Luzerner Wahlen

«In mir steckt noch der Unternehmer»

Regierungsrat Guido Graf beteuert, dass er das Asylwesen früher hätte zur Chefsache erklären müssen. (Bild: cha)

Der CVP-Politiker Guido Graf ist einer der vier bisherigen Regierungsräte, die sich am 29. März der Wiederwahl stellen. Als Gesundheits- und Sozialdirektor steht er einem Schlüsseldepartement vor. Im Interview nimmt er Stellung zu aktuellen Fragen, schaut zurück und erklärt, warum er das Asylwesen schon früher hätte zur Chefsache erklären sollen.

zentral+: Herr Graf, Sie sind Gesundheitsdirektor und kamen ins Amt, als die Verselbstständigung der Kantonsspitäler bereits beschlossen war. Haben Sie als Gesundheitsdirektor «Gewicht» verloren?

Graf: (Schaut belustigt auf seinen Bauch). Wir haben eine Eignerstrategie, also verselbstständigte Spitäler. Ich bin dort als Vertreter der Regierung dabei, entscheide aber operativ nicht mit. Wichtig ist: Wir bestellen bei den Spitälern die Leistungen. Ich beschäftige mich auch mit den Strategien, etwa wenn es darum geht, Kooperationen mit andern Kantonen einzugehen, so wie LUNIS (Spitalregion Luzern und Nidwalden) und jetzt bei der Psychiatrie mit Obwalden und Nidwalden.

zentral+: Was hätten Sie aus heutiger Sicht in den letzten vier Jahren anders anpacken sollen? 

Graf: Ich hätte das Asylwesen schon früher zur Chefsache erklären sollen. Das Thema ist hoch politisch und hoch emotional, und es braucht vor allem viel zeitliche Aufmerksamkeit. Mit einer zeitlich früheren Reaktion hätte ich die Schwierigkeiten beim Asylzentrum in Fischbach wohl vermeiden können.

zentral+: Was ist Ihnen in den letzten vier Jahren besonders gut gelungen?

Guido Graf: Es gibt einiges, für mich wichtig war die Einführung der neuen Spitalfinanzierung mit Fallpauschalen. Das ist uns pionierhaft gelungen. Dabei habe ich dafür gesorgt, dass es zwischen öffentlichen und privaten Spitälern gleich lange Spiesse gibt.

zentral+: Welches Geschäft ging schief?

Graf: Richtig schief ging nichts, aber es gibt Dinge, die ich nicht erreicht habe. Dazu gehört, dass ich die Jugendolympiade nicht nach Luzern holen konnte, obschon wir das beste Dossier hatten.

zentral+: Wir haben Ihnen etwas mitgebracht. Was sagen Sie dazu? 

zentral+: Das Gesundheitswesen steht finanziell unter Druck. Nun will das Luzerner Kantonsspital (Luks) für 100 Millionen Franken das Spital Wolhusen neu bauen. Macht das überhaupt Sinn?

Graf: Der Neubau von Wolhusen gehört zur Grundversorgung. Im Einzugsgebiet leben 70’000 Leute. Aber gleichzeitig sage ich auch, dass die Spitäler Wolhusen, Sursee und Luzern nicht alle dasselbe anbieten sollen. Wir wollen Schwerpunkte setzen. In Wolhusen wird neu die planbare Orthopädie und Rehabilitation angesiedelt. So gibt es für jedes Spital eine Existenzberechtigung, auch wenn es bedeutet, dass sich die Patienten bewegen müssen.

zentral+: Können die Stimmbürger beim Neubau in Wolhusen überhaupt noch mitreden?

Graf: Nein, es ist Aufgabe des Luks, diesen Neubau als Unternehmen zu planen und zu finanzieren. Es wird keine Volksabstimmung geben. Wir zahlen aber einen Sockelbeitrag für gemeinwirtschaftliche Leistungen von jährlich etwa 3 Millionen Franken pro Jahr. Pro Person und Jahr rund 43 Franken.

zentral+: Der Zürcher Gesundheitsökonom Willy Oggier spottete einmal: «Jedem Täli sys Spitäli.»

Graf: Er hat nicht unrecht. Aber in unserem Kanton stimmt es nicht, weil wir an den verschiedenen Standorten Spezialisierungen konzentrieren und dadurch effizienter werden.

zentral+: Ein brisantes Thema sind die Prämienverbilligungen. Hier haben Sie die Hürden erhöht, sodass viele Mittelstandsfamilien mit Kindern keine Beiträge mehr erhalten. Passt das zur Familienpartei CVP?

Zur Person

Der CVP-Politiker Guido Graf wurde 2010 in die Regierung gewählt. Er leitet das Gesundheits- und Sozialdepartement. Vor seiner Wahl war der gelernte Bautechniker Inhaber einer Firma, die Dienstleistungen für Nonprofit-Organisationen anbietet.

Vor seiner Wahl war Guido Graf Kantonsrat, dort hatte er auch die Funktion als CVP-Fraktionschef inne. Graf lebt in Pfaffnau. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. In seiner Freizeit pflegt er die Geselligkeit oder geht fischen.

 

Graf: Das ist keine Sparvorlage, es geht nicht ums Sparen bei der Prämienverbilligung. Wir haben das System geändert: Weniger Leute bekommen mehr, wir stützen also intensiver die Leute, die es wirklich brauchen. 

zentral+: Es gibt aber auch mehr Einwohner im Kanton, also müsste auch der Etat für die Prämienverbilligung wachsen, was er aber nicht tut?

Graf: In der Kritik steht die Senkung der Schwelle für den Anspruch auf 50 Prozent der Kinder- und Jugendlichenprämien. Die neue Limite von 75’000 Nettoeinkommen entspricht immerhin einem Bruttojahresverdienst von rund 100’000 Franken.

zentral+: Sie sind auch Sozialdirektor und für die Sozialpolitik zuständig. Hier wurden Ende 2014 die Einsparungen bei Behinderten stark kritisiert. Die Behinderteninstitutionen erhalten zunächst 2,5 und dann 5 Prozent weniger. Warum dieser Entscheid? 

Graf: Grundlage für diesen Entscheid war eine Studie der BAK Basel Economics. Sie zeigte, dass erstens der Kanton Luzern mehr Geld für Behinderte ausgibt als vergleichbare Kantone, und zweitens dass bei uns mehr Behinderte in Institutionen leben. Da gibt es also einen Handlungsbedarf.

«Ich bin kein Machtpolitiker.»

Regierungsrat Guido Graf (CVP)

zentral+: Viele Leute verstehen nicht, dass der Kanton auf Kosten von Behinderten spart. Sind Sie als Sozialdirektor kein Fürsprecher für Behinderte? 

Graf: Ich bin mir bewusst, dass viele Leute mit diesen Einsparungen nicht einverstanden sind. Aber ich sehe als politisch Verantwortlicher gleichzeitig auch die überdurchschnittlichen Kosten. Wir müssen den Einsatz der Mittel im Auge behalten. Wenn wir das heute nicht tun, holt uns das morgen ein.

zentral+: Ende Januar wurde im Kantonsrat das neue Sozialhilfegesetz behandelt. Es ging in den Debatten vor allem um Missbrauch und Misstrauen. Die Grünen zogen den Schluss, es würden Arme bekämpft statt die Armut.

Graf: Es stimmt, dass der Missbrauch nur vereinzelt passiert. Ich sage es so: Wenn wir die heutige Sozialhilfe erhalten wollen, müssen wir in der Bevölkerung das Vertrauen erhalten, dass die richtigen Leute unterstützt werden. Aber wir stellen Sozialhilfebezüger nicht unter den Generalverdacht des Missbrauchs.

zentral+: Die Unterbringung von Asylbewerbern ist ein Dauerbrenner. Da fehlen immer noch Plätze. Wie sieht es heute aus? 

Graf: Das stimmt nicht, wir haben momentan unsere Plätze. Wir schickten 67 Gemeinden eine Verfügung, dass Sie Asylsuchende aufnehmen müssen, und wir werden drei Zentren in Zivilschutzanlagen eröffnen. Da sind wir gut unterwegs.

zentral+: Ihre Tätigkeit in diesem Bereich wird kontrovers wahrgenommen. Die SVP sagt, Sie hätten zwar ein Feeling für die asylkritische Stimmung im Volk, doch Sie seien nicht entsprechend hart und konsequent.

Graf: Was heisst hier hart und konsequent? Wir haben bereits die Schraube angezogen, zum Beispiel den Datenaustausch mit der Polizei und die früheren Schliessungszeiten in den Zentren eingeführt. Zudem habe ich angeordnet, die Beschäftigung zu intensivieren. Aber ich muss Ihnen auch sagen: Ich führe keine Gefängnisse. Und die grosse Mehrheit der Asylbewerber verhält sich anständig.

zentral+: Gerade andersrum argumentiert das kritische Asylnetz Luzern. Es wirft Ihnen Populismus vor. Sie würden angebliche Probleme mit Asylsuchenden thematisieren statt engagiert das Verständnis für die Asylsuchenden wecken.

Graf: Man kann nicht immer nur alles schönreden. Wenn wir Probleme haben, selbst wenn es nur Einzelfälle sind, dann muss man sie auch benennen. Ich versuche, so offen wie möglich zu kommunizieren. Wir bewirtschaften die Probleme nicht, wir lösen sie.

zentral+: Es fällt auf, dass Sie ein Statement oft mit dem Satz «Ich als Unternehmer… » beginnen. Funktioniert dieses Selbstverständnis im Politbetrieb?

Graf: In mir steckt schon noch der Unternehmer in dem Sinne, dass ich mich kurze Wege bei Entscheidungen gewohnt bin. Aber im Politbetrieb ist alles viel langsamer. Es gibt das Kollegium, die politischen Prozesse mit Kommissionen usw., das ist aufwändig und braucht viel Zeit und Geduld. Ich gebe zu, dass mich das manchmal nervös und ungeduldig macht. 

zentral+: Können Sie mir ein Beispiel nennen?

Graf: Nehmen wir als Beispiel die Asylbewerber. Wenn ich tausend Menschen in den Arbeitsmarkt integrieren möchte, könnte ich das als Unternehmer effizienter machen.

zentral+: Aus Ihrer Partei hören wir, Sie seien gut vernetzt und ein cleverer Machtpolitiker. Schmeichelt Ihnen das?

Graf: Wer sagt das? 

zentral+: Das sagen wir nicht.

Graf: Machtpolitik hat einen negativen Touch. Ich bin kein Machtpolitiker. Ich rufe lieber die verschiedenen Player an den Tisch und verhandle über Lösungen. Natürlich habe ich einen Führungsanspruch, aber ich reisse nicht alles an mich wie ein Machtpolitiker.

zentral+: Was steht bei Ihnen zuoberst auf der Agenda, wo möchten Sie Pflöcke einschlagen? 

Graf: Im Asylwesen wollen wir 400 Zentrumsplätze schaffen und die Integration in den Arbeitsmarkt vorantreiben. Im Gesundheitswesen will ich die Schnittstellen in der Versorgungskette besser koordinieren. Wichtig ist auch die Hausarztmedizin. Da werde ich mich vehement dafür einsetzen, dass wir in Luzern einen Masterstudiengang Hausarztmedizin schaffen können. Und vieles mehr, es gibt noch viel zu tun.

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