Postplatz soll nobles Piazza-Ambiente atmen

Herzlos: Dieser Zuger Traditionskiosk muss weichen

Darf nun doch bleiben: der Traditionskiosk in der Zuger Altstadt. Der Besitzer will ihn für 165'000 Franken verkaufen.

(Bild: woz)

Der obere und untere Postplatz in Zug sollen zusammenwachsen zu einer stimmungsvollen Piazza. Wovon die Stadtplaner schon seit der Abstimmung über den gescheiterten Stadttunnel träumen, wird nun doch noch Realität – eine Scheinidylle allerdings. Nicht nur, weil der Traditionskiosk seinen Platz räumen muss.

All die Jahre hat er niemanden gestört: der Traditionskiosk auf dem unteren Postplatz. Weil der Anblick des umgebauten Häuschens mit Zigaretten, Heftli, Kaugummis und vielem mehr den schönen Plänen der Planer nicht mehr genügt, soll er weichen. Dabei hat das Hüttli jahrzehntelang nie die Platz-Optik zwischen den hehren klassizistischen und historistischen Bauten der Regierung und der Hauptpost in Zug gestört.

Doch in rund einem Jahr ist Feierabend mit Cornetto und Camel. Denn wenn der untere Postplatz bis Ende 2018 saniert sein soll, wird es dem Kiosk an diesem Standort an den Kragen gehen.

Kiosk im Verwaltungsgebäude?

So hat es die Stadt Zug beschlossen. Und in einer Vorlage des Grossen Gemeinderats zur Sanierung und Umgestaltung des unteren Postplatzes festgehalten. In dem Papier heisst es explizit: «Der bestehende Kiosk wird aufgehoben. Allenfalls kann zu einem späteren Zeitpunkt im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes ein Kiosk mit Café ins Auge gefasst werden.»

Schöne, neue Welt. Denn ein Kiosk im Verwaltungsgebäude der Zuger Regierung – das ist nicht mehr das Gleiche wie der jetzige Traditionskiosk direkt an der Neugasse. Es fehlt der offene Zugang für spontane Kunden. Ins Verwaltungsgebäude der Regierung traut sich schliesslich nicht jeder Passant so ohne Weiteres.

«Der Kiosk ist ja immer schon hier gewesen.»

Lavdrim Biba, Kioskbetreiber

«Das hier ist der Eingang zur Zuger Altstadt, und es braucht diesen Kiosk deshalb», sagt Lavdrim Biba, der Betreiber des Kiosks. Biba kommt aus Struga in Mazedonien und hat seinen offenen Verkaufsladen extra noch umgebaut, nachdem er ihn vor einem Jahr übernommen hat, erzählt er zentralplus.

«Wenn er ganz wegkommen würde, wäre das sicher nicht gut», gibt der freundliche Mann vom Balkan zu bedenken. Erstens würde der Altstadt dann ein Kiosk fehlen. Zudem habe er seine Miete schon his 2018 bezahlt. «Und der Kiosk ist ja immer schon hier gewesen.»

Unsicherheit herrscht vor

Zwar räumt Lavdrim Biba ein, man habe sich mit ihm seitens der Stadt Zug zusammengesetzt und ihm auch versprochen, dass es eine Ersatzlösung für den wegkommenden Kiosk geben soll. Doch so sicher ist er sich da überhaupt nicht. «Denn die von der Stadt Zug sagen immer nur: Wir wissen noch nicht, was passiert.»

Der Zuger Postplatz aus der Vogelperspektive Richtung See: Die insgesamt 60 Parkplätze fallen weg und werden in die neue Tiefgarage hinter dem Postgebäude verlagert. Der hellblaue Fleck links ist der Kiosk.

Der Zuger Postplatz aus der Vogelperspektive Richtung See: Die insgesamt 60 Parkplätze fallen weg und werden in die neue Tiefgarage hinter dem Postgebäude verlagert. Der hellblaue Fleck links ist der Kiosk.

(Bild: woz)

Doch warum eigentlich muss der Kiosk weichen? Schaut man sich die Sanierungs- und Umgestaltungspläne an, ist nämlich zu erkennen, dass dort, wo der Kiosk heutzutage an der Neugasse steht, nicht viel geplant ist – ausser einer von vier Sitzbänken, die künftig den unteren Postplatz anstelle der momentanen Parkplätze zieren und beleben sollen. Ähnlich wie die vier Sitzbankreihen auf dem oberen Postplatz, wo ebenfalls die oberirdischen Parkplätze wegkommen und in die gerade im Bau befindliche Tiefgarage hinterm Postgebäude verlagert werden. Doch in diesem Konzept hätte besagter Kiosk noch locker Platz.

Allerdings, wer sich in die Vorlage des Grossen Gemeinderats vertieft, stösst dann doch noch auf den wahren Hintergrund des «Kiosk-Tabula-rasa». Denn gemäss dem Siegerprojekt des Chamer Büros Appert & Zwahlen sollen der obere und untere Postplatz zu einem grossen, offenen Platzraum zusammengefasst werden.

«Diese Beziehungen der Bauten zum Platz sollen eine angemessene Präsenz erhalten und in den Platz ausstrahlen.»

O-Ton in der Vorlage zum Grossen Gemeinderat

Dabei wird die Grenze zwischen Altstadt und Vorstadt durch unterschiedliche Bodenbeläge markiert: durch Natursteinpflaster in der Altstadt und Asphaltbeläge in der Vorstadt. Und jetzt kommt’s: «Besondere Aufmerksamkeit wird den unterschiedlichen Beziehungen der Bauten zum Platz beigemessen. Diese sollen eine angemessene Präsenz erhalten und in den Platz ausstrahlen», heisst es wörtlich in der Vorlage. Auf gut Deutsch bedeutet das für den kleinen Kiosk zwischendrin: Er ist quasi eine Sichtbehinderung. Eine Art optischer Makel. Oder gar ein Schandfleck.

Selbst das bestehende Bushäuschen genügt nicht mehr den ästhetischen Ansprüchen der Postplatzplaner: Es wird durch eine Standardbushaltestelle ersetzt. Und ein Plan Lumières soll die «repräsentativen Fassaden von Post- und Regierungsgebäude» ins rechte Licht rücken. Nobel, nobel. Kostenpunkt dieser City-Kosmetik: 1,3 Millionen Franken.

Piazza-Ambiente nach Stadttunnel-Nein nur ein schöner Schein

Dabei wirkt es nicht nur pedantisch und herzlos, die kleine Kiosk-Bude vom Postplatz zu verbannen oder gar ganz auszulöschen. Auch die Vorstellung, man könne den oberen und unteren Postplatz tatsächlich zu einer Piazza mit Ambiente  verschmelzen, ist und bleibt ein schöner Schein.

Denn auch in Zukunft werden die Neugasse, die Bahnhofstrasse und die Vorstadt diesen Platz durch tausende Autos täglich zerschneiden und mit Dauerlärm beschallen. Das ist und bleibt nun mal die Realität. Der Traum von der echten Piazza ist seit der gescheiterten Abstimmung um den Zuger Stadttunnel ein für allemal gestorben.

Statt der Parkplätze wie hier auf dem oberen Postplatz werden Sitzbänke installiert. Im Hintergrund das historische Postgebäude von 1902.

Statt der Parkplätze wie hier auf dem oberen Postplatz werden Sitzbänke installiert. Im Hintergrund das historische Postgebäude von 1902.

(Bild: woz)

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