50 Fragen an Yvette Estermann

«Ich geniesse es, eine Reizfigur zu sein»

SVP-Nationalrätin Yvette Estermann (46) in der Bar des Hotels Schweizerhof in Luzern. (Bild: dog)

Yvette Estermann, eine der umstrittensten Politikerinnen der Schweiz, stellt sich dem 50-Fragen-Marathon von zentral+. Ein amüsantes Gespräch mit der Luzerner SVP-Nationalrätin über Christoph Mörgelis Singstimme, das gerechte Verhältnis 1:1000 und Päpstin Yvette.

Die Bar des Hotels Schweizerhof in Luzern ist ihr Lieblingsort für Interviews. Geräuschlos serviert die Kellnerin den Tee, Salonmusik rieselt aus unsichtbaren Lautsprechern. Am Tisch ganz hinten in einer Ecke des feudalen Saales sitzt Yvette Estermann – kerzengerade, gewohnt adrett gekleidet, die erwartungsvolle Miene von der morgendlichen Herbstsonne beleuchtet. 

Estermann zählt zu den wohl umstrittensten Politikerinnen der Schweiz. In der sonst schon unzimperlichen SVP verkörpert die slowakische Immigrantin die Rolle einer Hardlinerin. Ihre kontroversen Vorstösse und Aussagen sorgen gerne mal für rote Köpfe: die Abschaffung der Sommerzeit, das obligatorische Singen der Nationalhymne im Parlament oder etwa, dass ein wenig Radioaktivität niemandem schaden würde. Trotz heftiger Kritik, bleibt Estermann ihrer Linie treu.

Nach der Begrüssung hat sich die skeptische Gespanntheit in Yvette Estermanns Gesicht gelockert. Die Laune ist blendend. Ein Schlückchen Tee, den Rücken noch mal durchstrecken. Sie ist bereit, ja, sie scheint richtig Bock zu haben. Ein guter Moment für die erste von 50 Fragen.

1.    Sie waren heute schon um 5.30 Uhr unterwegs, um gegen die 1:12 Initiative zu lobbyieren. Lohnte sich das frühe Aufstehen?

Selbstverständlich. Der frühe Vogel fängt den Fisch.

2.    Wie viel Stunden Schlaf benötigen Sie?

Im Idealfall sechs Stunden. Manchmal sind es leider weniger.

Yvette Estermanns starker Akzent irritiert im ersten Moment. Hört sich so gar nicht nach SVP an. Macht nichts, wir verstehen uns. Darum gehts ja schliesslich. Also weiter.

3.    Welches Lied singen Sie unter der Dusche? Und sagen Sie jetzt bitte nicht die Nationalhymne.

Alte Schlager.

4.    Wie gross sind Sie, wenn man fragen darf?

179 Zentimeter. Wobei ich glaube, dass ich unter der politischen Last schon etwas geschrumpft bin.

5.    Haben grosse Politikerinnen einen Vorteil?

Ja, schon ein bisschen. Daher trage ich auch extra Schuhe mit hohen Absätzen.

6.    Sie sind Life Coach. Welcher Politiker, welche Politikerin hätte ein solches Coaching bei Ihnen bitter nötig?

Meistens diejenigen, die glauben, dass sie es nicht nötig haben.

7.    Geht es Ihnen nicht auf die Nerven, dass Sie oft auf Ihre slowakische Herkunft reduziert werden?

Überhaupt nicht. Es ist eine Frage der Intelligenz, ob man mich darauf reduziert. Ich bin stolz auf meine slawischen Wurzeln.

8.    Wünschten Sie sich, Sie könnten besser Deutsch sprechen?

Auf jeden Fall! Und Französisch auch. Aber da bin ich dran.

9.    Mit Ihrer Gruppe «Neue Heimat Schweiz» engagieren Sie sich für gut integrierte Ausländer. War für Sie die Integration ein Kinderspiel?

Estermann überlegt kurz, will fast Ja sagen. Bleibt dann doch lieber diplomatisch.

Ein Kinderspiel war es nicht. Aber Integration beginnt für mich im Herzen. Wer sich also integrieren will, muss zuerst auf die anderen zugehen.

10. Würden Sie in der Not einen Asylanten aufnehmen?

Sie windet sich. Lächelt verlegen.

Das hängt davon ab, was für eine Person das ist und woher sie kommt.

11. Wohin gehen Sie, wenn Sie mal Dampf ablassen müssen?

In die Natur. In die Berge. Oder ich gehe schwimmen. Gegen den Strom, versteht sich.

12. Sind Sie eine Hardlinerin?

Sagen wir es so: Ich habe meine Linie und die ziehe ich durch.

13. Geniessen Sie es, eine Reizfigur zu sein?

Ab und zu, ja. Das bringt doch etwas Pfeffer auf ein Podium oder in eine Diskussion.

14. David Roth ist ein…

Jungpolitiker.

15. Könnten Sie sich mit einem anderen Verhältnis als 1:12 anfreunden?

1:1000.

Eine ordentliche Portion Trotz schwingt dabei in Estermanns Unterton mit.

16. Was haben Sie gedacht, als Sie am 27. Oktober den Zeiger Ihrer Uhr um eine Stunde zurückgedreht haben?

Lieber Gott, ich danke dir, dass ich die Stunde wieder habe.

17. Sie haben gesagt, wenn man in der Schweiz die Sommerzeit abschaffen würde, würde dies den Status der Schweiz als eine Insel in Europa bestärken. Abgrenzung ist also gut. Und wo bleibt der von Ihnen propagierte Integrationsgedanke dabei?

Was ich damit meinte, war, dass die Schweiz in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle übernehmen könnte. Wenn wir die unsinnige Sommerzeit abschaffen würden, würde die EU nachziehen. Davon bin ich überzeugt.

18. Weshalb mag Sie Toni Brunner so?

Lustige Frage. Ich weiss nicht, wie sehr er mich mag.

19. Ziel Bundesrat?

Nein.

20. Welchen Ihrer 24 eingereichten Vorstösse haben Sie im Nachhinein bereut?

Keinen einzigen. Sonst hätte ich ja den Vorstoss nicht gemacht.

21. Sie singen im Chor der Bundeshaus-Band. Mit welchem Ihrer Parlamentskollegen oder -kolleginnen würden Sie gerne mal ein Duett singen?

Christoph Mörgeli. Man glaubt es kaum, aber er hat eine sehr schöne Singstimme.

22. Ihr Mittel gegen Burn-out?

Lernen, Nein zu sagen.

23. Was ist für Sie ein zeitgemässes Familienmodell?

So wie es für die Familie stimmt. Für die Leute selbst muss es doch stimmen.

24. Ein unangenehmes Thema: Sind Sie nun Doktorin oder nicht?

Das ist kein unangenehmes Thema für mich. Ich bin Doktor der Medizin.

25. Was kann die Schweiz von der Slowakei lernen?

Da gäbe es einiges. Etwas mehr Lebensfreude, mehr Miteinander, etwas mehr Herzlichkeit und Menschlichkeit würde der Schweiz sicher nicht schaden. Ich wünschte mir, dass den Leuten die Arbeit etwas leichter fallen würde. Schweizer arbeiten ja unglaublich viel, mehr als jedes andere Volk in Europa.

26. Welches Kostüm haben Sie an der letzten Fasnacht getragen?

An der letzten Fasnacht konnte ich leider nicht teilnehmen. Aber ich habe es mir fest vorgenommen, mich an der nächsten Fasnacht als Hexe zu verkleiden. So richtig schrecklich und böse. Das würde doch wunderbar passen.

Lautes Lachen, nicht hexenhaft, eher selbstironisch.

27. Ihr Lieblingsort in der Zentralschweiz?

Alles rund um den Pilatus.

28. Was machen Sie als Erstes, wenn Sie morgens aufstehen?

Ich danke Gott, dass ich nochmals eine Chance erhalten habe, auf dieser Welt zu wirken.

29. Haben Sie einen Spitznamen?

Ich weiss von keinem.

30. Wann haben Sie zuletzt gelogen?

Prinzipiell lüge ich nie. Klar gibt es Momente, in denen ich nicht immer die Wahrheit sagen will. Dann weiche ich schon mal aus – mit einer «gepflegten» Wahrheit, sozusagen.

31. Essen Sie immer noch gerne radioaktives Fleisch?

Ach, das wurde damals völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich habe gesagt, dass ich gegen ein Embargo auf Produkte aus Japan bin. Und ich hatte damals – nach dem Fukushima-Unglück – gerade japanisches Fleisch gekauft. Das war alles.

32. Wenn Sie auswandern müssten, wohin würden Sie gehen?

Dann würde ich in die Slowakei zurückwandern.

33. Medien – Freund oder Feind?

Partner. Ein sehr wichtiger sogar. Ohne Medien gäbe es wohl keine Politik. Und gleichzeitig müssen die Medien ja auch ihre Seiten füllen.

34. Wie viele Facebookfreunde haben Sie?

Genau weiss ich das nicht. Aber ich glaube es sind etwa 3’500.

35. Wie lange brauchen Sie morgens vor dem Spiegel?

15 Minuten. Aber es wird immer länger. Jedes Jahr kommt eine halbe Minute dazu. Man sagt ja auch: Frauen werden nicht älter, sie brauchen am Morgen nur länger im Bad.

36. Ihre Meinung zum Thema Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern?

Eine Frau, die den gleichen Lohn will wie ein Mann in derselben Position, bekommt ihn auch. Entweder man lässt sich in das Schema der armen Quotenfrau drängen, oder man ist eine selbstbewusste Frau, die das einfordert, was ihr zusteht.

37. Weshalb wohnt es sich in Kriens besser als in Luzern?

Weil es dort am Schönsten ist!

38. Welche Extremsportart würden Sie gerne ausprobieren?

Die Augen leuchten, die Abenteuerlust der Yvette Estermann scheint geweckt. Und die Antwort: überrascht.

Ja, unbedingt! Bungeejumping wollte ich schon immer einmal machen. Mein Mann konnte mich bisher zwar noch davon abhalten, jedoch ganz abgehakt habe ich diesen Wunsch noch nicht. Aber am liebsten wäre ich einmal unter einem Helikopter angeseilt, um Fotos zu machen. 

39. Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Ja, davon bin ich überzeugt.

40. Wenn Sie ein Tier wären, welches wäre das?

Eine Katze.

41. Velo oder Auto?

Zu Fuss.

42. Der letzte Film bei dem Sie geweint haben?

Erst kürzlich habe ich auf Arte einen französischen Film gesehen. Leider weiss ich den Titel nicht mehr. Es ging um spanische Kindermädchen nach dem Bürgerkrieg, die in französischen Familien eine Arbeit fanden. Da musste ich echt weinen.

43. Was wollten Sie als Kind von Beruf werden?

Ärztin.

44. Wie sieht ein fauler Tag bei Ihnen aus?

Tage, an denen ich keine Termine habe und machen kann, auf was ich Lust habe. Spazieren, Kochen, spontan etwas unternehmen. Oder bei schönem Wetter einfach draussen sitzen, lesen und den Vögel zuhören. Solche Tage sind für mich wahrer Luxus.

45. Diesen Lebenstraum wollen Sie sich noch erfüllen.

Ich lebe meinen Traum.

Zum Schluss noch ein kleiner Test zu Ihrer Selbsteinschätzung: Wie gut können Sie folgende Rollen verkörpern (null: keinerlei Begabung, bis zehn: höchste Begabung)?

46. Politikerin. 

Neun.

47. Männertraum.

Was, ich? Fünf.

48. Schauspielerin.

Auch fünf.

49. Päpstin.

Das würde mich tatsächlich reizen. Päpstin Yvette… Neun.

50. Christoph Blocher.

Neuneinhalb.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Heinzelmaenchen
    Heinzelmaenchen, 10.11.2013, 13:04 Uhr

    Unser Land braucht Power-Frauen wie Yvette Estermann: selbstbewusst, gradlinig, eigenwillig und mutig. Und, das zeigen ihre Antworten, sie hat nicht nur Verstand und Humor, sondern auch viel Herz.

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