Luzerner Regierung lehnt Pflegeinitiative ab

Hilfe statt Steuerrabatt für pflegende Angehörige

Für ältere Menschen sind Hitzetage eine Herausforderung und teilweise eine gesundheitliche Bedrohung. (Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA) (Bild: Symbolbild: Emanuel Ammon/AURA)

Die Luzerner Regierung spricht sich gegen die kantonale «Privatpflege-und Betreuungsinitiative» der CVP aus. Der geforderte Steuerabzug sei der falsche Weg, um die unbezahlte Arbeit zu würdigen. Der Kanton Luzern spielt den Ball nach Bundesbern weiter. Die CVP spricht von «Pflästerli-Politik».

Wer seinen gebrechlichen Vater, seine demente Schwester oder sein krankes Kind betreut, soll steuerlich begünstigt werden. Das verlangt die Luzerner CVP mittels einer kantonalen Initiative. Personen, die hilfsbedürftige Menschen pflegen, sollen demnach jährlich 5000 Franken vom Einkommen abziehen können.

Das hält der Luzerner Regierungsrat jedoch für den falschen Ansatz, um diese gesellschaftlich wichtige Arbeit zu honorieren. Er lehnt die Forderung ohne Gegenvorschlag ab, wie er am Dienstag publik macht.

Anerkennung für das Engagement

Die CVP begründete ihre Initiative damit, dass die private Pflege und Betreuung mehr geschätzt werden müsse. Der Steuerrabatt war als Belohnung für jene gedacht, die sich – vielfach nebst dem Beruf – noch um Verwandte kümmern. Zumal dies die öffentliche Hand um mehrere Millionen Franken im Jahr entlastet. Die Initiative wurde kurz vor dem Wahljahr, im Herbst 2018, lanciert (zentralplus berichtete).

Der Regierungsrat teilt die Meinung, dass die freiwillige Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen wertvoll ist und grosse Anerkennung verdient. «In vielen Fällen ist die unentgeltliche Pflege und Betreuung die ideale Lösung für pflegebedürftige Personen oder eine sinnvolle Ergänzung und Unterstützung für die Pflege durch professionelle Organisationen», so die Regierung.

Zur Wertschätzung ihrer Arbeit führt der Kanton Luzern jährlich einen Anlass für pflegende Angehörige durch. (Bild: zvg)

Allerdings werde Freiwilligenarbeit nicht nur in der Pflege und Betreuung geleistet, sondern beispielsweise auch im Kultur- und Sportbereich oder in der Jugendarbeit. «Der Regierungsrat vertritt die Meinung, dass es nicht gerecht ist, Freiwilligenarbeit im Fall der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen mit einem Steuerabzug zu honorieren, während in den übrigen Fällen kein Steuerabzug geltend gemacht werden kann.» 

Er befürchtet zudem, dass das bereits «hochkomplexe Steuersystem» noch komplizierter würde. Die möglichen Ausfälle bei einem Ja zur CVP-Initiative werden auf 4,7 Millionen Franken für den Kanton und 4,9 Millionen Franken für die Gemeinden geschätzt.

Entlastung sei wichtiger als ein finanzieller Anreiz

Darüber hinaus bezweifelt der Regierungsrat, dass der Steuerabzug einen Anreiz schafft, um die Betreuung durch Privatpersonen zu fördern. «Es kann davon ausgegangen werden, dass die Pflege und Betreuung nahestehender Personen hauptsächlich aus persönlichen und altruistischen Motiven geleistet wird und nicht, um von Steuervorteilen profitieren zu können.» Wichtiger als ein finanzieller Anreiz ist laut dem Regierungsrat, dass Betroffene bei Bedarf auf Beratungs- und Entlastungsangebote zurückgreifen können.

Der Kanton Luzern will dazu auf einen Bericht des Bundes warten, der im Herbst vorgestellt werden soll. Es geht dabei um die Resultate eines Förderprogramms namens «Entlastungsangebote für betreuende Angehörige 2017–2020». Erst danach könne sinnvollerweise entschieden werden, ob es subsidiär noch weitere kantonale Bestimmungen braucht. Klar ist: Die Regierung setzt eine kantonale Arbeitsgruppe ein, um die kurzfristigen Massnahmen zu koordinieren und den Bericht des Bundes auszuwerten.

«Der Regierungsrat ist der Ansicht, dass mit diesem Vorgehen dem Bedürfnis jener Personen, die Angehörige pflegen und betreuen, mindestens ebenso gut entsprochen wird, wie mit einer für die einzelne Person eher bescheidenen steuerlichen Entlastung», so das Fazit.

CVP hält an Initiative fest

Die CVP reagiert enttäuscht und will an der Initiative festhalten. «Der Ausgang der Verhandlungen in Bern ist völlig offen. Deshalb braucht es die kantonale Initiative», wird Präsident Christian Ineichen in einer Mitteilung zitiert. Die Vorschläge der Regierung bezeichnet die CVP als «blosse Pflästerli-Politik».

Nach Ansicht der Partei das Anliegen mit der Corona-Krise an Bedeutung gewonnen. Speziell die letzten Monate hätten die Wichtigkeit der privaten Pflege und privaten Betreuung zusätzlich aufgezeigt. «Aufgrund der demografischen Entwicklung ist zudem rasches Handeln angezeigt und neue Konzepte sind dringlich», so Ineichen.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Der Luzerner Kantonsrat wird sich voraussichtlich im September mit der Initiative befassen.

Viele Betroffene, unterschiedliche Bedürfnisse

Schätzungsweise 592'000 Personen betreuen in der Schweiz ihnen nahestehende Menschen. Zu diesem Resultat kommt eine repräsentative Studie im Rahmen des aktuell laufenden Förderprogrammes des Bundes. Häufig handelt es sich um die eigenen Eltern oder Schwiegereltern, die unterstützt werden, sei es in finanziellen und administrativen Angelegenheiten, bei der Koordination und Planung oder im Alltag und Haushalt. Bei gut 60 Prozent der Befragten liegt der Aufwand unter zehn Stunden pro Woche. Zwei Drittel der pflegenden Angehörigen sind erwerbstätig.

Geht es um ihre eigenen Bedürfnisse, wünschten die Befragten am häufigsten Notfallhilfe, Gespräche mit Gesundheitsfachpersonen, Fahrdienste für die betreute Person, Rat bei Geld- und Versicherungsangelegenheiten sowie Hilfe, um sich selbst erholen zu können.

Jeder vierte Befragte gab an, mehr finanzielle Unterstützung zu benötigen. In welcher Form? Dabei standen Geld von Versicherungen, ein Stundenlohn für die Betreuungstätigkeit sowie bezahlte Ferien im Forderungskatalog. Nur ein kleiner Teil der Befragten wünschten sich explizit steuerliche Entlastungen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Dunning-Kruger
    Dunning-Kruger, 13.05.2020, 07:36 Uhr

    In der Presse ist die Behauptung von RR Wyss zu lesen, dass infolge eines Betreuungsabzuges besonders hohe Einkommen aufgrund der Steuerprogression begünstigt würden? Wie das? Bei kleineren Einkommen fällt der Pauschalabzug absolut doch viel stärker ins Gewicht. Die Geringverdiener würden also entgegen der Behauptung nicht diskriminiert, sondern sie würden ab dieser Regelung markant profitieren. Ich kann der Argumentation von RR Wyss nicht folgen. Zudem: Wahrlich diskriminierend, nämlich für ein gros der natürlichen Personen aus dem Mittelstand, ist die seit Jahr und Tag sturmtrupp- und scheuklappenmässig verfolgte Tiefsteuerstrategie für juristische Personen ohne Umsicht und Vernunft! Aber dort ist und war selbstverständlich alle Komplexität nie auch nur im Ansatz ein Problem!

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