Die Köhler – Tradition in den Entlebucher Wäldern

«Huere Cheib» – Wo im Kino nach Herzenslust geflucht wird

Fränz Röösli ist einer der neun Köhler im Entlebuch.

(Bild: Robert Müller und Simon Meyer)

Die Köhlerei ist in Europa beinahe ausgestorben. Nicht so im Entlebuch. Hier geben sich wenige Exoten jährlich mehrere Wochen einer kräftezehrenden und beinahe meditativen Arbeit hin, die sich finanziell kaum auszahlt. Doch die Faszination lässt sich nach dem Dokfilm von Robert Müller verstehen.

In seinen schweren Gummistiefeln steigt Fränz Röösli auf den vier Meter hohen Kohlenmeiler und sticht Löcher in den «Grind», wie er die Kuppel nennt. Weisser Rauch entweicht, umspielt den Köhler und verschwindet in die schwarze Nacht über dem Luzerner Entlebuch.

Seit fast zwei Wochen wacht der 70-Jährige Tag und Nacht über seinen rauchenden Meiler, in dessen Inneren sich Holz zu Kohle verwandelt. Über Wochen hinweg hatte er den vier Meter hohen Holzmeiler erstellt, ihn angezündet und bewacht. In dieser Nacht wird sich der aufsteigende Rauch bläulich verfärben; ein Indiz dafür, dass der Verkohlungsprozess abgeschlossen ist. Der Meiler hat seinen Dienst getan.

Fränz Röösli ist nicht allein im Wald von Bramboden. Nur wenige Kilometer entfernt glimmen weitere Meiler. Insgesamt neun aktive Köhler im Tal produzieren jährlich um die 90 Tonnen Holzkohle, deren Verkauf für die Bergbauern seit Generationen von existenzieller Bedeutung ist.

Eine märchenhaft harte Welt

Ruhig und bildstark zeigt der Film «Köhlernächte» von Robert Müller die archaische Arbeit der Kohlebrenner. Der Dokumentarfilm ist eine Reise in eine märchenhafte und rohe Welt, in der Feuer und Wetter das Sagen haben und die Zeit mal stillzustehen, mal zu fliegen scheint.

«Die rauchgeschwängerte, entrückte Szenerie im Wald faszinierte mich aufs Neue.»
Robert Müller, Regisseur

Der 70-jährige Fränz flucht in der Dunkelheit immer wieder wie ein Wald voll Affen – es sind authentische Figuren und ehrliche Szenen. Und doch wähnt man sich fast in einer Geschichte von Astrid Lindgren, wenn der zwölfjährige Lukas alleine im Wald seinen Kohlenmeiler baut, dafür Schwerstarbeit leistet, in einem Bauwagen schläft und dabei noch ein hilfloses Eulenbaby aufzieht. Stark und verletzlich zugleich erlebt man die Köhler. Auch beim Schlafen ist die Kamera dabei – Robert Müller lässt die Zuschauer seinen Protagonisten ganz nahe kommen.

Der Luzerner Regisseur schafft es, dass trotz vieler Informationen über das Handwerk nie Langeweile aufkommt. Szenen vom Sägen, Schichten und Brennen drosseln unser Tempo und beim Verlassen des Kinos fühlt man sich regelrecht überrumpelt von der Hektik der Stadt.

Lukas Thalmann ist mit zwölf Jahren der jüngste Köhler.

Lukas Thalmann ist mit zwölf Jahren der jüngste Köhler.

(Bild: Robert Müller und Simon Meyer)

Faszination seit Kindheit

Der 55-jährige Regisseur und Bildhauer lernte die Tradition schon früh durch seinen Vater kennen, der seinen Kindern diese Tradition unbedingt zeigen wollte. «Die schwarzen rauchenden Meiler haben mich damals tief beeindruckt», so Müller. Doch erst mit über 40 wurden die Erinnerungen wieder lebendig, als er bei einer Wanderung zufällig wieder auf die brennenden Meiler stiess. «Die rauchgeschwängerte, entrückte Szenerie im Wald, der geheimnisvolle Akt des Kohlebrennens, der Köhler selbst, der das Spiel mit Feuer und Rauch damals wie heute mit grosser Leidenschaft betreibt, faszinierten mich aufs Neue. Es schien, als ob die Zeit stehen geblieben sei.»

Verlosung

Der 92-minütige Dokumentarfilm «Köhlernächte» kommt am 11. Januar 2018 in die Deutschschweizer Kinos.

Die Protagonisten sind Fränz Röösli, Lukas Thalmann, Willi Renggli, Willi Röösli, Doris Wicki,
 Philipp Röösli, Markus und Martin Wicki, Andreas Schacher und Ruedi Lustenberger.

zentralplus verlost je 2x2 Tickets für die folgenden Vorstellungen:

Die Vor-Premiere am 7. Januar 2018 um 11 Uhr im Kino Bourbaki in Anwesenheit des Regisseurs Robert Müller mit anschliessendem Apéro.
Die Premiere am 11. Januar 2018 um 18.00 Uhr im Kino Bourbaki in Anwesenheit von Robert Müller.

Hier geht es zur Verlosung.

Diese exotische Welt, die so nah ist und doch so fern scheint, empfand Müller als derart einzigartig, dass die Idee entstand, diese mit einem Film für ein breiteres Publikum erfahr­- und erlebbar zu machen. Was treibt die Köhler an, dieser Arbeit noch immer nachzugehen, fragte sich der Regisseur. «Der Ertrag allein kann es nicht sein. Der Aufwand ist immens und das Einkommen daraus bescheiden.»

Ein Zeitzeugnis, keine Verklärung

Ziel war keine nostalgische Verklärung, sondern die Welt der Köhler in all ihren Facetten möglichst authentisch zu fassen.

«Ich lernte eine Lebensform kennen, wo Familie, Beruf, der Glaube und die Welt immer noch eng miteinander verbunden sind: das leidenschaftliche Arbeiten in der Natur, das Abenteuer, das körperlich wie geistig alles abverlangt.» Das konzentrierte Arbeiten habe ihn an Meditationsformen erinnert, an religiöse Handlungen oder gar an eine gross­ angelegte Kunstperformance.

Beim Abpacken der Kohle für den Verkauf helfen alle mit.

Beim Abpacken der Kohle für den Verkauf helfen alle mit.

(Bild: Robert Müller und Simon Meyer)

Ein Teil des Lebens

«Die Köhlerei mag für Aussenstehende etwas Exotisches sein», weiss der Luzerner Volkskundler Kurt Lussi. «Doch für die Menschen, die sich damit einen Teil ihres Lebensunterhalts verdienen, ist sie eine Selbstverständlichkeit. Sie betreiben die Köhlerei nicht, weil sie ein altes Handwerk vom Aussterben bewahren oder eine Tradition aufrechterhalten möchten, sondern sie begeben sich in den Wald, weil diese Tätigkeit ein Teil ihres Lebens ist.»

Die Arbeit weit weg von den hektischen Wirtschaftszentren präge die Beziehung dieser Menschen zur Natur, so Lussi. Und das wird im Film mehr als klar: Wer längere Zeit auf sich gestellt ist, einen Kohlenmeiler aufbaut und diesen brennt, wer der Witterung ausgesetzt ist und sich dennoch behauptet, der hat einen anderen, fast möchte man sagen magischen Bezug zur Umwelt und zum Unerklärlichen. «Diesseitiges und Jenseitiges verschmelzen zu einem untrennbaren Ganzen, das trotz aller Härte des Berufs die Grundlage einer von Reichtum und beruflicher Karriere unabhängigen Lebensqualität ist, nach der sich viele Menschen in unserer Gesellschaft sehnen.»

Doris Wicki ist die einzige Köhlerin in einem männerdominierten Feld.

Doris Wicki ist die einzige Köhlerin in einem männerdominierten Feld.

(Bild: Robert Müller und Simon Meyer)

Die Köhlerei

Noch bis vor Kurzem war die Holzköhlerei in ganz Europa sehr verbreitet. In der Schweiz ermöglichte die Produktion von Holzkohle vor allem in den Waldregionen des Juras, des Tessins und der Napfregion vielen Menschen ein Auskommen.

Das Köhlerjahr von Bramboden beginnt jeweils im Winter mit dem Schlagen und Spalten des Holzes. Im Frühsommer folgt
 der Aufbau der Meiler – eine körperlich herausfordernde und zeitintensive Tätigkeit, die viel Erfahrung und Wissen erfordert.

Bei der Verkohlung handelt es sich um eine trockene Destillation: Das Holz wird unter Luftausschluss bei 300 bis 600 Grad in fast reinen Kohlenstoff verwandelt.

Um ihn zu entzünden, steigt der Köhler auf den Haufen und schafft in der Mitte des Meilers eine Glutsäule. Von nun an muss der Köhler den Meiler Tag und Nacht überwachen, damit der Meiler weder erlischt noch in Flammen aufgeht.

Nach zwei bis drei Wochen ist das gesamte Holz verkohlt. Der Köhler verschliesst die Löcher, was zum vollständigen Ersticken der Glut führt. Wenige Wochen später kann er die ausgekühlte Kohle abtragen. Ein Meiler wirft einen Ertrag von sieben Tonnen Kohle ab, was in etwa einem Viertel
 des ursprünglichen Gewichts des Holzes entspricht.

So wird ein Kohlenmeiler aufgebaut

So wird ein Kohlenmeiler aufgebaut

(Bild: zvg)

Im Entlebuch seit dem 18. Jahrhundert


2011 wurde die «Entlebucher Holzköhlerei» in die Liste der immateriellen Kulturgüter des Unesco-­Inventars zur Erhaltung des Weltkulturerbes aufgenommen.

Das Handwerk kam vermutlich im frühen 18. Jahrhundert mit den Glasbläsern aus dem Schwarzwald in die Gegend. Begehrt war die einheimische Holzkohle besonders bei der Industrialisierung und während der beiden Weltkriege.

Erst seit einigen Jahren erfährt die Entlebucher Holzkohle erneut eine grosse Nachfrage und wird in erster Linie als Grillkohle geschätzt. Der Köhlerverband bemüht sich, neue Köhler und Köhlerinnen zu rekrutieren, was jedoch nicht einfach ist. Die nötige Erfahrung und der grosse Zeitaufwand bei der Produktion schrecken viele ab. Zudem ist die Anzahl der potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten beschränkt, braucht es doch auch Zugang zur Ressource Holz, was den Besitz eines Waldstücks voraussetzt.

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