Konversionstherapien haben schwerwiegende Folgen

Homosexuelle umpolen? Luzern wird zu Verbot aufgefordert

Konversionstherapien haben zum Ziel, homosexuelle Menschen zu heterosexuellen «umzupolen». (Bild: Robert V. Ruggiero/Unsplash)

Homosexuelle Neigungen zu heterosexuellen machen: Seelsorgerinnen und Heiler bieten sogenannte Konversionstherapien an, um Homosexuelle «umzupolen». Nun fordert ein Luzerner Kantonsrat ein Verbot.

Stell dir vor, jemand sagt dir, es sei eklig, dass du als heterosexuelle Frau auf Männer stehst. Das sei einfach nur krank. Aber dass man dieses Problem beheben könne. Therapieren. Heilen. Oder eben «umpolen».

Sätze wie diese fallen bei Heterosexuellen wohl nie. Solche Konversionstherapien gibt es aber. Sie haben zum Ziel, Homosexuelle zu Heterosexuellen «umzupolen». Diese Behandlungen sind höchst umstritten, zumal Homosexualität ja keine Krankheit ist und keiner Therapie bedarf. Dennoch dürften sie in der Schweiz nach wie vor zum Einsatz kommen.

Lange Zeit wurde Homosexualität als psychische Störung missverstanden. 1991 – also vor 30 Jahren – wurde Homosexualität als «psychische Störung» gemäss Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen.

In Frankreich gibt's zwei Jahre Haft für Konversionstherapien

Noch länger dauerte es bei der WHO, Trans-Menschen nicht mehr als «psychisch krank» zu klassifizieren. Die WHO verkündete erst 2018, dass sie Transsexualität von der Liste psychischer Erkrankungen streichen wolle. Der ICD-11 trat 2022 in Kraft.

In der Schweiz besteht bislang kein Verbot von Konversionstherapien. Wer solche Behandlungen anbietet, kann auch nicht strafrechtlich verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden.

Anders als beispielsweise in Frankreich. Jüngst wurden die Strafen für sogenannte Konversionstherapien verschärft. Das französische Parlament hat just an diesem Dienstag ein Gesetz verabschiedet.

Nach diesem werden diese Praktiken künftig mit mindestens zwei Jahren Haft und 30'000 Euro Geldstrafe bestraft. In Deutschland sind Konversionstherapien seit 2020 verboten.

Luzerner GLP-Kantonsrat Mario Cozzio fordert Verbot

Auch in der Schweiz gibt es Bestrebungen, Konversionstherapien zu verbieten. Das Parlament des Kantons Genf hat im März 2021 einen entsprechenden Vorstoss gutgeheissen und ihn damit an die Genfer Regierung überwiesen.

Im Kanton Basel-Stadt haben zwei Grossstadträte mit ihrem Vorstoss, eine Standesinitiative betreffend ein Verbot auf Bundesebene einzureichen, eine Mehrheit im Grossen Rat gewonnen. Auch die Basler Regierung hat sich kürzlich für die Initiative ausgesprochen.

«Dass solche Konversionstherapien angeboten werden, ist beschämend, traurig und auf Deutsch gesagt einfach eine Sauerei.»

Mario Cozzio, Luzerner GLP-Kantonsrat

Und nun macht sich auch der Luzerner Kantonsrat Mario Cozzio (GLP) für ein Verbot von Konversionstherapien stark. Schon im letzten Juni hat er eine Anfrage zum Thema eingereicht – bereits mit dem Hintergedanken, diese fragwürdigen Therapien verbieten zu wollen. Das sagt Cozzio auf Anfrage.

In seiner Stellungnahme vom Oktober 2021 schreibt die Regierung: «Unser Rat wird die Entwicklungen auf Bundesebene weiter beobachten und sich für die Verurteilung von Konversionstherapien als menschenrechtsverletzende Handlungen einsetzen.»

Homosexuelle therapieren? Vermutlich auch in Luzern

Nun reichte Cozzio diese Woche eine Motion ein. Mit dieser fordert er den Regierungsrat auf, beim Bund eine Kantonsinitiative betreffend ein Verbots einzureichen. «Diese Therapien sind für betroffene Personen höchst traumatisierend», schreibt Cozzio darin.

«Die Therapien haben zum Ziel, den Betroffenen Schuldgefühle aufzubürden, was viele in die Verzweiflung treibt.» Jugendliche seien dabei besonders verletzlich. Durch selbsternannte Heilerinnen könnten Jugendliche in psychische Krisen bis hin zu Depressionen und Suizid stürzen.

«Wenn man davon ausgeht, dass in evangelischen beziehungsweise katholischen Kreisen Homosexuelle therapiert werden, so müssen wir auch davon ausgehen, dass Konversionstherapien in einem konservativen Kanton wie Luzern durchgeführt werden», sagt Cozzio.

«Bestenfalls soll das Verbot bewirken, dass Heilerinnen und Heiler, die solch mittelalterliche und verwerfliche Praktiken anbieten, strafrechtlich verfolgt werden können.»

Mario Cozzio

So hielt auch die Regierung in der früheren Stellungnahme auf die Anfrage fest: Der kantonalen Aufsichtsbehörde –der Dienststelle Gesundheit und Sport – seien zwar keine konkreten Fälle bekannt. «Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass Konversionstherapien auch im Kanton Luzern durchgeführt werden, da kaum Werbung dafür gemacht wird und die ‹Behandlungen› in einem abgeschlossenen Umfeld stattfinden.»

Auch eine neue Recherche von «SRF»-Reporter Livio Chistell bringt ans Licht, dass Seelsorgerinnen und Berater aus evangelischen Kreisen Homosexuelle therapieren. Mit einem Decknamen und versteckter Kamera zog Chistell los. Zu Menschen, die ihn von seiner Homosexualität «befreien» würden.

So fragte ihn eine Frau – keine studierte Psychologin – ob in seiner Kindheit ein Missbrauch stattgefunden habe. Unbewusst könne eine Abneigung gegen das andere Geschlecht entstehen. Sie könne sein «Problem aufarbeiten». Für rund 10 Sitzungen à 100 Franken.

Die Forderung Cozzios trifft auf breite Unterstützung

«Dass solche Konversionstherapien angeboten werden, ist beschämend, traurig und auf Deutsch gesagt einfach eine Sauerei», so Cozzio. «Mir geht es darum, dass sich Betroffene, die während oder nach solchen Konversionstherapien an psychischen Folgen leiden, rechtlich wehren können. Bestenfalls soll das Verbot bewirken, dass Heilerinnen und Heiler, die solch mittelalterliche und verwerfliche Praktiken anbieten, strafrechtlich verfolgt werden können.»

Cozzios Motion erhält breite Unterstützung im Kantonsrat. Mehr als 70 Mitglieder – und damit über die Hälfte des Parlaments – hat die Motion mitunterzeichnet. Cozzio spricht von einem «Meilenstein im konservativen Kanton(srat)». «Für mich gibt es kein einziges Argument, das gegen ein Verbot von Konversionstherapien spricht.»

GLP-Kantonsrat Mario Cozzio setzt sich für die Rechte der LGBTQ-Community ein. (Bild: zvg)
Verwendete Quellen
  • Anfrage Mario Cozzio über Konversionstherapien im Kanton Luzern vom 21. Juni 2021
  • Antwort der Regierung auf die Anfrage von Mario Cozzio vom 22. Oktober 2021
  • Motion Mario Cozzio über eine Kantonsinitiative zum Verbot von Konversionstherapien
  • «SRF»-Selbstversuch: Umpolung von Homosexuellen «Jesus, ich löse mich von gleichgeschlechtlicher Liebe»
  • Medienbericht «Zeit Online» vom 26.01.2022: Frankreich will Konversionstherapien strenger bestrafen

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Rico
    Rico, 30.01.2022, 19:51 Uhr

    Wo ist das Problem? Die welche die Therapie machen wollen, sollen das dürfen. Man darf sich ja auch unters Messer legen und Umpolen lassen! Hier sind einfach einmal mehr wieder die Woken Schaumschläger unterwegs…

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