SRF-Fernsehen zu «Hass im Netz»

Huber gegen Spiess-Hegglin: Duell geht in die zweite Runde

Jolanda Spiess-Hegglin im Gespräch mit «Club»-Moderatorin Barbara Lüthi.

 

(Bild: Screenshot SRF)

Am Dienstagabend lud der «Club» zur Diskussion über den «Kampf gegen den Hass im Netz.» Für Sprengstoff war gesorgt: Die beiden Gäste, Jolanda Spiess-Hegglin und JSVP-Präsident Christian Huber, waren schon im Vorfeld aneinander geraten.

«Beschimpfungen, Ehrverletzungen und Morddrohungen. Der Hass im Netz nimmt zu. Die Geschütze der ‹Hater›: Einträge auf Twitter und Facebook. Wer wird Opfer? Was treibt die ‹Hater› an? Und wie bringt man die Internetgemeinde dazu, mit Anstand zu diskutieren?» Diesen Fragen sollte die Gesprächsrunde der SRF-Sendung «Club» auf den Grund gehen.

Geladen waren sechs Gäste, darunter auch der Präsident der Jungen SVP des Kantons Luzern, Christian Huber, sowie Jolanda Spiess-Hegglin, welche sich mit der Plattform «Netzcourage» gegen eben diese sogenannte «Hatespeech» einsetzt. «Hass darf keine politische Färbung haben. Wenn es um Hass im Netz geht, haben wir noch nicht viel erreicht», war die Position, mit der die Zugerin in die Sendung ging. Huber vertrat folgenden Standpunkt: «Das Recht sagt, was strafbar ist und was nicht. Von einem moralischen Standpunkt her goutiere ich aber nicht, wie oft Leute für «Kleinigkeiten» verurteilt werden.»

Der erste Schlagabtausch

Diese beiden Teilnehmer hatten sich im Vorfeld bereits – gelinde gesagt – beschnuppert. Stein des Anstosses war ein Post der Jungen SVP Luzern, in dem sie im Prinzip publik machten, wie man auf Facebook jemanden beleidigen und ungeschoren davonkommen kann. Auch sagte Huber gegenüber zentralplus, Netzcourage verklage Leute systematisch wegen Lappalien, die nach seiner Ansicht eine in der Öffentlichkeit stehende Person aushalten müsse (zentralplus berichtete).

«Hass nimmt einem den Atem».

Jolanda Spess-Hegglin, Zuger Netzaktivistin

Jolanda Spiess-Hegglin machte ihrerseits publik, dass auch Patrick Zibung, Vorstandsmitglied der Jungen SVP, ihre Hilfe angenommen und sich gegen einen Hasskommentar gewehrt hatte. Dass dieses Thema in der Sendung nochmals zur Sprache kommen würde, schien vorprogrammiert.

Auch Studiogast veröffentliche Kommentare gegen Spiess-Hegglin

Die ersten Fragen von Moderatorin Barbara Lüthi gingen denn auch an Jolanda Spiess-Hegglin: Was denn passiere, wenn man solche Hasskommentare lesen müsse. «Es nimmt einem den Atem», sagte sie. Irgendwann stumpfe man allerdings ab, könne es verarbeiten. «Darum setzte ich mich heute für andere ein.» Im Studio ist auch der Unternehmer Bruno Gross, der die Netzaktivistin nach den Vorfällen 2014 ebenfalls im Netz angegangen war.

Insgesamt sechs Gäste diskutieren in der SRF-Sendung über das Thema Hasskommentare.

Insgesamt sechs Gäste diskutieren in der SRF-Sendung über das Thema Hasskommentare.

(Bild: Screenshot SRF)

Gross gab sich an einigen Stellen des Gesprächs geläutert, betont, er habe sich auch privat bei Spiess-Hegglin gemeldet und ihr nahe gelegt, den Vorfall aus der Öffentlichkeit zu nehmen. Wie schon in früheren Gesprächen betonte die Zugerin, dass sie gegen den Medienmotor machtlos gewesen sei.

Das Gespräch schwenkte zu den Frauen, die sehr oft Zielscheibe von Hatespeeches wären. Die Zürcher SP-Politikerin Mattea Meyer warf ein, es herrsche immer noch Patriarchat, starke Frauen würden nach wie vor anecken. Einen Seitenhieb gab’s auch nach rechts: Deren Sündenbock-Politik würde das Ganze befeuern.

Sichtbare Geschlechtsteile als «Einladung» für Kommentare

«Ich kenne die Studien, dass vor allem Frauen Opfer sein sollen», erwiderte der JSVP-Präsident. «Ich habe in meinem Umfeld recherchiert, und dort stelle ich fest, dass es nicht ganz so ist.» Huber prangerte auch einen Kommentar an, in dem er, zwei weitere SVP-Kollegen und ein Mitglied der Jungfreisinnigen bei einer Flyer-Aktion als «arme Würstchen» bezeichnet worden seien.

Und setzte sich mit seiner nächsten Aussage kräftig in die Nesseln: «Bei Männern sind die primären und sekundären Geschlechtsteile nicht sichtbar, bei Frauen schon.» Daher könne es sich mehr anbieten, solche Kommentare abzulassen. «Mutig» fand Anwalt Martin Steiger diese Aussage, auch Meyer wehrte sich vehement. Spiess-Hegglin hingegen hielt sich mit einer Aussage in Richtung Huber und allgemein im Gespräch längere Zeit zurück.

«Bei Männern sind die primären und sekundären Geschlechtsteile nicht sichtbar, bei Frauen schon.»

Christian Huber, Junge SVP Luzern

Hingegen klinkte sie sich ein, als es wieder um Politik ging. «Sind linke Frauen der Hau-den-Lukas der Politik?», fragte Lüthi. Man sei sich eben noch nicht überall gewohnt, dass Frauen eine Meinung hätten. Schnell mache man sich über den Körper lustig, Stichwort Bodyshaming. Herabwürdigungen wie «Schlampe» seien an der Tagesordnung. Im Bezug auf das Bild der BH-Verbrennung vierer Juso-Frauen vor dem Women’s March im letzten Jahr habe sie über 100 Anzeigen eingereicht, sagte Spiess Hegglin.

«Club»-Sendung: Hallo Hater! - Kampf gegen den Hass im Netz

Die Sendung zum Thema Hasskommentare wurde am 13.02. um 22:20 Uhr ausgestrahlt. Mit Moderatorin Barbara Lüthi diskutierten folgende Gäste:

  • Mattea Meyer, Nationalrätin SP/ZH
  • Jolanda Spiess-Hegglin, Geschäftsführerin und Mitbegründerin #NetzCourage
  • Katja Rost, Soziologin Universität Zürich
  • Christian Huber, Informatiker, Präsident Junge SVP Luzern
  • Martin Steiger, Anwalt für Recht im digitalen Raum
  • Bruno Gross, Unternehmer aus dem Kanton Luzern

Gross äusserte sich ebenfalls, da er das Bild kommentiert und «zum Kotzen» gefunden habe. 500 Franken Busse waren die Folge. Während Huber Unverständnis äussert, dass gewisse Kommentare Urteile nach sich zögen, erzählt Spiess-Hegglin, dass die Urteile auch vor Gericht bestätigt worden seien. Hier gerieten die Zugerin und der JSVP-Präsident das erste mal wieder aneinander – er habe Kenntnis von einem Fall, bei dem es nicht zur Verurteilung gekommen sein.

«Zu Anzeigen wird gedrängt»

«Heute formuliere ich meine Aussagen anders» betonte Gross. Auf Nachfrage der Moderatorin bestätigt der Luzerner Unternehmer, dass er es vor allem deshalb tue, um nicht ständig eine Anzeige am Hals zu haben. Unmittelbar danach ging es um die Anzeige von Hasskommentaren gegen die eigene Person – vor allem seitens Politikern.

Das Duell zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und Christian Huber ging im «Club» in die zweite Runde.

Das Duell zwischen Jolanda Spiess-Hegglin und Christian Huber ging im «Club» in die zweite Runde.

(Bild: Screenshot SRF)

«Es wird dazu gedrängt», provozierte Huber. Und berief sich damit auf Patrick Zibung. Dem Vorstandsmitglied war von Netzcourage nahegelegt worden, einen gehässigen Kommentar auf seinem Konto zur Anzeige zu bringen. Eine Hilfeleistung, findet Spiess-Hegglin, während Huber auf dem Drängen beharrt. Überhaupt war es vor allem der Informatiker, der immer wieder mit anderen Sichtweisen aufwartete und zu provozieren vermochte. Die restliche Gesprächsrunde, so schien es, war sich mehr oder weniger einig.

Wo ist die Grenze?

Das Duell zwischen Huber und Spiess-Hegglin ging in eine nächste Mini-Runde, als es um die Grenzen der Post-Inhalte ging. Auf die Frage von Moderatorin Lüthi gab sich Huber überzeugt, mehr vertragen zu können als die Netzcourage-Geschäftsführerin. Bei Androhung von Mord und Vergewaltigung sei der Fall klar. Fast alles andere aber müssten Politiker ertragen können.

Im Lichte dessen, dass sich Huber über den «Würstchen»-Post echauffierte, mutet dies allerdings etwas fragwürdig an. Freilich sah Spiess-Hegglin den Sachverhalt anders – sehr viele Kommentare seien schon ehrverletzend, nicht wenige hätten auch ein Vorgeschichte.

«Eine fruchtbare Diskussion»: Jolanda Spiess-Hegglins Fazit auf Facebook:

Tipps vom Experten

Trotz den kurzen Wortgefechten mit JSVP-Kadermann Christian Huber wirkte die Zugerin durch das Gespräch ruhig und überlegt, teilweise fast etwas zurückhaltend. Obwohl klar war, dass sie und Huber wohl keine Freunde mehr werden.

Ein zugeschalteter Experte gab gegen Ende Tipps, wie man mit einem Shitstorm umgehen soll. Am besten soll man diesen mal abwarten und erst dann handeln. Das habe Spiess-Hegglin aber nicht getan, wendete sich Lüthi an die Zugerin. Diese räumte ein, zu bald reagiert zu haben – heute rate sie Opfern von Shitstorms, abzuwarten oder sogar den Account abzugeben.

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