Jetzt spricht Yvonne Schärli

«Ich frage mich schon, was das soll»

Yvonne Schärli hat sich als kämpferische Regierungsrätin ausgezeichnet. (Bild: Archiv)

FDP und SVP wollen die Linken aus der Regierung verbannen. Luzern wäre damit der einzige Kanton im Land, der von einer bürgerlichen Männerregierung geführt wird. Das sorgt für hitzige Diskussionen. Nun äussert sich auch die SP-Regierungsrätin Yvonne Schärli – sie ist entsetzt und warnt vor den Folgen einer «Altherrenregierung».

Ihr Rücktritt hatte den Kampf erst ausgelöst: Yvonne Schärli sitzt seit 2003 für die SP im Regierungsrat. Ihre Nachfolgerin in spe, Felicitas Zopfi, muss sich nun ins Zeug legen, um diesen Sitz zu verteidigen. zentral+ fragte Yvonne Schärli, was sie von der Idee einer reinen bürgerlichen Männerregierung hält.

zentral+: Ist es wirklich so schlimm, wenn die SP nicht mehr mitregiert? Schliesslich ist sie ja bloss eine von fünf Stimmen.

Yvonne Schärli: Selbstverständlich ist es wichtig, dass die SP, die auch die Grünen vertritt, in der Regierung ist. Ich habe für mich immer gesagt, dass ich einen Fünftel des gesamten Einflusses auf die Regierungsgeschäfte erreichen will. Das ist der Auftrag meiner Wählerinnen und Wähler.

zentral+: Haben Sie das erreicht?

Schärli: Ja. Wenn in der Regierung pointiert bürgerliche Positionen vertreten werden, komme ich mit einer linken Sichtweise und bringe diese ein. Darauf folgt ein Prozess, der nicht selten zu einem Mittelweg führt. Zum Beispiel: Wenn aus dem Parlament von linker Seite eine Motion mit einer absoluten Forderung eingereicht wurde, habe ich mehr als einmal erreichen können, dass der Regierungsrat das Anliegen zumindest zur Prüfung als Postulat entgegengenommen hat. Oder bei Vorlagen ans Parlament aus anderen Departementen konnte ich die linke Sichtweise in einigen Punkten einbringen. Das ist wichtig und darf nicht unterschätzt werden.

zentral+: Waren Sie nicht häufig allein gegen die bürgerliche Übermacht?

Schärli: Das gab es schon, aber ich konnte auch einiges bewirken. Auch in vermeintlicher Unterzahl. Für mein Departement bin ich mit meiner Hartnäckigkeit weit gekommen. Ich habe zum Beispiel immer betont, dass wir im Sicherheitsbereich nicht noch mehr sparen können. Ich denke, da ist mein Departement mit einem blauen Auge davongekommen. Ein anderes Beispiel ist die Luzerner Polizei: Für die personelle Aufstockung habe ich einiges an Überzeugungsarbeit investiert, bis ich das Geschäft schliesslich durchgebracht habe. Bei einem rein bürgerlichen Regierungsrat wäre das wohl anders rausgekommen.

zentral+: Nun werden die Stimmen immer lauter, welche die Linke aus der Regierung verbannen wollen. Wie sehen Sie das?

Schärli: Ich frage mich schon, was das soll. Felicitas Zopfi hat in der Stadt Luzern – dem Zentrum des Kantons ­– klar die meisten Stimmen aller Kandidaten gemacht. Dass man nun auf die Idee kommt, sie aussen vor zu lassen, ist für mich absolut unverständlich. Und seit diesem Mittwochabend sieht das auch die CVP-Delegiertenversammlung so. Und dafür bin ich sehr dankbar.

zentral+: Manche monieren, Felicitas Zopfi sei die falsche Kandidatin.

«Zopfi hat in der Stadt klar die meisten Stimmen gemacht. Dass man nun auf die Idee kommt, sie aussen vor zu lassen, ist absolut unverständlich.»

Yvonne Schärli, SP-Regierungsrätin

Schärli: Auch das kann ich nicht verstehen. Sehen Sie: Die SP hat eine lange Tradition in der Regierung. Sie weiss, wer da reinpasst und wer nicht. Wie die SVP müssen auch wir moderate Leute zur Wahl vorschlagen. Das ist auch bei Felicitas Zopfi der Fall, obschon einige Leute sie aus gewissen Eigeninteressen in eine andere Ecke drücken wollen. Als ich das erste Mal antrat, lag ich auch nach dem ersten Wahlgang auf dem 6. Platz und wurde dann im zweiten gewählt. So ist auch Zopfis Resultat einzuordnen.

Es wird eng für die SP

Nach dem schlechten Abschneiden der SP-Kandidatin Felicitas Zopfi, die den Sitz der abtretenden Yvonne Schärli verteidigen soll, fragt sich, ob sie die Wahl in der zweiten Ausmarchung schaffen wird. Wirtschaftsverbände haben schon vor den Wahlen eine rein bürgerliche Regierung gefordert.

Nun setzt auch die FDP auf dieses Szenario: Sie hat sich am vergangenen Mittwoch dafür entschieden, Felicitas Zopfi nicht zu unterstützen (zentral+ berichtete live). Die Liberalen empfehlen dem Stimmvolk, für die zwei noch offenen Sitze (Robert Küng, FDP, Reto Wyss und Guido Graf, je CVP, sind bereits gewählt) Paul Winiker (SVP) und Marcel Schwerzmann (parteilos) zu wählen. Die CVP ihrerseits hat sich am Mittwoch klar für die Konkordanz ausgesprochen und empfiehlt deshalb Zopfi und Winiker zur Wahl (zentral+ berichtete live).

zentral+: Was wäre, wenn die SP in die Opposition müsste?

Schärli: Ich gehe davon aus, dass eine SP in der Opposition die Regierung sehr stark beschäftigen würde – mit Vorstössen, Initiativen, und so weiter. Ob das im Sinne einer funktionierenden Regierung ist, muss ich der Beurteilung der Wählenden überlassen. Ich glaube, dass es für alle besser wäre, die SP in der Regierung zu behalten. Ansonsten würde ein bewährtes System verloren gehen. Es ist wichtig, alle relevanten Kräfte in die Regierung einzubinden. Das wäre auch mit der SVP zu erreichen. Während meiner Amtszeit musste die SP ein paar Mal Kompromisse eingehen. Etwa, wenn es um Sicherheitsfragen ging. Wenn wir nicht in die Regierung eingebunden wären, könnte die SP frei politisieren. Zudem gehe ich davon aus: Wenn die SP in die Opposition geht, dann könnte sie an Wähleranteilen zulegen.

zentral+: Zur Frauenfrage: Eine Regierung ohne Frau – was würde das aus Ihrer Sicht bewirken?

Schärli: Frauen machen 50.5 % der Luzerner Bevölkerung aus. Ich finde es bedenklich, dass wir überhaupt über so etwas reden müssen. Es sollte doch heutzutage selbstverständlich sein, dass Frauen in solche Gremien gehören.

zentral+: Was machen Frauen anders beim Regieren?

Schärli: Meine Beobachtungen nach 24 Jahren Politik und Erfahrungen mit Frauen aus allen Parteien und auf allen Ebenen des politischen Lebens sind diese: Frauen sind weder besser noch schlechter als Männer. Darum geht es nicht. Frauen profitieren von Männern und umgekehrt. Aber sie sind anders unterwegs. Ein zentraler Punkt bei Frauen auf Stufe Exekutive in Gemeinden und Kanton ist, dass sie in der Regel unabhängiger sind als Männer. Sie sind weniger in Netzwerken eingebunden. Das kann ein Nachteil sein, es hat aber durchaus auch Vorteile.

zentral+: Welche?

Schärli:  Ich möchte betonen: Frauen können oft unabhängiger und freier entscheiden. Bei Männern, die in viele Netzwerke eingebunden sind, besteht die Gefahr, dass diese Netzwerke auch Einfluss nehmen wollen. Was ich weiter beobachte: Frauen sind  weniger statusorientiert. Sie streben auch nach Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten, klar. Aber ich denke, dass Frauen sich häufig primär in den Dienst einer Sache stellen – der Machtfaktor ist sekundär.

zentral+: Sind Frauen sachlicher als Männer?

Schärli: Ich erlebe oft, dass Frauen genauso zielgerichtet in eine Aufgabe hinein gehen. Wenn sie aber sehen, dass ihr Standpunkt aussichtslos ist, dann sind sie eher bereit, sich auf einen Kompromiss einzulassen. Ich glaube, Frauen ist lösungsorientiertes Agieren sehr wichtig. Sie sind eher bereit, flexibel zu entscheiden. Und: Frauen sind direkter (lacht).

zentral+: Direkter? Wie meinen Sie das?

Schärli: Sie taktieren weniger und sagen schneller auch mal, was sie denken.


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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peter With
    Peter With, 03.04.2015, 09:23 Uhr

    …als die SVP nicht im Regierungsrat vertreten war? Als zweitgrösste Partei hätte sie schon lange Anrecht auf einen Regierungsrat, viel mehr als die SP. Aber irgendwie hörte man da nie was von Konkordanz. Bestenfalls von einer inhaltlichen Konkordanz, bei der die SVP durchaus ausgeschlossen werden durfte. Für mich ist klar: Die Zeit ist reif für Paul Winiker, damit die SVP und dami fast jeder vierte Wähler endlich wieder in der Regierung vertreten sind. Die SP soll besser Wahlkampf machen anstelle den unglaubwürdigen Moralapostel zu spielen.

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