Kreativität im Schatten von Covid-19

Hilfe für Zuger Kultur: Ein Tropfen auf den heissen Stein

Tanztheater im Theater Casino Zug: Der Kanton unterstützte vier Zuger Kulturunternehmen mit 300'000 Franken. (Bild: Luzian-Hunziker)

Der Kanton Zug hat vor Kurzem eine Viertelmillion Franken für Ausfallentschädigungen an Kultureinrichtungen ausbezahlt. Das ist das Einzige, das bislang klar ist. Die Zuger Kultur versucht zwar, die Corona-Krise als Chance zu begreifen – soweit dies möglich ist. Aber es ist nicht absehbar, wie lange sie unter Beschränkungen zu leiden hat.

«Das Abweichen vom Plan ist in der aktuellen Situation dringlicher als das Daranfesthalten», schrieb Katrin Kolo, die neue Intendantin der Theater- und Musikgesellschaft Zug (TMGZ) in einem Essay im «Zuger Kultur Magazin». Dort erzählten verschiedene Leute aus der Zuger Kulturszene, wie sie mit der ausserordentlichen Lage nach Ausbruch der Corona-Seuche umgehen.

Kolo setzt, wie so viele, auf Improvisation. Dabei ist sie in einer vergleichsweise bequemen Lage: Das Programm im Theater Casino Zug für die nächste Saison steht – und die TMGZ kann bislang damit rechnen, dass ab September alles wie geplant über die Bühne gehen kann.

Plötzlich brach alles weg

Andere sind in einer schwierigeren Lage: Agatha Imfeld, Kostümbildnerin mit Atelier in der Gewürzmühle Zug, sah sich mit einem totalen Zusammenbruch der Auftragslage konfrontiert: Sie schneidert vorab für Laientheater und Freilichtspiele. Auch der Kostümverleih für Firmen- und Privatanlässe war nicht mehr länger gefragt.

Gar doppeltes Pech hatte die Autorin und Schauspielerin Judith Stadlin, die zusammen mit Michael van Orsouw die Satz & Pfeffer Lesebühne an der Sankt Oswaldsgasse in Zug betreibt: Die monatlichen Aufführungen mussten coronabedingt abgesagt werden.

Kantone sollen für den Bund die Kultur retten

Ausserdem fiel die Vernissage ihres Buches «Häschtääg Zunderobsi» ins Wasser: Auch dafür waren mehrere Lesungen bereits fix geplant. Die nächsten Termine plant Stadlin nun im September.

Eben für solche Ausfälle hat der Kanton Zug vor wenigen Wochen knapp 300'000 Franken ausbezahlt. Die Unterstützung ist dafür gedacht, wegen des Coronavirus abgesagte oder verschobene Veranstaltungen oder Betriebsschliessungen abzufedern.

Neben der Kurzarbeitsentschädigung und der Erwerbsausfallentschädigung ist sie als weitere Massnahme zur Sicherung der kulturellen Vielfalt geplant. Sie wird von den Kantonen vollzogen, die vom Bund die Hälfte der Summe ersetzt bekommen.

Bis September weitere Ausfälle geltend machen

Die 300'000 Franken beziehen sich auf vier bewilligte Gesuche im Bereich Ausfallentschädigung für Kulturunternehmen, sagt Aldo Caviezel, der Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug. Es ist erst ein Anfang:  «Insgesamt erreichten uns bislang 69 Gesuche – 34 von Kulturunternehmen, 35 von Kulturschaffenden», sagt er.

Knapp zwei Drittel konnten bis dato bewilligt werden, zusammen mit früheren Zahlungen wurde bisher total eine halbe Million Franken gesprochen.

«Die verbleibenden 25 Gesuche sind aufgrund ihrer Komplexität noch in Bearbeitung», sagt Caviezel. Bis zum 20. September könnten noch weitere Gesuche eingereicht werden. Caviezel rechnet mit einem abschliessenden Fazit bis Februar 2021. Dies nach heutigem Wissensstand wohlgemerkt – also noch bevor klar ist, ob eine zweite Welle der Pandemie im Herbst erneute Einschränkungen nötig machen.

Suche nach neuen Möglichkeiten

Anders als bei den Sportclubs, die ebenfalls coronabedingt unterstützt werden, rückt der Kanton Zug noch keine Informationen darüber heraus, wer mit wie viel Geld unterstützt wird. «Wir wollen einfach keine falschen Zahlen publizieren», sagt Caviezel.

«Viele Kulturschaffende leben bereits unter normalen Bedingungen in bescheidenen Verhältnissen.»

Aldo Caviezel, Leiter des Amts für Kultur des Kantons Zug

Denn die Lage ist komplex: Es gilt, die künftige Höhe von Kurzarbeitsentschädigungen zu berücksichtigen und Erwerbsausfälle, die variieren können. Denn verschiedene Kulturschaffende versuchen, sich mit neuen Formaten über Wasser zu halten.

Am einfachsten war das wohl fürs Zuger Klassik-Festival Sommerklänge, das normalerweise an abwechselnden Orten gastiert. Es konnte mit der neuen Shed-Fabrikationshalle auf dem V-Zug-Areal einen Aufführungsort für alle Konzerte finden, der luftig und gross ist – und zudem noch eine gute Akustik aufweist.

Theaterleute kochen für einen kleinen Kreis

Das ambitionierte Zuger Laientheaterensemble Kulisse indes sah sich erst mit der Unmöglichkeit einer neuen Aufführung im gewohnten Rahmen konfrontiert. Es hat aber nun mit der Regisseurin Eva Mann verschiedene kleine Stücke einstudiert, die es im Herbst noch mehrere Male in der Gewürzmühle Zug, nicht wie sonst in Kleintheatern zeigt. Das Format nennt sich «Kulturlobby» und beinhaltet neben Schauspiel und Improvisation auch die kulinarische Verpflegung der Gäste.

Andere Kulturschaffende versuchen den Sprung auf eine digitale Ebene. Was auch seine Tücken hat – sogar wenn man gar nicht mit der Frage befasst ist, Publikum zu finden oder für seine Darbietung entlohnt zu werden.

«Mindfuck Coronopera»

Im «Zuger Kultur Magazin» schildert das die Komponistin Laura Livers, die aus aktuellem Anlass an der «Mindfuck Coronopera» arbeitet. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das sich durch einen Frauenanteil von 85 Prozent und ein Durchschnittsalter von 26 Jahren auszeichnet. Die Handlung hatten die Macherinnen mithilfe von Google Docs, Slack-Channels, Telegram-gruppen und Chat-Protokollen festlegen können.

Doch beim Komponieren gibt's Probleme – da der rein elektronische Austausch mit den Mitmusikerinnen schwierig ist. Sie könne sich weniger als sonst auf ihr Bauchgefühl verlassen, so Livers. Schreibe sie zu viel in die Partitur, entmündige sie die Musikerinnen. «Und wenn ich zu wenig reinschreibe, werden die Aufnahmen zu individuell und lassen sich nicht zusammenfügen.»

Trotz Nebenjobs sind viele Kulturschaffende arm

Doch solche praktischen Probleme bleiben angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise im Hintergrund. Auch, dass viele Kulturschaffenden mit dem Lockdown faktisch von einem Berufsverbot betroffen waren, ist nicht das Schlimmste. Kulturschaffende seien von Covid auch mittel- und langfristig betroffen, meint Aldo Caviezel – wegen ihrer Arbeitssituation.

«Das Gros der Kulturschaffenden lebt bereits unter normalen Bedingungen in bescheidenen Verhältnissen», sagt der Leiter des Amts für Kultur. Gemäss der Umfrage von Suisseculture Sociale von 2016 liege der Medianwert des Gesamteinkommens von Kulturschaffenden – also das Einkommen aus Kunstschaffen und aus allen übrigen Tätigkeiten – über alle Sparten hinweg bei 40'000 Jahr pro Jahr. Sehr viele Kulturschaffende leben also knapp über der Armutsgrenze. Mehr als die Hälfte hat ausser der AHV keine Rücklagen fürs Alter wie Pensionskasse oder dritte Säule.

Man kann nicht alle über einen Leisten schlagen

Die Lösung dieser Probleme – gerade vor dem Hintergrund von Corona – ist eine ungeheuer anspruchsvolle Aufgabe. Die Situation eines Musikers im Popbereich unterscheide sich von der einer Musikerin, welche in einem Orchester festangestellt ist, sagt Caviezel. Auch ein bildender Künstler, dessen Ausstellung abgesagt wurde, der aber bereits viel Materialkosten in das Projekt investiert hatte, sei in einer anderen Lage als eine Autorin, die mit ihrem im März neu erschienenen Buch ohne Lesungen oder Buchmessen gar keine Aufmerksamkeit und somit keine Verkäufe oder künftige Auftritte generieren konnte.

Nochmal anders ergehe es dem Filmemacher, dessen Filmaufnahmen im Frühling abgebrochen werden mussten und die Planung der Wiederaufnahme noch zu riskant ist, oder der Schauspielerin, die ohne Auftritte oder künftige Aufträge dasteht, weil die Theater bisher geschlossen waren und die Programmplanung aufgrund der unsicheren Lage nur zögerlich vorangeht.

Fall durch die Maschen des sozialen Netzes

Kurz: «Kulturschaffende haben komplexe Arbeitsrealitäten», so Caviezel. «Sie sind selbstständig erwerbend, in häufig wechselnden, zeitlich begrenzten Anstellungsverhältnissen, «freischaffend» oder in Teilzeit festangestellt.

Meistens arbeiteten Kulturschaffende gleichzeitig in verschiedenen Arbeitsformen und über die Jahre in wechselnden Konstellationen. Dies habe zur Folge, dass Kulturschaffende oft nicht ins Raster der bestehenden Sozialversicherungen oder der Verwaltung passen und damit durch die Maschen fallen.

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