durch die Neustadtpassage. Die Alternative beinhaltet vier Strassenquerungen.

(Bild: Google Maps)

Sim City im Norden Zugs

Bei weitem ist es nicht die einzige Herausforderung. Der Stadtarchitekt nennt auch die Nordstrasse als Beispiel. «Das ist im Prinzip eine Autobahn mitten durch die Stadt.» Er wisse, wovon er rede, denn er wohne da. «Ich finde, dass ich als Stadtarchitekt an einem städtebaulich schwierigen Ort leben muss, um der Realität ins Auge zu sehen und meine Aufgabe ernsthaft wahrzunehmen.»

Überhaupt sei diese Gegend problematisch. «In Zug Nord wurde in jüngster Vergangenheit Siedlungsbau betrieben, wie man ihn von Dietlikon oder Spreitenbach kennt.» So etwas gehe in Zug nicht und dürfe heute auch nicht mehr zugelassen werden. Bei der Gestaltung des Zentrums in den kommenden Jahren müsse es die Stadt besser machen.

Noch dauert’s, bis im Zentrum gebaut werden kann

Wird’s künftig rund um den Bahnhof so richtig grossstädtisch? «Naja. Natürlich denken und planen wir in dichten Massstäben und auch das eine oder andere Hochhaus ist in diesem Gebiet denkbar. Doch müssen solche Bauten an Orten stehen, die städtebaulich nachvollziehbar sind», so der Fachmann weiter. «Insbesondere an der Baarerstrasse sowie auf den Kreuzungen Baarerstrasse/Gubelstrasse sowie Baarerstrasse/Feldstrasse sind Hochhäuser gut denkbar.»

«Letztlich liegt es bei Volk und Politik, inwiefern die Umsetzung einer verdichteten Stadt Zug realistisch ist.»

Christian Schnieper, Stadtarchitekt

Doch konkret sei noch überhaupt nichts. Mehr könne man jeweils erst nach der Durchführung von städtebaulichen Studienaufträgen und Projektwettbewerben sagen. «Letztlich liegt es beim Grossen Gemeinderat und beim Volk, ob die Umsetzung einer verdichteten Stadt Zug realistisch ist», so Schnieper.

«Die Parzellen östlich des Bahnhofs gehören unterschiedlichen Grundstückbesitzern. Es handelt sich also nicht um ein einziges Grossprojekt, sondern um verschiedene, die innert unterschiedlicher Zeithorizonte realisiert werden», sagt der Stadtarchitekt.

Das voraussichtlich frühste Projekt: das Gebiet Baarerstrasse West. Doch auch dort wird frühestens in einigen Jahren gebaut. Wenn man bedenkt, dass Hochhausprojekte im Parlament immer eine Menge zu reden geben, könnte es auch deutlich später werden.

 

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