Denksport gegen das Vergessen

Hier drücken Zuger Grosis und Grosspapis die Schulbank

Die Teilnehmer werden im Unterricht geistig und körperlich gefordert.

(Bild: lef)

Dass das Gedächtnis im Alter langsam nachlässt, ist normal. Doch eine kleine Gruppe Zuger Senioren möchte den geistigen Verfall nicht einfach so hinnehmen. Mit kniffligen Aufgaben und spielerischen Übungen halten sie ihre Denkapparate auf Trab. zentralplus war dabei.

Einmal in der Woche steht bei Beatrice Hinny Gehirnjogging auf dem Programm. Denn sie leitet jeden Donnerstag das Gedächtnistraining der Pro Senectute Zug. Genauer gesagt, trainiert sie mit den Teilnehmern die Konzentrations- und Merkfähigkeit.

Vor Kursbeginn finden die Senioren den Unterrichtsraum immer mit einer neuen Sitz- und Tischordnung vor. Die Kursleiterin Hinny erklärt: «Ein Teil des Gedächtnistrainings besteht darin, dass man sich immer wieder ungewohnte, neue Situationen schafft.» Dann heisst es für die sechs Teilnehmer, Platz zu nehmen.

Am Anfang der Stunde steht die Besprechung der Hausaufgaben an. Wie die Schüler im benachbarten Schulhaus Burgbach folgen die Senioren den Anweisungen der Lehrperson und zücken ihre Mappen.

Trainieren für den Alltag

Auf einem der Arbeitsblätter mussten die Teilnehmer eine Ordnungsübung lösen. Die Suche nach einem passenden Oberbegriff und den versteckten Ausreissern in der Wortliste soll helfen, das Strukturieren zu trainieren. Dies würde wiederum die Aufnahmekapazität steigern, sagt Hinny.

Bei dieser Aufgabe muss man die Deckel legen, sodass sich in jeder Zeile, jeder Spalte und jedem fett umrandeten Feld genau zwei Deckel befinden. Die Deckel dürfen sich gegenseitig nicht berühren, auch nicht diagonal.

Bei dieser Aufgabe muss man die Deckel legen, sodass sich in jeder Zeile, jeder Spalte und jedem fett umrandeten Feld genau zwei Deckel befinden. Die Deckel dürfen sich gegenseitig nicht berühren, auch nicht diagonal.

(Bild: lef)

«Wie so oft im Alltag müsst ihr hier Informationen aufnehmen, verarbeiten und dann entsprechend handeln», erklärt sie den Senioren. «Eine Einkaufsliste lässt sich auch viel einfacher einprägen, wenn man die Produkte nach Oberbegriffen wie Milchprodukte oder Haushalt ordnet.»

Der 72-jährige Walter gesteht, dass er zu Hause oft Stunden an den Aufgaben verbringt. «Es ist schön, wenn man am Schluss erfolgreich ist», sagt der Stadtzuger.

«Ich hoffe, dass es etwas bringt.»

Walter aus Zug, 72

Er sei zum ersten Mal im Gedächtnistraining dabei: «In letzter Zeit habe ich gemerkt, dass es mir immer schwerer fällt, neue Namen zu merken.» «Das kenne ich auch», pflichtet ihm eine andere Kursteilnehmerin bei, «je älter man wird, desto schwieriger ist es.»

Walter erklärt: «Früher habe ich im Verkauf von Elektrotechnik gearbeitet, da hatte ich keine Mühe, mir die vielen Namen der Kunden zu merken.» Mit dem Alter sei dies nicht mehr so einfach. Der Grund, weshalb der 72-jährige Zuger mit dem Gedächtnistraining angefangen hat. «Ich hoffe, dass es etwas bringt», sagt er lachend.

Gehirnjogging mit Zahlen

Nach den kniffligen Aufgaben auf Papier folgt eine Zahlenübung in der Gruppe. Die Kursleiterin nennt drei Zahlen von eins bis zehn, die zwei letzten Zahlen muss ihre Sitznachbarin wiederholen. Ausserdem fügt diese dann eine neue dritte Zahl hinzu. Die nächste Person wiederholt erneut die letzten zwei Zahlen und hängt eine weitere hinten an. So entstehen immer wieder neue Zahlenkombinationen, die sich die Teilnehmer merken müssen.

Hier besteht die Aufgabe darin, die Ausreisser des unbekannten Musters zu finden und zwar ohne abstreichen oder markieren.

Hier besteht die Aufgabe darin, die Ausreisser des unbekannten Musters zu finden und zwar ohne abstreichen oder markieren.

(Bild: lef)

Die Senioren bewältigen die Übung ohne grosse Mühe. Dann wird die Schwierigkeit erhöht. Nun wird die Reihe auf vier Zahlen aufgestockt. Keine leichte Übung.

Hinny erklärt zwischendurch: «Es geht auch darum, dass ihr Dinge wie die erste Zahl, die nicht wichtig sind, ausblenden könnt und euch auf das Wesentliche konzentriert.»  Zum Schluss beendet die Leiterin die Übung mit der einfacheren Variante mit drei Zahlen. «Wir wollen die Übung mit einem guten Gefühl beenden, es muss auch Spass machen.»

Kampf gegen die Angst

Das gute Gefühl am Ende einer Aufgabe sei wichtig. Im Gedächtnistraining gehe es auch darum, den Senioren die Angst vor dem Gedächtnisverlust zu nehmen. «Wenn ältere Menschen Dinge vergessen, bekommen viele schnell das Gefühl, dass sie dement werden», erklärt die Kursleiterin.

Unter anderem auch, weil viel über das Thema in den Medien berichtet würde, sagt Hinny. «Ich versuche deshalb, ab und zu Informationen zu den neusten Hirnforschungen im Unterricht einfliessen zu lassen und Tipps zu geben, wie man das Gedächtnis im Alltag trainieren kann», meint Hinny.

«Das Hirn braucht Bewegung.»

Beatrice Hinny, Kursleiterin

Im Alter nehme vor allem die Leistung des Arbeitsgedächtnisses ab, so Hinny. Dieses braucht der Mensch für geistige Aktivitäten wie Denken und Erinnern und sei bei Demenz als Erstes betroffen. «Das Gedächtnistraining zielt daher auf die Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration ab», erklärt Hinny.

Beatrice Hinny erklärt eine Strategie mit der sich diese Aufgabe lösen lässt.

Beatrice Hinny erklärt eine Strategie mit der sich diese Aufgabe lösen lässt.

(Bild: lef)

Zudem seien die Verknüpfungen der verschiedenen Bereiche im Hirn ein wichtiger Bestandteil des Trainings. Die Kursleiterin weiss: «Tanzen oder Musizieren sind sehr gut fürs Gehirn.» Dabei würden neue Nervenverbindungen entstehen.

Um diese Wirkung zu erzielen, integriert Hinny im Unterricht Bewegungsübungen. «Das Hirn braucht Bewegung, da diese sowohl die Konzentrations- wie auch die Koordinationsfähigkeit verbessere.»

Warum Kreuzworträtsel nicht unbedingt helfen

Ebenfalls zentral sei, dass man nicht in eine Routine fällt. «Unser Hirn ist so aufgebaut, dass die Hirnzellen sich neu vernetzen, wenn ungewohnte Situationen eintreffen», erklärt Hinny.

«Das Training muss anstrengend sein.»

Beatrice Hinny, Kursleiterin

Kreuzworträtseln sei deshalb kein effektives Gedächtnistraining, da der Lernerfolg sehr schnell abnehme. «Sobald der Ablauf im Hirn immer wieder der gleiche ist, fällt man in eine Routine», meint die Kursleiterin, «das Training muss aber anstrengend sein.»

Den Senioren sagt sie aber trotzdem, dass sie weiter Kreuzworträtseln sollen, solange es ihnen Spass macht. «Man kann auch das Rätsel auf den Kopf stellen und es so schwieriger machen», sagt Hinny.

Im Notfall helfen die Enkel

Die 87-jährige Martha löst zu Hause neben Kreuzworträtseln auch immer gerne die Hausaufgaben vom Gedächtnistraining. «Wenn es ganz knifflige Aufgaben sind, dann frage ich aber manchmal meine Enkel um Rat», gesteht sie.

Die Chamerin geht schon seit über acht Jahren ins Gedächtnistraining und schwört auf das Gehirnjogging: «Ich freue mich immer wieder auf den Unterricht und auch meine Familie findet es toll, dass ich in meinem Alter etwas für mein Gedächtnis mache.» Das Lernen kann also auch im hohen Alter noch Spass machen.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Gewissen
    Gewissen, 13.02.2019, 20:28 Uhr

    OK mebinger, dann fang mal an zu vergessen und nicht mehr zu stören. Wenn 87 jährige aus eigenem Antrieb am Gedächtnistraining teilnehmen ist das einfach nur bewundernswert.

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  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 13.02.2019, 18:42 Uhr

    Können wir nicht mehr ungestört alt werden?. Es ist doch völlig Wurst, wenn man im Alter was vergisst. Gedächtnistraining für eine 87-jährige ist einfach nur ein Auswuchs einer pervertierter Leistungsgesellschaft!

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