Luzern sagt Nein zu CVP-Vorstoss

Hooligans: zur Abschreckung länger in den Knast?

Starke Polizeikräfte begleiten den Abzug der FCZ-Fans durch die Voltastrasse letzten Sommer. Nach diesem Spiel gabs heftige Krawalle – sechs Beteiligte konnten nun verurteilt werden. (Bild: zvg.)

Weder notwendig noch gesetzeskonform: Die Luzerner Regierung lehnt einen Anti-Hooligan-Vorstoss der kantonalen CVP ab. Die Partei wollte Gewalttäter länger in Haft halten als bislang erlaubt. Doch für die CVP ist die Sache noch nicht gelaufen.

Polizei und Justiz müssen härter gegen Hooligans durchgreifen. Dazu brauchen sie mehr Kompetenzen, denn die heutigen Möglichkeiten sind ungenügend. Dieser Meinung ist die CVP-Fraktion des Kantonsrates. In einem Ende April von Serge Karrer und 31 weiteren Kantonsräten (unter anderem der Luzerner Stadtpräsident Stefan Roth sowie VBL-Chef Norbert Schmassmann) eingereichten Postulat fordern die Politiker speziell eine Massnahme: Heute dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft Leute, die etwa an Fussballspielen des FC Luzern randaliert haben, für maximal 48 Stunden einsperren. Diese Frist soll laut CVP auf 72 Stunden verlängert werden. Damit habe die Polizei mehr Zeit etwa für die aufwendige Video- und Fotauswertung. Weiter sollen die gesetzlichen Rechte der Angeklagten gemäss CVP eingeschränkt werden.

Nicht umsetzbar

Doch die Luzerner Regierung hält von den CVP-Vorschlägen laut der diesen Dienstag veröffentlichten Antwort gar nichts. «Eine Einschränkung der prozessualen Rechte und eine Ausdehnung der Festhaltedauer auf 72 Stunden ist weder notwendig noch entspricht sie übergeordnetem Recht», hält die Regierung kurz und bündig fest. Das Postulat sei nicht umsetzbar und müsse abgelehnt werden.

Die Regierung verweist auf diverse, in letzter Zeit eingeführte neue Änderungen im Kampf gegen Gewalt an Fussballspielen. Alleine das Hooligankonkordat I und II würde ein Bündel an zusätzlichen Massnahmen bieten. Bezüglich der 72-Stunden-Forderung zeigt die Regierung die gesetzlichen Rahmenbedingungen detailliert auf:

  • Demnach darf eine Person gemäss Strafprozessordnung während maximal 24 Stunden durch die Polizei festgehalten werden.
  • Danach ist sie entweder freizulassen oder – wenn Gründe für eine Untersuchungshaft bestehen – in die Hände der Staatsanwaltschaft zu übergeben.
  • Die Staatsanwaltschaft ihrerseits hat innerhalb von 48 Stunden seit der Festnahme dem Zwangsmassnahmengericht einen Antrag auf Untersuchungshaft zu stellen. 
  • Das Zwangsmassnahmengericht hat spätestens innerhalb 48 Stunden seit dem Eingang des Hanftantrages über die U-Haft zu entscheiden.
  • Diese Regelung stellt sicher, dass eine Festnahme bis zu 96 Stunden rechtlich möglich ist.
  • Spätestens 96 Stunden nach der Verhaftung muss aber ein Gericht über die Rechtmässigkeit der Festnahme entscheiden.

 

Diese Höchstdauer von 96 Stunden ergibt sich laut Regierung aus den Vorgaben der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daran müsse sich auch der Kanton Luzern halten.

Und was sagen die CVP-Initianten zur Antwort der Regierung? Der Erstunterzeichner Serge Karrer, Hitzkircher Gemeindepräsident, wurde bei den kantonalen Wahlen diesen März abgewählt. Die Mitunterzeichner VBL-Chef Norbert Schmassmann und Stadtpräsident Stefan Roth mochten sich gestern nicht dazu äussern. Stellung nahm dafür CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer. Zwar habe man die Regierungsantwort innerhalb der Fraktion noch nicht besprechen können. «Tendenziell muss ich aber festhalten, dass wir die entsprechende Gerichtspraxis hinterfragen und die gesetzlichen Grundlagen allenfalls so ändern, dass eine längere Haftdauer möglich ist.»

Forderung soll abschrecken

Die Forderung, Hooligans länger als 48 Stunden in Haft nehmen zu können, ist alles andere als neu. Meist nach gewalttätigen Auseinandersetzungen an Fussballspielen und/oder vor Wahlen ärgern sich Politiker, warum Polizei und Justiz nicht härter gegen diese kleine gewalttätige Gruppe vorgehen. Mit einer längeren Haftdauer, so eine weitere Hoffnung, müssten Hooligans oft auch den Montag im Gefängnis absitzen. Weil sie das gegenüber ihren Arbeitgebern in die Bredouille bringen würde, sehen sich viele darin auch eine abschreckende Wirkung. Doch diese 72-Stunden-Forderung wurde in den letzten Jahren stets von den verantwortlichen Behörden abgelehnt. Immer mit der genau gleichen Begründung, wie sie nun auch die Luzerner Regierung vorbringt – teils sogar im selben Wortlaut.

Staatsanwälte wollten längere Haft

So hätten sich die Luzerner CVP-Kantonsräte auch in Erinnerung rufen können, was der Bundesrat 2013 der Luzerner CVP-Nationalarätin Ida Glanzmann-Hunkeler zu diesem Thema geantwortet hat. Schon Glanzmann hatte die exakt gleiche Forderung nach einer 72-Stunden-Frist gestellt. «Das Begehren der Motion ist nach Auffassung des Bundesrates nicht nötig, vor allem aber widerspricht es übergeordnetem Recht und ist deshalb abzulehnen», antwortete der Bundesrat.

Und weiter: «Würde die Frist, während welcher die Polizei jemanden festhalten darf, um 48 Stunden von 24 auf 72 Stunden verlängert, so würde die gerichtliche Prüfung erst nach sechs Tagen erfolgen.» Dies würde der Europäischen Menschrechtskonvention widersprechen. Zudem hält auch der Bundesrat die für Polizei und Staatsanwaltschaft heute zur Verfügung stehenden maximal 48 Stunden für ausreichend.

Längere Haftzeiten hatte sich anfangs 2014 freilich auch die Schweizerische Staatsanwälte Konferenz (SSK) gewünscht. Doch die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) gab den Staatsanwälten einen Korb. Die Begründung war dieselbe wie jene des Kantons Luzern und des Bundes: nicht nötig, nicht gesetzeskonform.

Detektive filmen Fussballfans

Im Kampf gegen Gewalttäter an Fussballspielen setzte der Kanton Luzern schweizweit als erster auf die öffentliche Fahndung mittels Videobildern. Gefilmte Chaoten, denen die Justiz ein grobes Vergehen vorwirft, werden verpixelt online gestellt. Wer sich nicht innerhalb einer bestimmten Frist meldet, wird unverpixelt präsentiert. Dieses Instrument ist ziemlich erfolgreich und wurde von diversen anderen Kantonen übernommen. Allerdings ist das Filmen von ganzen Gruppen in der Öffentlichkeit aus Datenschutzgründen nicht unumstritten.

Trotzdem hat die Schweizerische Fussballiga (SFL) diesen März ein Pilotprojekt gestartet, das ebenfalls auf Videoüberwachung basiert: Detektive filmen mit hochauflösenden Kameras noch bis Ende Saison, also Ende Mai, an Risikospielen die Fans im Stadion und, je nach Bewilligung der Behörden, auch ausserhalb. Schon über 30 Gewalttäter konnten dank des auf diese Weise viel besseren Bildmaterials ermittelt werden. Auch in Luzern liess die SFL schon filmen. Ob das Projekt weiter geführt wird, ist noch unklar.

Bedenken kamen diesbezüglich etwa vom linken Stadtzürcher Polizeivorsteher Richard Wolff. Offene und verdeckte Überwachung mittels Audio- und Videogeräten sei grundsätzlich Aufgabe der Polizei. Zwar sei Filmen auf öffentlichem Grund an sich nicht bewilligungspflichtig. «Ob auch Private gezielt für Zwecke der Strafverfolgung verdeckte Aufnahmen auf öffentlichem Grund machen sollen, erscheint fraglich», sagte Wolff kürzlich im «Tages Anzeiger». Ferner sei zu bedenken, dass private Kamerateams, wie nun via der SFL, im Gegensatz zur Polizei «keiner politischen Kontrolle unterstehen».

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