Klatsche für die Baudirektion der Stadt Luzern

Hostel Lion Lodge an der Steinenstrasse darf nicht abgerissen werden

Fanden beim Kantonsgericht Gehör: Monika Senn, Marcel Etterlin und Fix Elsasser vom Verein Pro Steinenstrasse. (Bild: bic)

Die städtische Baudirektion hat den Abbruch eines historischen Gebäudes bewilligt, ohne sauber abzuklären, ob eine Sanierung möglich und zumutbar wäre. Das Kantonsgericht Luzern hat eine Beschwerde von Anwohnern deshalb gutgeheissen. Vom Tisch ist das Projekt aber deshalb noch nicht.

Die Steinenstrasse – direkt hinter der viel befahrenen Zürichstrasse gelegen – ist ein besonderer Ort (zentralplus berichtete). Die zweihundert Meter lange Häuserzeile gehört zum ehemaligen Arbeiterquartier und hat einen Charme gleichsam eines «kleingewerblichen Hinterhofs», wie es die Denkmalpflege einst formulierte. Entstanden ist sie zwischen 1876 und 1890, der Name der Strasse erinnert an die zahlreichen Steinbrüche, die es dort einst auf beiden Seiten des Taleinschnitts gab.

Das mediterrane Flair und die Idylle sehen zahlreiche Anwohner nun aber gefährdet. Die Besitzer des untersten Gebäudes – an der Steinenstrasse 2 – wollen das Restaurant Masala, früher «Widder», abreissen und durch einen grösseren Hotelneubau ersetzen (zentralplus berichtete).

«Wir wollen nicht zum Ballenberg werden»

Dagegen regte sich massiver Widerstand. Anwohner schlossen sich zusammen, um die Abbruchbewilligung der Stadt anzufechten (zentralplus berichtete). Zudem sammelten sie über 1700 Unterschriften zum Erhalt der Steinenstrasse (zentralplus berichtete).

Vor dem Kantonsgericht machten die Anwohner geltend, es sei gar nie geprüft worden, ob das Gebäude erhalten werden könnte. Und wenn ja, wie viel das kosten würde. Mit dieser Argumentation hatten sie nun Erfolg vor dem Kantonsgericht Luzern. Dieses hebt die Abbruchbewilligung auf, welche die Stadt Luzern erteilt hatte.

«Wir befürchten, dass die Liegenschaft in nächster Zeit derart vernachlässigt wird, dass eine Sanierung irgendwann tatsächlich nicht mehr zumutbar sein könnte.»

Monika Senn, Verein Pro Steinenstrasse

Dass das Gericht nun genau diese Punkte als entscheidend erachtet, nimmt man bei den Einsprechern entsprechend mit Freude zur Kenntnis, wie Monika Senn vom Verein Pro Steinenstrasse sagt. Für den Entscheid der Stadt hat sie folglich wenig Verständnis und äussert scharfe Kritik an die Adresse der Baudirektion: «Da weder eine Sanierungsvariante vorliegt, noch eine Kostenschätzung eingereicht wurde, konnte ja gar nicht beurteilt werden, ob der Bauherrschaft eine Sanierung zugemutet werden kann beziehungsweise aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt wäre.»

Auf den Lorbeeren dürfe man sich trotz des Erfolgs vor dem Kantonsgericht indes noch lange nicht ausruhen, mahnt Senn zur Vorsicht. «Wir befürchten, dass die Liegenschaft in nächster Zeit derart vernachlässigt wird, dass eine Sanierung irgendwann tatsächlich nicht mehr zumutbar sein könnte.» Dabei denkt sie auch an die Bodum-Villen an der Obergundstrasse, die aktuell dasselbe Schicksal ereile. Senn hofft deshalb, dass die Politik nun aktiv wird.

Sollte der Fall nun beispielsweise vor Bundesgericht gezogen werden, wollen die Anwohner ein Crowdfunding lancieren, um die Prozesskosten zu stemmen. Einen Neubau als wollen sie auf jeden Fall verhindern. Denn die Lebensqualität an der Steinenstrasse sei durch eine verstärkte touristische Nutzung in Gefahr. «An den Abenden sitzen wir oft vor unseren Häusern und beleben so die Strasse. Wir wollen aber nicht, dass dereinst permanent Touristen durch die Strasse laufen und uns mit ihren Smartphones wie im Ballenberg fotografieren oder filmen», sagt Senn.

Ist ein Abbruch im nationalen öffentlichen Interesse?

Die Steinenstrasse ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz aufgeführt. Das heisst: Alle Bauten müssen erhalten bleiben. Davon abgewichen werden darf gemäss Kantonsgericht grundsätzlich nur, wenn dem Erhalt «gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen».

Vorliegend liegt der Neubau primär im privaten Interesse des Besitzers, der aus seinem Hostel Lion Lodge ein Mittelklasse-Hotel machen möchte. Deswegen einen Abbruch zu bewilligen, ist eigentlich gar keine Option.

Stadt findet: Sanierung ist nicht zumutbar

Entscheidend ist gemäss Gericht deshalb die Frage, ob das Gebäude überhaupt saniert werden könnte. Wenn es sich bei einem Gebäude um eine Bauruine handelt, die ohnehin nicht erhalten werden kann, ist ein Abbruchverbot hinfällig.

Das dürfte vorliegend aber nicht der Fall sein. Mehrere Experten kamen zum Schluss, dass eine Sanierung des Hauses durchaus möglich, aber mit sehr hohem Aufwand verbunden sei. Die städtische Baudirektion kam deshalb zum Schluss, dass ein Erhalt des Gebäudes «unzumutbare finanzielle Folgen» für die Besitzer hätte.

Tatsächlich ist gemäss des Bau- und Zonenreglements (BZR) ein Abbruch der denkmalgeschützten Gebäude zulässig, wenn die Kosten für die Sanierung im Vergleich zu den Neubaukosten unverhältnismässig wären.

Wenig überraschend sieht man diesen Sachverhalt beim Verein Pro Steinenstrasse ganz anders: «Es kann doch nicht sein, dass privates Interesse an einer Rendite in den Vordergrund rückt und ohne nähere Abklärungen eine Abrissbewilligung erteilt wird», moniert Senn. Zumal der Schutz des Ortsbildes in Artikel 17 der Bau- und Zonenordnung demokratisch festgesetzt worden sei.

Kantonsgericht hebt die Abbruchbewilligung auf

Die Krux liegt im Wesentlichen also darin, dass gar keine konkreten Zahlen vorliegen, wie viel eine Sanierung überhaupt kosten würde. Klar ist nur: Für den Neubau rechnen die Besitzer mit sechs Millionen Franken. Die Kosten für eine Sanierung sind unklar, in den Akten liegt lediglich eine Schätzung aus dem Jahr 2012 vor, welche 2,8 Millionen dafür veranschlagt.

Die Baudirektion hat von vornherein angenommen, dass eine Sanierung unverhältnismässig wäre. «Zu einer solchen Kostenaufstellung – allenfalls verschiedener Sanierungsvarianten – wäre die Bauherrin aber verpflichtet gewesen», heisst es im Urteil des Kantonsgericht. Die Stadt hat die Abbruchbewilligung demnach in «unzulässiger Weise» erteilt. Mit deren Aufhebung falle auch das bewilligte Neubauprojekt dahin.

Stadt war zum zweiten Mal voreilig

Es ist nicht das erste Mal, dass die städtische Baudirektion den Abriss eines historischen Gebäudes zu Unrecht bewilligt hat. Die gleiche Erfahrung machte sie bereits mit dem Gebäude an der Haldenstrasse 41.

Die Schweizerische Hotelfachschule wollte das ehemalige Personalhaus aus den 70er-Jahren abreissen und für 26 Millionen Franken durch einen Neubau ersetzen. Die Stadt stimmte zu, das Kantonsgericht lehnte ab. Grund: Auch dieses Gebäude befindet sich in der Ortsbildschutzzone B.

Diese beiden Gebäude an der Steinenstrasse 2 sollten einem Neubau weichen. (Zvg) (Bild: zvg)
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 10.02.2020, 11:12 Uhr

    Bei den geschützten Bodum-Villen, die vorsätzlich dem Verfall preisgegeben sind, macht man demonstrativ nichts, dafür sollen schutzwürdige Häuser husch-husch abgerissen werden, damit der Besitzer den grossen Reibach macht. Schliifts eigentli? An die Spitze der Baudirektion gehört dringend eine fähige Person!

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon