Uta Köbernicks Premiere im Kleintheater Luzern

«Ich bin noch nicht fertig» – mehr als eine leere Drohung

Uta Köbernick untermalt ihre poetischen Texte mit leichten Melodien.

(Bild: Daniela Herzog)

Wortakrobatin, Musikkabarettistin, Preisträgerin des Salzburger Stiers: Uta Köbernick suchte sich als Premierenort für ihr neues Programm Luzern aus. Es ist eine bissige Gesellschaftskritik in leisen Tönen, in der sie die Magersucht des SBB-Chefs anspricht und eine grossartige Hommage ans Zögern ausrichtet.

«Wir waren so frei und der Himmel war so blau, oder war es umgekehrt?» Gleich in ihren ersten Versen zeigt die Schauspielerin, Liedermacherin und Kabarettistin Uta Köbernick, was sie kann: Sprachspiele.

Bald komisch, bald nachdenklich und oft beides zugleich jongliert sie gekonnt mit Wörtern, Sätzen und deren Bedeutungen: «Wir müssen doch im Leben nicht vorgeben, irgendwas zu sein. Es reicht der Schein.» Die bissigen, in leichtfüssige Verse verpackten Pointen der Salzburger-Stier-Preisträgerin Köbernick tauchen meist zeitversetzt auf und regen das Publikum zum Schmunzeln und zum Denken an.

SBB-Chef Andreas Meier im Fitnesswahn

Köbernick singt Lieder, spielt begleitend dazu die Gitarre, Ukulele oder die Geige und dazwischen erzählt sie kurze Geschichten aus dem Alltag, die sie auf kleinen Zetteln hinter sich auf dem Tisch bereithält. Scheinbar zufällig greift sie hie und da einen Zettel auf und berichtet von der abnehmenden Privatsphäre und der zunehmenden Privatisierung; von der Glückserfahrung, einfach mal ohne Smartphone in die Welt hinauszustarren, oder von der Komplizenschaft mit der Bürokratie.

«Wir müssen doch im Leben nicht vorgeben, irgendwas zu sein. Es reicht der Schein.»

Uta Köbernick

Sie scheut sich nicht, die Namen der Verantwortlichen zu nennen, und bezeichnet beispielsweise Andreas Meiers Kostensenkungsprogramm Railfit 20/30 als «schrittweise Anleitung zur Magersucht», die von McKinsey teuer erkauft wurde. Mit viel Ironie erklärt die Wahlschweizerin ihren deutschen Freunden, die SBB sei zwar noch pünktlich, aber langsam verändere sich auch in der konservativen Schweiz etwas.

Mehr Zögern würde Trump nicht schaden

Einer der Highlights des Abends ist Köbernicks theatralisch vorgetragene Hommage an das Zögern. Mit grossen Gesten, eindringlicher Betonung und viel pathetischem Tamtam bittet sie das Zögern, sich doch einmal ein anderes Opfer zu suchen und beispielsweise einen Präsidenten beim Twittern zu stören. Das sorgte für grosse Lacher im Saal. Leider waren die aber die Ausnahme.

Hie und da muss man zwar schmunzeln und staunt über die Wortakrobatik, richtig mitzureissen vermag Köbernick leider nicht. Aber vielleicht braucht es das auch nicht. Überzeugend ist sie vor allem auch im zweiten Teil ihres Programms, in welchem sie in die Rolle der ostdeutschen Hartz-IV-Bezügerin Tanja schlüpft und diese in sächsischem Dialekt aus ihrem Leben erzählen lässt.

Viel Empathie und Menschlichkeit

Unterhaltsam und scheinbar unspektakulär plaudert Tanja aus dem Nähkästchen. Sie erzählt von ihrer Kindheit in der DDR, von einem sexuellen Übergriff ihres Chefs und von den erniedrigenden Erfahrungen im Jobcenter, wo sie von der zuständigen Frau «sachbearbeitet» wurde.

Auch die Geige kommt bei Uta Köbernick hin und wieder zum Einsatz.

Auch die Geige kommt bei Uta Köbernick hin und wieder zum Einsatz.

(Bild: Daniela Herzog)

Langsam entledigt sich Köbernick wieder ihres Tanja-Kostüms und spielt eine traurige, melancholische Melodie an. «Sag, wie leise muss sie werden, damit man sie hört», singt Köbernick mit sanfter und äusserst gefühlvoller Stimme. Es ist ein beeindruckendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit in unserer individualisierten, digitalisierten und durch und durch rationalen Welt. Einfach mal innehalten, nichts tun und mit leerem Blick die Welt ausserhalb jeder Blase betrachten.

Auf dem richtigen Weg scheint das Kleintheater-Publikum zu sein: «Wussten Sie, dass Sie Effizienzbremsen sind? Wie Sie hier so dasitzen und nichts tun.» Schmunzelnd bedankt sich das Publikum mit einem warmen Applaus und wünscht sich zum Abschluss noch ein Lied: «Zäune bau’n».

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