Budgetloser Dauerzustand in Luzern

In den kantonalen Amtsstuben ist Weiterwursteln angesagt

Das Telefon funktioniert noch, der Trakt ist seit 2011 gesperrt: Bei einem Erdbeben hätte das Gewicht der Bücher das Magazin zum Kippen bringen können.

(Bild: lru)

Luzern hat Erfahrung mit budgetlosen Zeiten – soweit zum Positiven. Dass dieser Zustand jetzt bis Mitte September anhält, sorgt für Frust und Verunsicherung bei Angestellten und kantonalen Betrieben. Bauprojekte wie die dringende Sanierung der Zentral- und Hochschulbibliothek sind weiter blockiert.

Die Luzerner Budgetkapriolen dauern an. Erst in der Septembersession wird der Kantonsrat über ein neues, gültiges Budget beraten (zentralplus berichtete). Bis dahin darf der Kanton Luzern weiterhin nur zwingende Leistungen erbringen – Ausgaben also, «die für die ordentliche und wirtschaftliche Staatstätigkeit unerlässlich sind». Dazu gehören Löhne, Ausgaben für vakante Stellen oder für laufende Verträge.

Während sich Parteien gegenseitig die Schuld zuschieben und die Verantwortung von sich weisen, während sich Finanzdirektor Marcel Schwerzmann in seinem Sparauftrag bestätigt sieht und neue Sparrunden ankündigt, machen die kantonalen Angestellten ihren Job, so gut es geht. In den kantonalen Verwaltungen und Betrieben ist Erfindergeist und Kreativität gefragt.

Etliche Bauprojekte sind blockiert

Lang ist die Liste der Aufgaben, die der Kanton bis auf Weiteres nicht erledigen kann: Er darf keine neuen Bauprojekte starten und es herrscht ein Investitionsstopp. Betroffen sind «eine ganze Menge grössere und kleinere Projekte», wie Kantonsbaumeister Hans-Urs Baumann auf Anfrage schreibt.

Betroffen sind Projekte wie die neue kantonale Verwaltung am Seetalplatz (mindestens 1 Jahr Verzögerung), die Erweiterung des Polizeigebäudes Sprengi, das Asylzentrum Grosshof Kriens oder die bereits beschlossenen Sanierungen der Zentral- und Hochschulbibliothek (ZHB), des Natur-Museums oder der Strafanstalt Wauwilermoos. Aber auch beim Strassenbau oder beim Hochwasserschutz werden sich Bauprojekte aufschieben.

Investitionsbudget wird nicht ausgeschöpft

Wie problematisch ist das? «Die Dringlichkeit einiger Bauprojekte erhöht sich», erklärt Baumann. Da man Kredite für begonnene Projekte nicht auf das nächste Jahr übertragen dürfe, «verfügen wir im nächsten Jahr über zu wenig finanzielle Mittel». Mit Folgen: Dieses Jahr werde der Kanton das Investitionsbudget nicht ausschöpfen, so Baumann. «Was dazu führt, dass wir künftig einige Bauprojekte nicht oder nur stark verzögert umsetzen können.»

Die Mehrkosten, die sich durch alle Planänderungen ergeben – etwa durch Zumietungen für das Provisorium der ZHB –, kann der Kanton noch nicht beziffern. «Aber natürlich hat die ganze Thematik einen organisatorischen Mehraufwand zur Folge», so Baumann.

«Zahlreiche Ausgaben fallen aber nicht mehr an. So zum Beispiel die Löhne der nicht neu eingestellten Mitarbeitenden.»

Marcel Schwerzmann, Luzerner Finanzdirektor

Kann die Verwaltung denn ihre Aufgaben noch pflichtgemäss wahrnehmen? «Ja, aber nicht über die Pflichtleistungen hinaus», sagt Finanzdirektor Marcel Schwerzmann. Die Verzögerungen in diversen Projekten – hauptsächlich in den Bereichen Hochbau, Tiefbau, Wasserbau und Informatik – seien kaum mehr aufzuholen und müssten 2018 nachgeholt werden.

Einige Beschaffungen hingegen würden in das letzte Quartal verschoben – wenn es hoffentlich doch noch ein gültiges Budget gibt. «Zahlreiche Ausgaben fallen aber nicht mehr an. So zum Beispiel die Löhne der nicht neu eingestellten Mitarbeitenden», so Schwerzmann.

Stilleben auf der Seetalplatz-Baustelle.

Auch beim Seetalplatz gibt es für den Kanton Luzern noch einige Baustellen.

(Bild: jwy)

ZHB: Seit 30 Jahren überfällig

Ein prominentes Opfer ist die Zentral- und Hochschulbibliothek, sie ist bereits seit Längerem in einer ungemütlichen Lage. Die Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes beim Vögeligärtli ist seit mehr als drei Jahrzehnten (!) überfällig und hätte im Februar 2017 nach etlichen Verzögerungen endlich starten sollen. Der 20-Millionen-Kredit war bereit und sämtliche Vorbereitungen seitens der Bibliothek waren getroffen (zentralplus berichtete). Man sass und sitzt förmlich zwischen gepackten Koffern und Umzugskartons.

«Wir gehen davon aus, dass dieses Jahr nichts mehr passiert.»

Ina Brueckel, Sprecherin ZHB

Nun ist die Steuer-Abstimmung vorbei und es geht weiter mit der Unsicherheit – der Frust bei den Verantwortlichen sitzt tief: «Der Umbau ist weiterhin sistiert, wir gehen davon aus, dass dieses Jahr nichts mehr passiert», sagt Ina Brueckel, Kommunikationsverantwortliche der ZHB.

Vor der Abstimmung war man verhalten optimistisch, dass es mit dem Umbau im Juli losgehen könnte. Man hatte alles so geplant, dass man nach einem Ja zur Steuererhöhung innert vier Wochen aus dem Gebäude ausgezogen wäre, für den 1. Juli war ein Abschlussfest für die Öffentlichkeit geplant, das bereits einmal verschoben werden musste (zentralplus berichtete).

Arbeitsplätze im Keller – hier werden Bücher gebunden.

Arbeitsplätze im Keller der ZHB – hier werden Bücher gebunden.

(Bild: lru)

Irgendwie geht es weiter

Nun also die erneute Absage in der Verlängerung, nachdem man die letzten sechs Monate mit Planung verbracht hatte. Brückel hat dafür nur noch ein müdes Lächeln übrig. «Viele externe Partner, denen die ZHB eine Herzensangelegenheit ist, hätten auch die Verschiebung mitgemacht. Jetzt müssen wir wieder absagen, das ist frustrierend.»

Die ZHB legt seit Monaten viel Improvisationstalent an den Tag – irgendwie geht es weiter. Aber die Lage bleibt unverändert ungemütlich: Unzählige Bestellungen können nicht verarbeitet werden, für den Bereich Kantonsbibliothek herrscht ein strenger Medien-Bestellstopp. Ausgenommen sind lediglich bestehende Abonnemente, Luzerner Publikationen sowie Anschaffungen für die ZHB-Standorte an der Uni, der Pädagogischen Hochschule und die HSLU-Departemente Wirtschaft und Informatik. «Bis Ende Jahr wird es eine bedenkliche Lücke im Bestand geben», so Brueckel.

Dazu kommt jetzt die Bedrohung durch neue Sparmassnahmen nach dem Nein vom Sonntag zu höheren Steuern. «Es ist ein beklemmender Zustand, wir wissen nicht, was die neue Kürzungsrunde für uns bedeutet», sagt Brueckel.

Keine neuen Stellen und Büromöbel

Auch bei den Beamten gibt es kein Aufatmen, ihr Arbeitsalltag wird sich bis September kaum entspannen: Neues Büromaterial, Möbel oder Mietverträge sind nur beschränkt möglich – wenn sie «für die Staatsführung notwendig sind». Neue Stellen werden keine geschaffen, nur Vakanzen dürfen wiederbesetzt werden. Zudem werden Weiterbildungen nicht bezahlt.

«Es herrscht eine riesige Rechtsunsicherheit durch alle Abteilungen hindurch.»

Raphael Kottmann, Präsident Staatspersonalverband

Wie geht das Personal mit der Situation um, in der alle mehr arbeiten müssen, aber kaum Geld für neue Bürostühle vorhanden ist? «Es ist nicht die Frage, ob es weitergeht, sondern wie», sagt Raphael Kottmann, Präsident des Luzerner Staatspersonalverband (LSPV) und CVP-Kantonsrat. «Die Angestellten arbeiten jetzt schon äusserst kostenbewusst und kämpfen täglich mit der jetzigen Situation, sie laufen auf dem Zahnfleisch.»

Die Qualität leidet

Trotz Einstellungsstopp und vielen Einschränkungen: ein Blackout in der Verwaltung muss man laut Kottmann nicht befürchten – aber: «Der Status quo hat effektiv einen negativen Einfluss auf die Qualität und die Effizienz der Dienstleistungen», sagt er. «Diese Einbussen sind sicher nicht im Sinn der Bevölkerung und volkswirtschaftlich ist das Nonsense.»

Kottmann befürchtet, dass der Kanton viele Leistungsvereinbarungen und Bauvorhaben nicht einhalten kann – und dass man die Qualitätsansprüche an die Verwaltung nicht mehr halten könne. «Es herrscht eine riesige Rechtsunsicherheit durch alle Abteilungen hindurch», sagt er. Dadurch entstehe viel Zusatzaufwand und man suche dauernd nach Lösungen, wie man eine Ausnahmeregelung finden könne. «Das müsste nicht sein, für einen funktionierenden Service public ist das doch ‹Chabis›.»

Bleibt der Kanton unter diesen Umständen ein attraktiver Arbeitgeber? «Man nimmt viele Kollateralschäden in Kauf, es geht ans Lebendige», sagt er. Zwar hat auch Kottmann noch keine plausible Budget-Lösung. «Aber anstatt die Leistungen abzuwürgen, müsste man der Bevölkerung klar aufzeigen, welche Leistungen es zu welchem Preis gibt – oder welche eben nicht mehr.»

Uni und Hochschule haben ihr Budget

Bei der Universität Luzern hat der budgetlose Zustand keinen unmittelbaren Einfluss auf Betrieb oder Budget. Aber indirekt spürt auch die Uni den gestoppten Geldfluss, wie Kommunikationsbeauftragter Lukas Portmann bestätigt: «Wir sind als Mieter in einem kantonalen Gebäude, darum sind nicht zwingende bauliche Anpassungen bis auf Weiteres sistiert.» Die Hochschule Luzern hat für 2017 ein verbindlich verabschiedetes Budget.

Die Luzerner Museen schliesslich, allen voran das sanierungsbedürftige Natur-Museum, leiden ebenfalls unter dem fehlenden Budget. Eine Prognose, wie es weitergeht, will man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht wagen – entsprechende Sitzungen finden in diesen Tagen statt.

Was man aber bei allen angefragten Stellen merkt: Die Verunsicherung ist gross, niemand weiss, wie es weitergeht und wie man mit dem Scherbenhaufen umgehen will.

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