Unschöner Druckfehler

In Kriens lässt man einen «Seich» ab

Kriens jubelt seinen Bürgerinnen und Bürgern politische Werbung unter – ohne Hinweis. (Bild: briefkastenkleber.ch)

In der Zeitschrift der zweitgrössten Luzerner Agglo-Gemeinde fällt trügerische Politwerbung auf. Lieb und nett befragt etwa SVP-Nationalrätin Yvette Estermann ihren Parteikollegen Patrick Koch zu seinen Gemeinderat-Ambitionen. Ohne Hinweis, und mitten im Wahlkampf. Da lief etwas schief, geben die Verantwortlichen zu.

Beim Durchblättern der neuen Ausgabe von «Kriens info» reibt sich so mancher verwundert die Augen. Da kann etwas nicht stimmen. Im offiziellen Mitteilungsblatt der Gemeinde wird ohne Vorwarnung Werbung für die Krienser Gemeinderatswahlen gemacht. Was ist da passiert? Frei nach dem Motto: Der Platz ist bezahlt und drum kann man da schreiben, was man will?

Das «Kriens info» dient als Mitteilungsorgan der Behörde und wird monatlich in alle Briefkästen der Gemeinde verteilt. Wie gewohnt werden in dieser August-Ausgabe harmlos ein paar Krienser Aktualitäten aufgegriffen, von den Schulraumbauarbeiten über die Departementsreform hin zur News aus dem Einwohnerrat. Aber ab Seite 19 wird’s schräg.

Patrick Koch, Matthias Senn, und Cyrill Wiget haben alle gut lachen.

Patrick Koch, Matthias Senn, und Cyrill Wiget haben alle gut lachen.

(Bild: bra)

Wie «schön» die Gemeinde ist

Ab da kommt politische Werbung ins Spiel. Ziemlich unterschwellig. Inserate im Wahlkampf alleine wären an sich nicht der Rede wert, kämen sie nicht ohne sichtbaren Hinweis. Die Blätter unterscheiden sich lediglich mit einem leichten Gelbton von den anderen. Auf einmal befragt etwa SVP-Nationalrätin Yvette Estermann in seriös journalistischer Manier ihren Parteikollegen und Gemeinderatskandidaten Patrick Koch.

«Patrick Koch, du bist ein waschechter Ur-Krienser. Das konnte man immer wieder im Hinblick auf deine Vorstösse im Einwohnerrat spüren…» Ein gefälliges Interview, das in den nettesten Tönen weitergeht. «Das ist richtig,» darf Koch sagen. «Ich bin in Roggern aufgewachsen…». Wie schön die Gemeinde ist, dass er oft Velo fährt, trotzdem kein Grüner ist, et cetera, et cetera. 

Senn und Wiget im gleichen Stil 

Es folgen weitere Publikationssünden. Rechts oben stutzt man erneut. FDP-Gemeinderat Matthias Senn wird als Gemeindepräsident angepriesen, mit Ausrufezeichen, aber ohne Werbehinweis. Unterhalb davon wird der Grüne Gemeinderat Cyrill Wiget für seine Präsidiums-Avancen befragt, ungefähr im gleichen Stil wie Koch oder Senn vorher. Parteikollege Bruno Bienz stellte die Fragen. Er ist «ICT Application Operation Manager» und eben: Fraktionschef der Grünen und Jungen Grünen. «Im Präsidium kämen meine menschlichen Fähigkeiten mehr zum Tragen», darf Wiget hier verlautbaren. Und ähnlich Schönes.

«Uns ist ein Fehler passiert. Das ist ärgerlich.»

Alfred Gut, Bunner Druck und Medien AG

Nach weiterem Umblättern taucht noch FDP-Kandidat Simon Konrad auf – «ein engagierter Krienser» steht unter seinem Lächeln. Aus Liebe zu Kriens, und so weiter und so fort. Autoren unbekannt. «Du bist in unserer Gemeinde aufgewachsen und stark vernetzt. Weshalb sind Vereine für dich wichtig?» Kurzum und zusammengefasst: Die seriös wirkenden Gefälligkeitsinterviews sind nicht ganz koscher. Es fehlt ganz eindeutig die Deklaration. 

Fehler in der Produktion

Beim Herausgeber hat man das Ganze noch nicht bemerkt. «Uns ist ein Fehler passiert. Das ist ärgerlich», entschuldigt sich Alfred Gut von Brunner Druck und Medien AG. Er ist für die Seiten verantwortlich und zuständig für die Platzierung der Inserate. Das «Kriens info» soll die Bevölkerung in erster Linie über «Wichtiges und Wissenswertes aus der Gemeinde, über Parteien, Vereine und Institutionen, aus Wirtschaft, Handel und Gewerbe» informieren. So wie es zum Sinn und Zweck auf der Webseite steht. 

«Wir kontrollieren die Seiten vor dem Druck mindestens drei- bis viermal.»

Alfred Gut, Bunner Druck und Medien AG

«Normalerweise deklarieren wir gewerbliche oder politische Werbung immer als ‹Publireportage›», sagt Gut. Inserate müssten als solche deklariert werden. «Es ist uns noch gar nicht aufgefallen und nicht angenehm, so etwas auf diesem Weg zu erfahren.» Der Fehler müsse im Produktionsablauf passiert sein. «Wir kontrollieren die Seiten vor dem Druck mindestens drei- bis viermal.»

In der nächsten Ausgabe von «Kriens info» werde man ein Korrigendum schreiben müssen, sagt Gut. «Es ist wichtig, dass die Leserschaft weiss, dass wir ‹einen Seich› abgelassen haben. Freuen kann sich die Brunner Druck und Medien AG aber trotzdem ein wenig: Zusammengerechnet kann das Unternehmen mit den Inseraten auf den «ominösen gelben Seiten» ein paar tausend Franken einnehmen. 

Frei nach Preisliste zahlt Koch 1’950 Franken, Matthias Senn und Cyrill Wiget je knapp die Hälfte, also 1’000 Franken. Der dritte Anwärter für die Gemeinderatswahlen übrigens, CVP-Präsident Franco Faé, hat auf ein «Ich frage-mich-selber-Interview» verzichtet. Sein Gesicht strahlt dennoch gleich doppelseitig aus der Mitte des Heftes. Das dürfte ebenfalls so um die 1’000 Franken gekostet haben. Die zwei Inserate sind aber klar als solche erkenntlich. 

Wir sind gespannt auf die nächste Ausgabe des «Kriens info». Sie auch? Als Community-Mitglied können Sie uns mit der Kommentar-Funktion ihre Meinung mitteilen.

Korrigenda vom 6. August 2015: Die Gemeinde Kriens verlangt eine nachträgliche Änderung von einzelnen Textstellen. Die Gemeinde sei nur für die ersten Seiten der Zeitschrift «Kriens info» inhaltlich verantwortlich. Zuständig für die Inserate im nachfolgenden Teil sei die Brunner Druck und Medien AG. Drei Sätze wurden dementsprechend nach der Publikation des Textes geändert.
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Tomas Kobi
    Tomas Kobi, 05.08.2015, 15:29 Uhr

    Es ist interessant zu lesen, dass die Grünen im gleichen Stil ihren Kandidaten Cyrill Wiget vorstellen wie die SVP und die FDP. Es darf die Frage gestellt werden, wer kopiert da wen? In der Ausgabe von Kriens-info vom Juli 2015 ist auf Seite 33 ein Interview mit dem Titel: «Sechs Fragen an Cyrill Wiget zu seiner Kandidatur als Gemeindepräsident» abgedruckt. Auch politische Werbung! Doch im Juli hat dies wahrscheinlich niemand interessiert.

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