An die Pendlerströme angepasste Vorlesungszeiten

Hochschule bewegt sich, die SBB applaudieren

Pendler im Bahnhof Rotkreuz: Die Studierenden der HSLU fahren neu in den Nebenverkehrszeiten.

(Bild: mbe.)

Die Hochschule Luzern passt ihre Unterrichtszeiten in Rotkreuz den SBB-Bedürfnissen an. Mit späteren Vorlesungszeiten will man den heillos überfüllten Zügen auf der Strecke Luzern–Zürich entgegenwirken. Die SBB freuen sich über die Luzerner Pionierrolle und sprechen von einem «Gewinn für alle». Doch dieser ist eher einseitig verteilt.

Dass es zu den Hauptverkehrszeiten ein Kapazitätsproblem des öffentlichen Verkehrs gibt, ist unbestritten. Die Züge zwischen Luzern, Zug und Zürich sind wochentags proppenvoll. In den Stosszeiten morgens und abends sind neben Berufstätigen auch viele Schüler und Studierende unterwegs. In Nebenverkehrszeiten sind aber nur 30 Prozent der Plätze besetzt. Irgendjemand muss sich deshalb bewegen, damit sich etwas ändert. Das ist in diesem Fall eine wichtige Bildungsinstitution der Zentralschweiz.

«Unsere Studierenden finden freie Sitzplätze, können in Ruhe lernen und sich auf die Vorlesungen vorbereiten.»
René Hüsler, Direktor Departement Informatik der HSLU

Wie man an einer gemeinsamen Medienorientierung von HSLU und SBB erfuhr, hat das neue Departement Informatik der Hochschule Luzern im Campus Rotkreuz seine Vorlesungen in die Nebenverkehrszeiten verlegt (zentralplus berichtete). Die Vorlesungen beginnen morgens erst ab 9 Uhr und enden gestaffelt um 11.25, 15.20, 18 oder 20.55 Uhr. Die Studierenden müssen – und sollten – also nicht mehr in den Hauptverkehrszeiten pendeln. Laut René Hüsler, Direktor des Departements Informatik sind die neuen Vorlesungszeiten «ein Nutzen für die Studierenden». «Sie finden freie Sitzplätze in den Zügen, können in Ruhe lernen und sich auf die Vorlesungen vorbereiten.»

Das Departement Informatik habe die Blockzeiten der Studierenden in Rotkreuz ausserdem so ausgerichtet, dass ein Transfer mit dem öV zu den weiteren Studienorten in Horw und Luzern oder umgekehrt problemlos möglich sei.

Gemeinsame Pressekonferenz: V.l. René Hüsler von der Hochschule Luzern, Kathrin Amacker, Konzernleitungsmitglied SBB und der Zuger Regierungsrat Matthias Michel.

Gemeinsame Pressekonferenz: V.l. René Hüsler von der Hochschule Luzern, Kathrin Amacker, Konzernleitungsmitglied SBB und der Zuger Regierungsrat Matthias Michel.

(Bild: mbe.)

Lob von SBB-Konzernleitung

Von Kathrin Amacker, Konzernleitungsmitglied der SBB, wird die HSLU dafür über den Klee gelobt. Die HSLU nehme damit «eine Vorreiterrolle unter den Schweizer Bildungsinstitutionen ein». Für die SBB habe die Lösung nur Vorteile: Während der Hauptverkehrszeiten sei die Strecke Luzern–Zug–Zürich weniger stark belastet. «Wir hoffen, dass weitere Schulen dem Beispiel folgen werden», so Amacker.

«Wir hoffen, dass weitere Schulen dem Beispiel folgen werden.»
Kathrin Amacker, Konzernleitungsmitglied SBB

Die SBB-Vertreterin präsentierte auch eine gesamtschweizerische Studie dazu, die gezeigt habe, dass gestaffelte Vorlesungszeiten einen positiven Effekt auf die Pendlerspitzen haben. 2014 waren 194′000 Studierende an den zehn grössten Schweizer Hochschulen eingeschrieben. Wenn die Schulen ihre Zeiten anpassten, würden 18′500 Studierende ausserhalb der Hauptverkehrszeiten zwischen 7 und 8 Uhr reisen.

Die SBB betiteln dieses Modell als einen «Gewinn für alle». Doch was schaut eigentlich für die HSLU und seine Studierenden heraus, wollte zentralplus wissen. Bekommen die Studis günstigere Abos oder Billette? Nichts Materielles, musste Amacker einräumen. Sie wies auf die allgemeinen Sparbillette der Bahn hin. Und auch der zweite Schnellzug Zürich-Luzern hält weiterhin nicht in Rotkreuz.

Folgt Kanton Zug dem Beispiel HSLU?

Die SBB wollen auch Arbeitgeber motivieren, dass ihre Mitarbeiter vermehrt in der Nebenverkehrszeit pendeln, und nennen dies Work Smart Initiative; 50 Prozent der Erwerbstätigen könnten ortsunabhängig arbeiten. Der Zuger Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel (FDP) ist für den öffentlichen Verkehr zuständig und war ebenfalls anwesend.

Auf eine Frage, ob der Kanton als Arbeitgeber nicht ebenfalls seine Arbeitszeiten auf den Zugfahrplan ausrichten könnte, antwortete Michel mit Nein. Die Ämter in Zug könnten nicht einfach später aufmachen. Man müsse auf die Kundenbedürfnisse Rücksicht nehmen.

«Die Ämter in Zug können nicht einfach später aufmachen.»
Matthias Michel, Zuger Volkswirtschaftsdirektor

Doch laut Matthias Michel gibt es auch im Kanton Zug ähnliche Bestrebungen, öffentliche Verkehrsmittel in Stosszeiten teilweise zu entlasten. Konkret geht es um einen Bus, der die Schüler morgens zur Kantonsschule in Menzingen fährt. Laut Michel hat die Schule die Unterrichtszeiten so gestaltet, dass nicht mehr alle Lektionen gleichzeitig anfangen. Dadurch brauche es auch nicht mehr zwei Busse zu Stosszeiten, sondern nur noch einen. «Das ist jedoch keine Sparmassnahme im Entlastungspaket», stellt Michel klar.

Michel meinte zum Projekt der SBB und der HSLU, den öffentlichen Verkehr in den Hauptverkehrszeiten zu entlasten, Zug gebe damit den Takt vor. «Schnelle Abhilfe und einfache Rezepte gibt es da nicht. Neue Ausbauten sind meist zeit- und kostenintensiv.» Es seien deshalb Ansätze gefragt, welche die bestehende Infrastruktur besser nützten und die den Verkehr entlasteten, ohne die Infrastruktur ausbauen zu müssen, so Michel. «Das Brechen der Verkehrsspitzen ist eine solche Alternative.»

HSLU erwartet 3750 Personen in Rotkreuz bis 2019  

Das Departement Informatik der HSLU hat Daten zum Wohnort und zum Arbeitsweg der Studierenden und Mitarbeiter erhoben. Es sind rund 1000 Personen. Momentan zählt man 522 Bachelor- und Master-Studenten, 400 Studenten besuchen eine Weiterbildung und 100 sind Mitarbeiter der Hochschule. 50 Prozent wohnen in der Zentralschweiz, die andere Hälfte nicht. 80 Prozent reisen mit dem öffentlichen Verkehr nach Rotkreuz, 15 Prozent mit Auto oder Motorrad und 5 Prozent mit dem Fahrrad.

Ab 2019, wenn Teile des Departements Wirtschaft nach Rotkreuz ziehen und der neue Campus im Suurstoffi-Areal realisiert ist, rechnet man mit einer Verdreifachung der Zahlen: Die HSLU prognostiziert 3500 Studierende und rund 250 Mitarbeiter, die auf dem Suurstoffi-Areal ein- und ausgehen werden.

René Hüsler, der Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern. Hüsler betont den Nutzen der neuen Vorlesungszeiten für die Studierenden. Sie fänden einen Sitzplatz in Zug und hätten mehr Ruhe, was sich positiv aufs Lernen auswirke.

René Hüsler, der Direktor des Departements Informatik der Hochschule Luzern. Hüsler betont den Nutzen der neuen Vorlesungszeiten für die Studierenden. Sie fänden einen Sitzplatz in Zug und hätten mehr Ruhe, was sich positiv aufs Lernen auswirke.

(Bild: mbe.)

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