Zuger Regierungsräte im Interview: Matthias Michel

«Ich versuche berechenbar zu sein»

Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor bezeichnet seine Politik als «smart» und versichert, dass er kein Interesse an einem Amt auf nationaler Ebene hat. (Bild: mag)

Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel kandidiert bei den Zuger Wahlen diesen Herbst für eine vierte Amtsperiode. Als erster von sieben Regierungsräten muss Michel in unserem Video-Interview spontan drei Kurzantworten liefern und sich der Behauptung stellen: Ist er ein ehrgeiziger, kalkulierter und emotionsloser Politiker?

zentral+: Welches Geschäft in den letzten vier Jahren ist Ihnen gelungen, welches ging schief?

Matthias Michel: Sehr zufrieden bin ich mit unserem und meinem persönlichen Einsatz für die Fachhochschule Zentralschweiz. Seit Beginn 2013 ist sie eine eigenständige Körperschaft, welche erstmals eine einheitliche Führung aller fünf Teilschulen unter einem Dach ermöglicht. Da konnte ich mich sehr aktiv eingeben. Und die Entwicklung hin zu einem neuen Departement Informatik ist sehr positiv, es freut mich natürlich, dass das im Kanton Zug angesiedelt wird.

Wer ist Matthias Michel?

Matthias Michel ist FDP-Mitglied und seit 2003 im Zuger Regierungsrat. Bis 2006 war er Vorsteher der Direktion für Bildung und Kultur, seit Januar 2007 leitet Michel die Volkswirtschaftsdirektion. 2011 und 2012 war er Landammann.

Matthias Michel ist Dr. iur. Rechtsanwalt und war von 1995 bis 2002 Mitglied im Kantonsrat. Er wurde 1963 in Thal (SG) geboren, lebt heute in Oberwil mit seiner Frau und hat vier Kinder.

An ein politisch gescheitertes Geschäft kann ich mich nicht erinnern. Es gibt wenige Projekte, welche wir intern bereits in einem frühen Stadium nicht mehr weiterverfolgt haben. Viel Kraft hat zwar die Richtplananpassung betreffend Doppelspurinsel in Walchwil gekostet. Das Geschäft war im Kantonsrat dann aber erfolgreich.

zentral+: Ihr Wahl-Slogan lautet: «Ich bin liberal, weil mich Eigenverantwortung und Gemeinsinn bewegen.» Ist das nicht ein Widerspruch?

Michel: Es geht um die Balance. Die Tendenz im sozialen Wohlfahrtsstaat geht in Richtung Gemeinwohl. Ich finde, der Mensch trägt auch eine Selbstverantwortung. Der Kanton Zug überlässt Vereinen und Institutionen ihre Eigenverantwortung, zum Beispiel der wichtigen Gemeinnützigen Gesellschaft Zug. Solche Institutionen arbeiten explizit gemeinnützig, nicht gewinnorientiert. Es braucht diesen Freiraum und man soll nicht das Gefühl haben, der Staat müsse alles regeln.

zentral+: In Ihrer ersten Legislaturperiode waren Sie Bildungsdirektor, jetzt sind Sie Volkswirtschaftsdirektor seit bald acht Jahren. Wollen Sie in dieser Direktion bleiben?

Michel: Ja, es stimmt für mich. Und gemäss den Echos, die ich erhalte, auch für meine Mitarbeitenden. Und es stimmte auch damals vor vielen Jahren als Bildungsdirektor. Das Departement Bildung und Kultur war zu jenem Zeitpunkt ideal und ich konnte mir bis vor den Wahlen auch nicht vorstellen, zu wechseln. Als sich nach den Wahlen im Jahr 2006 dann diese Option ergab, entdeckte ich die Themenvielfalt des Departements Volkswirtschaft. Hier geht es um Wirtschaft und Arbeit, Berufsbildung, Berufsschulen, Landwirtschaft bis hin zur Arbeitslosenkasse, dem Handelsregisteramt und dem öffentlichen Verkehr. Ich habe hier mehrere Standbeine und insbesondere beim öffentlichen Verkehr und bei der Berufsbildung auch Bereiche mit viel kantonalem Handlungsspielraum.

 

Interview mit Matthias Michel von zentralplus auf Vimeo.

 

zentral+: Sie haben Jahrgang 1963, sind also noch jung, wohin soll ihre politische Karriere führen?

Michel: Ich kandidiere nach wie vor mit Überzeugung als Regierungsrat, weil ich sehr motiviert bin. Ich tue dies nicht, um ein nationales politisches Amt anzupeilen, ohne ein solches a priori auszuschliessen. Dies aus familiären Gründen. Ich bin gerne nahe bei der Familie und beruflich sehe ich mich eher in der Exekutive. Die interkantonale und nationale Ebene interessieren mich aber durchaus.

zentral+: Nationalrat Gerhard Pfister verkauft die Zuger CVP als Wirtschaftspartei par excellence, was entgegnen Sie ihm als FDP-Politiker?

Michel: Solche pauschale Labels sind Teil des Polit-Marketings. Wichtig ist vielmehr, dass staatstragende Parteien ganzheitlich politisieren. Kompetenzen in allen Politikbereichen sind wichtig. 

zentral+: Sie wollen die Berufsbildung auf Englisch fördern. Wohin wollen Sie mit der Berufsbildung in Zug?

Michel: Wir haben realisiert, dass viele internationale Firmen, die Kaderleute aus aller Welt beschäftigen, unser Berufsbildungssystem nicht gut kennen. Das fanden wir schade, denn auch sie können sich engagieren für Lehrstellen und damit für qualifizierten Berufsnachwuchs. Aus unserer Sicht gibt das zwei Chancen: Erstens mehr Lehrstellen zu gewinnen und zweitens cleveren Jugendlichen, die auch sprachlich weiterkommen wollen, eine weitere Perspektive zu bieten. 

«Wenn ich mit einem Westschweizer Französisch sprechen kann, bringt das mehr Akzeptanz.»

Matthias Michel, Zuger Volkswirtschaftsdirektor

zentral+: Wie wichtig ist Englisch für Sie im Alltag? 

Michel: Wenn auch nicht alltäglich, ist es wichtig, sich mit Vertreterinnen und Vertretern internationaler Unternehmen sowie Gästen aus aller Welt unterhalten zu können ohne sprachliche Barrieren. Ebenso wichtig ist für mich die französische Sprache, die ich in der interkantonalen Zusammenarbeit brauche. Wenn ich mit einem Westschweizer Französisch sprechen kann, bringt das mehr Akzeptanz.

zentral+: Sie bezeichneten die KV-Abgänger in Ihrer Rede als «Smarties», sprachen über den Begriff smart und sagten, auch die Politik sei «smart». Was ist «smart» an Ihrer Politik? 

Michel: Wenn es gelingt, zukunftsweisende, innovative Angebote zu kreieren. Aktuelle Beispiele sind das erwähnte Projekt Berufsbildung international oder unser Projekt eines elektronischen Tickets für den öffentlichen Verkehr, bei welchem wir den Kanton Zug als schweizerische Versuchsregion propagieren wollen. Wir suchen Wege, die andere Kantone noch nicht gegangen sind.  

zentral+: A propos «smart», welche Apps benutzen Sie am häufigsten auf Ihrem Smartphone?

Michel: WhatsApp. Für die innerfamiliäre Kommunikation nutzen wir eine Familien-Gruppe. Die Jungen kommunizieren damit und wir Eltern auch mit Ihnen. Ich nutze das Smartphone nur als Kommunikationsmittel.

zentral+: Ihre Partei, die FDP, warnt immer wieder davor, dass internationale Firmen abziehen könnten, wenn es Unsicherheiten gäbe. Zum Beispiel bezüglich Steuern oder durch die Folgen der Masseneinwanderungsinitiative. Ist das nicht blosse Angstmacherei?

Michel: Es sind meistens mehrere Faktoren relevant, die Firmen zu einem Zu- oder Wegzug bewegen. Wesentlich ist darum der Mix aus guten Standortfaktoren. Neben den Steuern sind es die gelebte Wirtschaftsfreundlichkeit, die Verfügbarkeit von Fachkräften, die Ausbildungsmöglichkeiten, die zentrale Lage und Verkehrsinfrastruktur. Sowohl zukünftige als auch traditionelle Zuger Firmen wollen sich langfristig entwickeln können. Das wollen wir auch. Deshalb sind auch die Berechenbarkeit, die Nachhaltigkeit und die Stabilität sehr wichtig. Wenn sich durch politische Entscheide die Rahmenbedingungen schnell verändern, dann schürt dies Unsicherheit, welche schliesslich zu Verlusten von Unternehmen und damit von Arbeitsplätzen führt. Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative ist ein Beispiel dafür. 

«Ich möchte die Abhängigkeit von einer einzigen Branche vermeiden.»

Matthias Michel, Zuger Volkswirtschaftsdirektor

zentral+: Anders gefragt. Gibt es keinen Plan B? Was passiert, wenn wirklich einige grosse Firmen abziehen würden? 

Michel: Wir sind bestrebt, den Mix aus kleinen, grossen, lokalen und internationalen Firmen im Kanton Zug zu pflegen und nicht von einzelnen Grossen abhängig zu sein. Ich bin interessiert daran, dass wir eine vielfältige Firmenlandschaft haben. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich den Bereich Informatik als sehr wichtig erachte und Zug hier als Bildungsplatz fördern möchte. Ich möchte die Abhängigkeit von einer einzigen Branche vermeiden. 

zentral+: Ist das nicht jetzt schon der Fall? 

Michel: Der Grosshandel ist im Kanton Zug sehr bedeutend und zudem auch vielfältig. Nur ein Teil davon ist der Rohstoffhandel, der in sich wiederum vielfältig ist mit Energieträgern, Mineralien und Agrargütern. Der Rohstoffhandel generiert rund zehn Prozent unserer Steuereinnahmen. Dass dieser Anteil nicht grösser ist, erachte ich aus dem erwähnten Grund der Diversität der Wirtschaft auch als Vorteil.

Das war erst der Anfang! Die sechs anderen Regierungsratsmitglieder folgen in Kürze! Machen Sie sich ein Bild von den Kandidierenden und schauen Sie unsere Video-Serie im Dossier «Wahlen Zug». 

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