Wer wohnt denn hier: An der Hofstrasse in Zug

Im Zurlaubenhof, wo jedes Zimmer einen Übernamen hat

(Bild: mbe)

Wohl jeder in Zug kennt den Zurlaubenhof, das grosse Haus mit dem markanten Turm an der Hofstrasse. War da nicht mal ein Projekt für Neubauten, was ist daraus geworden? Die Besitzerfamilie Bossard öffnete für zentralplus einen Spalt weit die Türen ihres Anwesens.

Durch das schöne schmiedeiserne Tor an der Hofstrasse schreitet der Autor an einem Herbsttag zum Haupthaus des Zurlaubenhofs. Links und rechts säumen sauber geschnittene Heckenpflanzen und Rosen den Kiesweg. Man kommt sich vor wie in einem Schlosspark und empfindet eine gewisse Scheu, zum Haupthaus zu laufen. Zu beeindrucken war wohl auch die Absicht der Erbauer. Das imposante Gebäude wurde 1557 erbaut.

Die Perle Zurlaubenhof soll Zug erhalten bleiben.

Die Perle Zurlaubenhof soll Zug erhalten bleiben.

Beim Eingang im Hof des Zurlaubenhofs erwartet mich Martin Bossard. Er ist mit dem Velo aus Hünenberg gekommen. Der 45-jährige IT-Projektleiter wohnt nicht im Zurlaubenhof, er empfängt uns aber im Namen der Besitzerfamilie. Und er ist hier aufgewachsen. «Wir sind ein wenig medienscheu», sagt er fast entschuldigend. Eine «Homestory» wolle man lieber nicht.

Steinernes Doppelwappen

Martin Bossard erzählt dennoch viel über sein Elternhaus und nimmt den Autor auf einen Rundgang mit. Wir starten bei der Hauptfassade des Hauptgebäudes. Über einem Türbogen prangt ein steinernes Doppelwappen: dasjenige der Familie Zurlauben und der Familie Zürcher aus Menzingen. Konrad Zurlauben, ein bedeutender Söldner-General in den Diensten der französischen Bourbonen-Könige, und seine Frau verbanden sich damals.

Martin Bossard vor dem Nebeneingang des Zurlaubenhofs.

Martin Bossard vor dem Nebeneingang des Zurlaubenhofs.

Nach der französischen Revolution war die Zeit des Söldnerwesens in der Schweiz abgelaufen. Fidel Zurlauben wurde sogar vom Hof vertrieben. «Der letzte Zurlauben, Beat Fidel, ein Historiker, lebte noch einmal hier. Weil er keine Kinder hatte, starb die Familie 1799 aus», weiss Martin Bossard.

«Man hat schon eine starke Beziehung zum Haus.»

Martin Bossard, Mitglied der Besitzerfamilie

Seit 1843 ist der Zurlaubenhof ununterbrochen im Besitz der Stadtzuger Familie Bossard.  Matthias Damian Bossard habe sein Urahn geheissen, der das Anwesen kaufte. Bossard vergewissert sich auf einem Stammbaum, der an einer Wand im Inneren des Hauses hängt, dass der Name stimmt. Tradition wird hier gross geschrieben. Ist er stolz auf seinen Familiensitz, fragen wir. Bossard lacht. «Man hat schon eine starke Beziehung zum Haus. Aber stolz…das wäre übertrieben.»

Das braune Zimmer wird jeweils am 1. August gezeigt.

Das braune Zimmer wird jeweils am 1. August gezeigt.

Jedes Zimmer hat einen Übernamen

Bossard nimmt uns auf einen kleinen Rundgang mit. Jedes Zimmer hat familienintern einen Übernamen. Zum Beispiel das eindrückliche «Braune Zimmer» mit dem Baujahr 1616 aus der Barockzeit (siehe Fotogalerie).

Wir dürfen auch einen Blick in die St. Konrad geweihte Kapelle werfen. Sie bietet nur Platz für zirka zehn Personen. Genutzt wird sie nicht. «Läuten der Glocke verboten», steht auf einem Schild, das uns ins Auge sticht. Was hat es damit auf sich? «Die Glocke ist mit dem Uhrwerk verbunden, das jede halbe Stunde automatisch die Glocke schlägen lässt. Diesen Mechanismus sollte man nicht durcheinander bringen», erklärt Bossard.

Das kleine Schnaps-Türmchen im Garten mit Springbrunnen.

Das kleine Schnaps-Türmchen im Garten mit Springbrunnen.

Der auffallende Turm am Hauptgebäude ist ein Treppenhausturm. Er ist einmal in der Geschichte des Hauses entfernt worden und in den 1970er-Jahren, als das Anwesen das letzte Mal umfassend renoviert wurde, nach historischen Stichen wieder rekonstruiert worden.

«Wir nennen es das Schnapstürmli.»

Martin Bossard

Wir laufen über eine schöne Loggia und dürfen auch einen Blick ins sogenannte blaue Zimmer werfen. Der Saal ist mit schönen Bildern dekoriert, die adlige Damen und elegante Herren in höfischen Gärten zeigen. «Es sind keine Gobelins», stellt Martin Bossard klar, «sondern Kopien von Gemälden, die auf Jute gemalt wurden.» Soviel Geld hatten die früheren Besitzer dann doch nicht, um sich teure Wandteppiche zu leisten. Hier im blauen Zimmer feiern die Bossards ab und zu mal ein Familienfest.

Detail in der kleinen St. Konrad geweihten Kapelle.

Detail in der kleinen St. Konrad geweihten Kapelle.

(Bild: mbe)

Riesige Blutbuchen

Pittoresk ist auch das kleine Türmchen neben dem Haupthaus im Garten mit dem Springbrunnen. «Wir nennen es das Schnapstürmli», sagt Bossard und lacht. Ein kleines Fach habe vielleicht einmal zur Aufbewahrung von Spirituosen gedient.

Martin Bossard und seine Geschwister Regula, Cornelia, Elisabeth und Konrad sind auf diesem geschichtsträchtigen Anwesen mit viel Umschwung, den riesigen Blutbuchen, den Obstbäumen und dem Bauernhof aufgewachsen. «Für uns war es eine riesige Freizeitanlage und ein geniales Spielareal», erinnert er sich.

Im blauen Zimmer feiert die Familie Bossard manchmal Familienfeste.

Im blauen Zimmer feiert die Familie Bossard manchmal Familienfeste.

Geschichte und Antiquitäten kümmern Kinder naturgemäss nicht gross. «Manchmal sind wir zurecht gewiesen worden», erinnert sich Bossard schmunzelnd, «zum Beispiel, als wir eine 300-jährige hölzernde Haustüre als Dart-Scheibe benutzten.» Da habe sein Vater, Damian Bossard, feste geschimpft.

«Die Räume sind recht einfach gehalten.»

Martin Bossard

Die Privaträume im Haupthaus möchte die Familie privat halten. «Die Räume sind recht einfach gehalten. Für heutige Wohnverhältnisse sind sie ziemlich klein, manche Zimmer sind im Biedermeier-Stil eingerichtet.» Cornelia Tännler-Bossard lebt mit ihrem Mann in einem anderen Gebäude auf dem Anwesen. Einige historische Räume des Zurlaubenhofs kann die Öffentlichkeit jeweils am 1. August am Tag der offenen Türe besichtigen.

Die Lilie der französischen Bourbonen-Könige. Familie Zurlauben durfte sie im Wappen tragen.

Die Lilie der französischen Bourbonen-Könige. Familie Zurlauben durfte sie im Wappen tragen.

Bauten sind zuletzt 1970 renoviert worden

Das Anwesen mit seinem 32’000 Quadratmetern grossen Areal gehört seit einigen Jahren Martin Bossard und seinen drei Schwestern, es ist an die nächste Generation übergegangen. Die Zukunft des Zurlaubenhofs sei schon länger ein Thema in der Familie. «Der Unterhalt solcher Gebäude ist aufwändig«, erklärt unser Gesprächpartner.

Die Bauten wurden 1970 das letzte Mal umfassend renoviert. Der landwirtschaftliche Betrieb ist 2016 eingestellt worden und bringt keine Einnahmen mehr. In der grossen früheren Scheune befinden sich nun sechs Mietwohnungen. «Die Einnahmen aus der Miete reichen, um den Unterhalt zu bezahlen».

Der Bebauungsplan sieht in diesem Teil des Areals Neubauten mit Wohnungen.

Der Bebauungsplan sieht in diesem Teil des Areals Neubauten mit Wohnungen.

Deshalb will die Familie Bossard Mietwohnungen auf nicht mehr landwirtschaftlichen Nutzflächen erstellen. Zusammen mit der Stadt hat sie einen Architekturwettbewerb durchgeführt, aus dem das Siegerprojekt namens Lilie hervorging.

Neun Häuser mit 46 Wohnungen geplant

Es sieht insgesamt neun Häuser mit 46 Wohnungen vor. Vier Häuser sollen an der Stelle der heutigen Garagen aus den 70er-Jahren gebaut werden, weitere an den unbebauten Ecken des Areals auf nicht mehr genutztem Landwirtschaftsland auf der Seite der früheren Landis & Gyr-Fabrik. Zwei lägen nahe des Bauernhofs und drei weitere nahe der Fabrik.

In der Scheune befinden sich heute Mietwohnungen. Einer der Mieter betreibt eine Schnapsbrennerei.

In der Scheune befinden sich heute Mietwohnungen. Einer der Mieter betreibt eine Schnapsbrennerei.

Ein Bebauungsplan, der in enger Zusammenarbeit mit Stadt und Kanton entwickelt wurde, sei jetzt beim Kanton zur Vorprüfung. Die Volumen der Neubauten sei inzwischen reduziert worden, erklärt der Vertreter der Besitzer. «Wir liegen deutlich unter der gesetzlich möglichen Ausnützung von 0,4 Prozent», betont Martin Bossard.

«Was dann effektiv realisiert wird, ist heute noch offen.»

Martin Bossard

Bossard betont, dass damit die rechtlichen Bedingungen geklärt würden, was gebaut werden könnte. «Was dann effektiv realisiert wird, ist heute noch offen.» Dazu müsse man auch die nächste Generation, den Neffen und die Nichte, ins Boot holen.

Denn das Anwesen hat nicht nur eine interessante Vergangenheit. Es soll Zug auch in Zukunft erhalten bleiben.

Blick in den Garten des Zurlaubenhofs.

Blick in den Garten des Zurlaubenhofs.

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