Zweiter Wahlgang: Die Qual der Wahl

In welchem Kandidaten steckt was drin?

Aus drei mach zwei: Nun wird klar, welche zwei Kandidaten den Sprung in die Regierung schaffen. Von links nach rechts: Paul Winiker (SVP), Felicitas Zopfi (SP) und Marcel Schwerzmann (parteilos). (Bild: Roman Beer)

Zopfi, Schwerzmann oder Winiker: Am Sonntag wird klar, wer über die Klinge springen muss und wer zu den glücklichen Gewählten gehören wird. zentral+ sagt kurz vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang, was für und gegen die einzelnen Anwärter auf einen Regierungssitz spricht.

Drei Kandidaten, zwei Sitze: So einfach präsentiert sich die Ausgangslage des zweiten Wahlgangs vom kommenden Sonntag. Simpel sind auch die möglichen Szenarien. Es gibt drei Varianten. Entweder wird Felicitas Zopfi (SP) mit Paul Winiker (SVP) gewählt, oder die SP-Frau gewinnt gemeinsam mit dem bisherigen Parteilosen Marcel Schwerzmann. Die dritte Möglichkeit ist die reine bürgerlich-männliche, wenn nämlich Winiker und Schwerzmann oben auf sind.

Der Ruf nach Konkordanz

Es wurde viel diskutiert in den letzten Wochen. Über die Frage der Konkordanz, die nun endlich wieder hergestellt sein soll, nachdem der Parteilose Schwerzmann mit seiner Wahl 2007 die SVP nach nur zwei Jahren Amtszeit aus der Regierung verbannte. Dies, nachdem sich der damalige SVP-Regierungsrat Daniel Bühlmann wegen privater Betreibungen und zotigen Frauenwitzen quasi selber aus dem Amt katapultierte. Nun soll es ein neuer Kandidat richten und dem Anspruch der zweitgrössten Partei im Kanton auf einen Sitz in der Regierung wieder gerecht werden.

Zu reden gab auch die Idee, die SP und damit die einzige Frau, die zur Wahl steht, aus der Regierung zu werfen. Gewerbeverbände sowie FDP und SVP liebäugeln offen mit dieser Variante einer reinen bürgerlichen Männerregierung. Weshalb die Linke – mit knapp 19 Prozent Wähleranteil ohnehin schon klar in der Minderheit – gänzlich aus der Verantwortung entlassen werden soll, ist nicht ganz ersichtlich: So oder so wird Luzern auch künftig fest in bürgerlicher Hand bleiben. Sparpakete können weiterhin geschnürt werden, ohne dass mit ernsthaften Widerständen zu rechnen ist. Wenn schon, dann kommt er von ausserhalb – von der Strasse. Und der wird voraussichtlich grösser sein, wenn die Regierung rein bürgerlich wäre. 

Die – leidige – Frauenfrage

Schliesslich sorgt auch die Person Felicitas Zopfi für geteilte Meinungen. Für die einen scheint sie zu parteitreu, zu wenig kompromissbereit und zu wenig führungserfahren zu sein. Zudem entfachte sich eine Diskussion um die Frauenfrage. Wer Nein zu Zopfi sagt, sagt nein zur Frauenvertretung in der Regierung, die seit 1987 ohne Unterbruch Bestand hat. Für die einen ist dies ein Skandal, für die anderen problemlos, da man heute keine Frauenquote mehr brauche.

Hinter diesen Diskussionen steht nicht selten machtpolitisches Kalkül, schliesslich will man den eigenen Kandidaten, die eigene Kandidatin möglichst gut positionieren. Was für Qualitäten und mögliche Schattenseiten haben die einzelnen Kandidaten tatsächlich? zentral+ mit einem Einordnungsversuch.

Marcel Schwerzmann: Bewährt – und angeschlagen

Eigentlich würde der Wiederwahl des ehemaligen Steuerverwalters nichts im Wege stehen. Er kann einen ausgezeichneten Leistungsausweis präsentieren – zumindest für diejenigen, welche die rigorose Spar- und Tiefsteuerstrategie des Kantons unterstützen. Auch wenn für die Halbierung der Unternehmensgewinnsteuern bis heute die nötigen Kennzahlen fehlen, wird Schwerzmann von vielen als erfolgreich agierender Finanzdirektor angesehen.

Weniger brillant scheinen seine kommunikativen Fähigkeiten zu sein. Das Theater rund um das IT-Debakel und dem Strafverfahren um einen früheren Leiter der IT-Abteilung haben das Bild des bisher makellosen Finanzfachmanns getrübt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe seinen Laden nicht im Griff. Noch schwerwiegender ist aber der Umstand, dass er erst auf Druck der Kontrollkommission des Parlaments eingriff. Aber damit nicht genug: Kurz vor dem ersten Wahlgang wurde Schwerzmann im Zusammenhang mit der «Webgate-Affaire» wiederum vorgeworfen, nicht oder zu spät gehandelt zu haben und sowohl Regierung wie Parlament nicht oder ungenügend informiert zu haben.

Entsprechend mässig war sein Abschneiden im ersten Wahlgang. Wer auf eine Wahlkampfoffensive für den zweiten Wahlgang hoffte, wurde enttäuscht – es blieb um ihn erstaunlich ruhig. Ob ihm das Prädikat «bisher» reicht, um quasi im Schlafwagen gewählt zu werden, ist deshalb fraglich. 

Paul Winiker: Der Profiteur?

Die SVP tut sich traditionell schwer, geeignete Exekutivkräfte zu finden und diese auch erfolgreich in die jeweiligen Ämter zu führen. Daniel Bühlmanns unrühmlicher Abgang 2007 passt zu diesem schweizweiten Phänomen. Nun scheint endlich ein valabler Kandidat gefunden zu sein. Paul Winiker, Gemeindepräsident von Kriens, umgänglich, gesprächig, humorvoll. Über ihn wurde erstaunlich wenig diskutiert in diesem Wahlkampf.

Er schnitt im ersten Durchgang überraschend gut ab und profitierte wohl vom angeschlagenen Schwerzmann. Und er gab sich betont handzahm. Keine verbalen Ausrutscher, keine Breitseiten gegen politische Gegner, nichts. Geschickt stellte er sich auch an, wenn man ihn fragte, mit wem er lieber in die Regierung einziehen würde. Er unterliess es tunlichst, sich offen gegen die SP-Kandidatin zu äussern. Damit zeigte er sich staatsmännisch-abgeklärt.

Ein «Wolf im Schafspelz» ist er deshalb wohl nicht, zumindest nicht, was den respektvollen Umgang mit politischen Gegnern betrifft. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Winiker in vielen politischen Fragen – etwa, wenn es um Asylpolitik oder Sozialhilfe geht – ein strammer SVP-Vertreter ist.

Ob sein politischer Leistungsausweis in Kriens tatsächlich so gut ist, wie er es gerne herausstreicht, bleibe dahingestellt. Es ist aber ein einigermassen offenes Geheimnis, dass es in Kriens auch Stimmen gibt, die sagen, er gehöre nicht gerade zu den Machern in der Exekutive der Gemeinde. Und ihm deshalb keine Tränen nachweinen, sollte er bald seinen Job wechseln. Dennoch scheint für die SVP und damit für Paul Winiker die Zeit gekommen zu sein.

Felicitas Zopfi: Die Black-Box

Yvonne Schärli hinterlässt ein schweres Erbe. Nach einem harzigen Start entwickelte sich die SP-Frau zu einer geschätzten und schlagfertigen Regierungsrätin. Auch von bürgerlicher Seite wurde ihre Arbeit honoriert. Felicitas Zopfi hat es nun nicht leicht, in ihre Fussstapfen zu treten. Obwohl sie schon lange politisch aktiv ist und sich unter anderem als Parteipräsidentin die Sporen abverdient hat, werden die bürgerlichen Parteien einfach nicht so recht glücklich mit ihr. Mag sein, dass es an ihrer etwas wortkargen Art liegt.

Hauptkritikpunkt aber ist ihre scheinbar mangelnde Führungserfahrung. Ist da tatsächlich was dran? Zopfi arbeitet als Lehrerin, war von 2004 bis 2009 Fraktionschefin im Kantonsrat und von 2009 bis 2014 kantonale Parteipräsidentin. Zudem führt sie auf ihrer Website auf, dass sie unter anderem Präsidentin der Interessensgemeinschaft öffentlicher Verkehr Zentralschweiz war.

Das tönt in der Tat nicht nach der Führungserverantwortung, die es als Regierungsrat braucht. Nur: Ist diese tatsächlich so absolut unerlässlich, um dieses Amt erfolgreich auszuführen? Nein, oder nicht unbedingt, wie ein Blick auf andere Regierungsräte zeigt.

 

Yvonne Schärli (SP) etwa war Schulpflegerin und später während sechs Jahren Gemeinderätin von Ebikon, bevor sie in die Regierung einzog.

• Der ehemalige CVP-Regierungsrat Markus Dürr (CVP) führte eine Tierarztpraxis und war neun Jahre lang Gemeindepräsident von Malters.

Guido Graf (CVP) führte vor seinem Amt ein kleines Unternehmen mit rund 10 Angestellten und war Gemeinderat von Pfaffnau.

Reto Wyss (CVP) war Mitinhaber eines Bauingenieur-Büros und Gemeindepräsident von Rothenburg, bevor er in die Regierung gewählt wurde.

• Die ehemalige CVP-Regierungsrätin Margrit Fischer arbeitete im Anwaltsbüro ihres Mannes und war Stadträtin von Sursee.

• Alt-Regierungsrat Ulrich Fässler (FDP) war nebst seiner Parlamentstätigkeit schlicht und einfach Anwalt.

Robert Küng (FDP) war vor seinem Amt Unternehmer und von 2000 bis 2011 Stadtpräsident von Willisau.

 

Diese nicht repräsentative Auswahl zeigt, dass es bei vielen Magistraten mit der sogenannten Führungserfahrung nicht so weit her ist. Als Gemeinderat hat man zwar einige Verantwortung, aber ob insbesondere in kleineren Kommunen tatsächlich so viele Führungsqualitäten gefordert sind, ist fraglich. Fraglich ist auch, was höher einzustufen ist: Ein kleines Unternehmen mit einer handvoll Angestellten zu managen, oder die politischen Führungsaufgaben, welche Felicitas Zopfi innehatte.

Zopfi sagt von sich, dass sie führen und Verantwortung übernehmen kann. Ob das tatsächlich so ist und ob sie in das Amt hineinwachsen kann – und auch kommunikativ noch etwas zulegt – ist schwierig, vorherzusagen. Sicher ist, dass sie jahrelang politische Knochenarbeit geleistet hat und über solide Dossierkenntnisse verfügen dürfte.

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