Isa, garantiert kompliziert

Ich und mein Mini-Ränzli freunden uns jetzt an

Was wohl Isa jetzt wieder umtreibt? (Bild: Mike Bislin)

Regelmässig gibt Gesellschaftsredaktorin Isabelle Dahinden in ihrer Kolumne persönliche Einblicke in ihr Leben – und in ihren komplizierten Alltag. Heute geht es um ihren Bauch und wie es ihr widerstrebt, dass Frauen die Körper anderer Frauen bewerten.

Ich habe ein kleines Ränzli bekommen. Nicht viel, aber doch ganz gut sehbar. Und spürbar. Für mich jedenfalls. Damit begannen die Fragen. Sind es die Gluten, liegt’s an der neuen Pille? Rächt sich der Corona-Koller? Liegt’s gar nicht an mir, ist es vielleicht ein ultraspäter Pubertätsschub, Fettmasse, die einfach mal so Lust hat, sich auszubreiten? Ist es doch der böse Alkohol?

Puhh. Letztens – bei einem Bier mit Freunden (es MUSS am Alkohol liegen) – hat sich jeder reihum über ein paar Kilos zu viel beklagt. Oder über zu viel oder zu wenig Rundungen. Auch Männer, die sich dann im Internet irgendwelche Kollagenpillen zum Abnehmen bestellt haben. Gegenseitig sprachen wir uns Mut zu: «Voll need hesch zuegno», «Hätti voll nööd gseh, imfall». Als ich mit einstimmte (eigentlich zufrieden, aber neuerdings mit Mini-Ränzli unterwegs) hiess es dann prompt: «Grad du muesch ez aso nüd säge.» Als «die Schlankste in der Runde».

Tja, dann war ich halt erst mal ruhig. Aber: ich leide. Ein bitzli jedenfalls. Manchmal, wenn ich in der Seebadi über die Holzfliesen laufe, ziehe ich ein bisschen meinen Bauch ein, imfall.

Anders als in meinem Freundeskreis reden Frauen «da draussen» ganz anders über die Körper anderer. «So gsehni de aber scho ned us? Gäll?», hörte ich letztens eine Frau in der Seebadi ihre Kollegin nebenan fragen. «GÄLL?! So fescht?» und boxt ihr in den Oberarm. «Und ich habe den besseren Hintern. Die wiegt zu viel und ist ein Brett.»

Frauen können so gemein sein. Nach einem Italientrip habe ich auf Instagram ein Bild gepostet. Mit Bauch. Weil: Pizza everyday. Habe ich beim Posten nicht bemerkt. Und was passiert? Eine frühere Ausgangskollegin schreibt: «Bisch schwanger? Hihihihi.» Seither sehe ich nur noch das Ränzli auf dem Bild. Ich hab's dann gelöscht.

Mal ehrlich: Es ist zum Kotzen, wie Frauen die Körper anderer Frauen bewerten. Mich eingeschlossen. Nach dem Kommentar meiner Kollegin («Bisch schwanger? Hihihihi») checkte ich ihr Instagram-Profil ab. Jojo-Effekt, heute dünn, morgen wieder mollig. Gerade steckt sie wieder in letzterer Phase.

Die Arme zu schwabbelig, am Bauch zu viel, am Busen zu wenig, die Beine zu dick, zu flach der Hintern, zu kurz die Beine: Frauen lamentieren über ihre Körper und die Körper anderer Frauen, bestimmen im Kollektiv, was wir ab-«normal» finden sollen.

Body Positivy finde ich schön und gut – zum Teil aber auch nur so semi-befriedigend. Wenn ich durch mein Instagram scrolle, sehe ich Fotos von Frauen, die ihre Dehnungsstreifen an Hintern und Oberschenkel in die Kamera strecken (#SelfLove, #NormaliseNormalBodies et cetera pp). Ich renne dann zum nächstbesten Spiegel, nur um zu diagnostizieren, ob ich auch davon betroffen bin. Warum? Weil ich mich – ganz ehrlich – in meinen 28 Jahren noch nie mit Cellulite befasst habe. Kleiner Spoiler: ich bin eine von diesen Celluliterinnen (#EineWieAlle).

Ich finde: Jeder soll sich in seinem Körper wohlfühlen. Deswegen habe ich mich mit meinem Ränzli angefreundet. Aber: ich will die Trennung. Deswegen hula-hoope ich seit einigen Wochen. Mach ich’s nur wegen mir, weil ich mich vorher nicht zu 100 Prozent wohlgefühlt habe? Oder spielen da gesellschaftliche Konventionen mit? Je ne sais pas. Aber eigentlich ist es ja auch egal. Hauptsache, man fühlt sich wohl. Und bewertet nicht die Körper anderer: Denn jeder hadert vielleicht ein bisschen.

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