Queer-Verein belebt Zentralschweizer Szene

«In Luzern stört sich niemand an homosexuellen Paaren»

Kathy Bajaria setzt sich seit vier Jahren aktiv für Queer Office in Luzern ein. (Bild: jav)

«Queer Office» sei Dank: Seit dem Uferlos-Aus belebt der Luzerner Verein fleissig die Homo- und Trans-Szene der Zentralschweiz. Nach vier Jahren steht der Verein nun vor Veränderungen. Neue Gesichter werden künftig auch neue Events veranstalten. zentralplus hat mit Kathy Bajaria über die regionale Szene und die brennenden Themen gesprochen.

Kathy Bajaria kam vor 14 Jahren aus beruflichen Gründen nach Luzern. Die Firma, bei welcher die 38-jährige Engländerin angestellt war, verlegte ihren Sitz von Amsterdam hierher.

Seit vier Jahren engagiert sie sich nun bei «Queer Office», einem Verein für die LGBT-Kultur in Luzern – also für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender. Wir wollten von ihr wissen, wie sich die Szene in Luzern verändert hat und was sie zum schwulenfeindlichen Vorfall in einem Pub in Zürich meint, welcher vor Kurzem durch die Medien geschleift wurde.

zentralplus: Vor vier Jahren ist Queer Office entstanden. Wie hat sich seither die Situation in Luzern verändert?

Kathy Bajaria: Wir konnten uns mittlerweile ziemlich etablieren, gerade in Luzern, aber auch sonst in der Deutschschweiz. Beim letzten Fest kamen viele Leute aus Zürich, Basel, sogar aus Zermatt angereist. Wir merken, dass die Leute es sehr schätzen, dass hier etwas läuft, das nicht nur auf Kommerz setzt. Dass wir auch politische Fragen und soziale, kulturelle Themen aufgreifen. Wir sind eine Plattform und nicht bloss ein Partylokal oder ein politischer Verein. Wir sind auch nicht nur Veranstalter. Wir sind da, um engagierte Leute oder Menschen mit Ideen zu unterstützen und mit unseren Erfahrungen und unserem Netzwerk weiterzuhelfen.

zentralplus: Hier in Luzern ist trotzdem nicht besonders viel los für die Queer-Szene. Es gibt etwa kein eigenes Lokal mehr, so wie früher das «Uferlos» am Geissensteinring.

Bajaria: Das stimmt. In Luzern trifft man sich an Orten, die nicht ausdrücklich queer sind. Das «Queerbad» als Treffpunkt immer am Dienstag im Neubad zum Beispiel hat sich toll entwickelt. Wir haben immer Leute, es gibt treue Stammgäste, Freundschaften haben sich entwickelt. Es ist ein Ort auch für Leute, die im Alltag teilweise noch nicht geoutet sind und immer am Dienstag hier sich selber sein können. Aber wir merken schon: Das Bedürfnis nach mehr ist da. Bis jetzt hatten wir – abgesehen vom Queerbad – zwei bis drei grosse Anlässe im Jahr. Das sind das Sommer- und Winterfest und das Pink Panorama Filmfestival (siehe weiterführende Links), welches im November ansteht, mit welchem wir zusammenarbeiten. Wir wollen aber in Zukunft auch öfters mal kleine Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte oder Filmvorführungen übers Jahr verteilt veranstalten.

«Vielleicht ist es in Luzern teilweise etwas bünzlig, aber das Echo ist dementsprechend grösser.»

zentralplus: Sehen Sie Ihr Zielpublikum nur in der Queerszene oder wollt ihr Veranstaltungen auch grösser aufziehen – für alle Interessierten?

Bajaria: Uns ist beides wichtig. Wir haben mit dem Neubad einen tollen, unkomplizierten Partner, wo grössere Events möglich sind, wie die Lesung letztes Jahr über lesbische Frauen über 70 (zentralplus berichtete). Aber wir haben zum Beispiel auch mal ganz im gemütlichen Rahmen in der Loge veranstaltet. Wir finden es toll, wenn Anlässe auch nicht queere Menschen ansprechen und für diese interessant sind. Wir wollen uns ja nicht abschotten. Und es gibt ja auch immer Platz für intimere, kleinere Runden wie beim Queerbad, wo man «unter sich» ist.

zentralplus: Sie sind in einer grösseren Stadt in England aufgewachsen, haben in Amsterdam gelebt. War Ihnen als lesbische Frau Luzern da nicht viel zu bünzlig?

Bajaria: (Lacht.) Ich hatte genau diese Vorurteile, als ich hergezogen bin. Mit meiner Freundin habe ich deshalb am Anfang auch nicht in der Öffentlichkeit Händchen gehalten. Wir haben dann aber schnell bemerkt, dass wir nicht das einzige homosexuelle Paar hier sind und dass sich in der Stadt niemand darum schert. Das war vor 14 Jahren.

zentralplus: Viele Homo-, Bi- und Transsexuelle zieht es trotzdem in grössere Städte. Verständlich?

Bajaria: Klar ist in Berlin zum Beispiel extrem viel los in der Community. Täglich gibt es Angebote von politischen Gruppen über eigene Clubs und Partys. Was in Luzern aber richtig spannend ist, das ist die Wirkung, die man hier noch haben kann. Berlin hat jedes Wochenende zehn Veranstaltungen und alle Leute scheinen offen und überzeugt zu sein. Es gibt kaum Tabus mehr. Vielleicht ist es in Luzern teilweise etwas bünzlig, aber das Echo auf Lesungen, Partys oder politische Diskussionen ist dementsprechend grösser. Und die Szene ist viel persönlicher.

«Früher hat man noch mehr gekämpft und politisch Stellung bezogen.»

zentralplus: Was sind derzeit die Themen, welche bei Ihnen politisch brennen?

Bajaria: Es sind die zwei grossen Themen: Die Homoehe und die Adoption. Daneben existieren aber auch eine Reihe weiterer wichtiger politischer Themen – beispielsweise die Rechte von Transmenschen. Dort gibt es viel zu tun, doch die finanzielle Unterstützung und die Lobby fehlen hier oft, da es eine kleine Community ist.

zentralplus: Was sagen Sie zum grossen Aufreger kürzlich, als ein schwules Paar in Zürich aus einem Pub geworfen wurde, weil es sich küsste?

Bajaria: Ich finde es traurig, das so etwas noch vorkommt, gerade in einer Stadt, die man so weltoffen wahrnimmt. Toll hingegen waren die Reaktionen. Die «Kiss in»-Demo in Zürich wurde von sehr jungen Leuten organisiert. Dieses Engagement und das grosse Echo – in welchem die Medien klar Stellung bezogen haben – sind eine schöne Entwicklung. Es ist ein klares Zeichen gerade für junge Leute. Ich hatte leider in den letzten Jahren öfters das Gefühl, dass es den Leuten in der Queer-Community vor allem um Party und Spass ging. Früher hat man noch mehr gekämpft und politisch Stellung bezogen.

zentralplus: Die Queer-Jugend ist also politfaul?

Bajaria: Natürlich gibt es noch beides: Es gibt die Partyszene und es gibt nach wie vor politisch engagierte Leute. Und das Engagement kommt immer wieder in Wellen, die durch die Presse gehen und in der Bevölkerung etwas auslösen. Etwa als in Irland die Homoehe erlaubt wurde. Dann werden die wichtigen Fragen wieder öffentlich gemacht. Dann merkt man wieder, welche Rechte Homosexuellen in der Schweiz noch nicht zugestanden werden, oder wie Homo- und Transsexuelle in ländlichen Gebieten, in religiösem Umfeld, oder in vielen Ländern noch weit entfernt sind von einem selbstverständlichen Leben mit ihrer wahren Sexualität. Aber ich glaube, dass viele Junge das Gefühl haben, die Kämpfe seien ausgefochten. Sie sagen: Wir können hier in den Städten unsere Sexualität offen leben. Wir haben doch alles, was wir wollen.

«Aus meiner Sicht ist es nicht vertretbar, dass einige Paare heiraten und adoptieren dürfen, andere hingegen nicht.»

zentralplus: Vergleichbar mit der Situation der Feministinnen? Obwohl Frauen beispielsweise nicht dieselben Löhne verdienen und obwohl in vielen Ländern noch Unterdrückung herrscht, lehnt der Grossteil der Menschen sich zurück?

Bajaria: Genau das. Es gibt noch viele Themen, die brennen. Aus meiner Sicht ist es beispielsweise nicht vertretbar, dass einige Paare heiraten und adoptieren dürfen, andere hingegen nicht. Aber der Kampf ist nicht dann vorbei, wenn homosexuelle Paare heiraten dürfen. Es gibt zahlreiche politische und gesellschaftliche Baustellen, die uns noch eine Weile beschäftigen werden. Gerade Menschen, die einen prekären Alltag erleben, wie zum Beispiel LGBT-Flüchtlinge. Das wird das Thema unseres Winterfests am 4. Februar im Neubad, wo wir mit Queer Amnesty zusammenarbeiten.

zentralplus: Und dafür sind Sie bei Queer Office da?

Bajaria: Nicht nur dafür. Wir wollen beides: Wir wollen politische Veranstaltungen, aber auch mal einfach nur eine Party organisieren. Wir wollen Konzerte veranstalten, Treffpunkte oder Filmvorstellungen. Alles soll Platz haben.

Kathy Bajaria im Neubad. (Bild: jav)

Kathy Bajaria im Neubad. (Bild: jav)

zentralplus: Besteht der Queer-Office-Vorstand noch immer aus denselben Leuten wie am Anfang?

Bajaria: Es ist gerade eine Zeit des Umbruchs. Wir waren zu Beginn vier Frauen und es war ziemlich viel Arbeit für uns alle. Es ist zwar ein Leidenschaftsprojekt von uns allen, aber trotzdem kommt es vom Aufwand oft an eine 20- oder gerade vor dem Fest fast 50-Prozent-Stelle heran. Deshalb haben wir weitere Leute gesucht und uns auf acht Vorstandsmitglieder vergrössert. Denn Ende Jahr werden uns gleich drei Leute verlassen, welche keine Kapazität mehr dafür haben. Yasemin Salman und Aurelia Meier sind nach Bern gezogen und Corinne Imbach hat jetzt mit dem Luzerner Fest alle Hände voll zu tun. Dann sind wir zwei Frauen und drei Männer im Vorstand.

zentralplus: Noch zum Thema Film. Man hat den Eindruck, dass in den letzten Monaten mehr Filme mit der Thematik Homo- oder Transsexualität ins Kino und Fernsehen kommen. Ist das so?

Bajaria: Das habe ich auch so wahrgenommen. Es scheint ein Trend gewesen zu sein. Trotzdem sind die Geschichten und die Figuren meist noch sehr klischeebehaftet. Meist werden diese Rollen auch von nicht homo-oder transsexuellen Schauspielern gespielt und damit oft klischiert. Aber das Tolle sind die neuen Vorbilder. Als ich klein war, gab es kaum welche. Heute ist die Szene nicht mehr in den eigenen Clubs und im Netz versteckt. Es gibt viel mehr öffentliche Vorbilder. Wichtig ist jetzt aber, dass das Spektrum breiter wird – dass nicht nur Stereotypen vom schwulen Mann oder der lesbischen Frau gezeigt werden, sondern die Vielfältigkeit. Der Mensch muss keinem Klischee entsprechen.

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