So tickt die halbe Stadtluzerner GLP-Fraktion

Herr und Frau Lütolf: Das erste Ehepaar im Stadtparlament

An diesem Tisch diskutieren Daniel und Christina Lütolf oft über Politik. (Bild: jal)

Daniel Lütolf sitzt seit zwei Jahren für die GLP im Grossen Stadtrat, nun ist seine Frau Christina nachgerückt. Damit hat Luzerns Stadtparlament erstmals ein Ehepaar in seinen Reihen. Was die beiden GLP-Mitglieder antreibt und wo ihre Haltungen auseinandergehen.

Hier an der Kücheninsel, dem Herzen der Wohnung der Familie Lütolf, wird die halbe Fraktionsmeinung der Stadtluzerner Grünliberalen ausdiskutiert. «Während Daniel kocht, lese ich ihm aus einem anstehenden Geschäft vor und dann diskutieren wir unsere Haltungen und Ideen», erzählt Christina Lütolf-Aecherli.

Die 52-Jährige hat vor einem Monat ihre erste Sitzung als Grossstadträtin absolviert, ihr Mann Daniel Lütolf ist seit zwei Jahren im Amt. Beide gehören der vierköpfigen GLP-Fraktion an.

Dass ein Paar gleichzeitig im 48-köpfigen Rat sitzt, kam auch schon vor. Doch eines mit Ehering am Finger ist historisch. «Daniel und Christina Lütolf sind das erste Ehepaar, welches im Stadtluzerner Parlament Einsitz hat», sagt Brigitte Gisler, Leiterin des Sekretariats des Grossen Stadtrates auf Anfrage. Dies hätten Recherchen des Stadtarchivs ergeben. Im Kanton Luzern gibt es, im Unterschied beispielsweise zum Kanton Obwalden, keine rechtlichen Vorgaben betreffend die Unvereinbarkeit eines Amtes bei verheirateten Personen.

Zwei Wege führen ans selbe Ziel

Es sei keinesfalls so, dass ihr Mann sie mal an eine Parteiversammlung mitgeschleppt habe, wehrt Christina Lütolf ab. «Wir sind relativ unabhängig als Paar.»

Wenn die beiden Grünliberalen ihre Wege ins Rathaus nachzeichnen, holen sie weit aus. Bei Daniel Lütolf war der geplante Abriss der Zentral- und Hochschulbibliothek in der Luzerner Neustadt vor rund zehn Jahren der zündende Punkt. «Ich sah eine grosse Chance an diesem Standort für ein offenes Gebäude, mit Band- und Atelierräumen, ein Raum des Austauschs mitten in der Stadt», schwärmt der 49-Jährige noch heute.

«Ich kam morgens um 2 Uhr nach Hause und hatte alles unterschrieben, was man unterschreiben konnte.»

Daniel Lütolf

Motiviert von seiner Frau Christina, aktiv zu werden, meldete sich Lütolf bei den Grünliberalen an, ging noch am selben Abend mit dem damaligen Partei- und heutigen Fraktionspräsidenten Stefan Sägesser ein Bier trinken. «Ich kam morgens um 2 Uhr nach Hause und hatte alles unterschrieben, was man unterschreiben konnte», sagt er und lacht. In der damals noch ganz jungen Partei wurde er sofort Vorstand und Kandidat für die nächsten Wahlen. Nur mit der ZHB sollte es bekanntlich anders kommen, das Gebäude blieb stehen.

«Wir haben eine sehr offene Gesprächs- und Streitkultur»: Christina Lütolf-Aecherli und Daniel Lütolf. (Bild: jal)

Bei Christina Aecherli-Lütolf, die sich schon als Jugendliche für Politik interessierte, gab letztlich die Spange Nord den Ausschlag für das aktive Engagement. Sie nahm vor rund zwei Jahren an einer Kundgebung vor dem Regierungsgebäude teil, als sie vor der Session mit GLP-Kantonsrätin Claudia Huser ins Gespräch kam. «Wir waren sofort auf der gleichen Wellenlänge», erzählt Stina, wie sie in ihrem privaten Umfeld genannt wird.

Als sie am selben Tag die Debatte im Kantonsratssaal verfolgte, hat es ihr endgültig den Ärmel reingezogen. «Der Parlamentsbetrieb hat mich so gepackt, ich wusste sofort: Das will ich auch.» Es dauerte nicht lange, da war auch sie auf der GLP-Wahlliste, zunächst für den Kantonsrat, ein Jahr später für den Grossen Stadtrat.

Inzwischen konnten beide im Stadtparlament nachrücken. Die Karrierewege bei der GLP, ein Vorteil der Kleinpartei, sind kurz.

Andere Städte als Vorbilder

Herr und Frau Lütolf sind typische Vertreter der Grünliberalen: Gut ausgebildet, urban, smart und pragmatisch. Sie wohnen mit der gemeinsamen Tochter im Maihofquartier, er arbeitet für die Crowdfunding-Plattform Funders, sie führt in der Luzerner Altstadt ein eigenes Geschäft für nachhaltige Mode aus dem skandinavischen Raum.

«Wir lassen uns sehr gerne inspirieren von anderen Orten, anderen Menschen oder anderen Unternehmungen.»

Christina Lütolf-Aecherli

Beide mit Wurzeln im Ausland – sie in Schweden, er in Holland – reisen sie gerne, und das immer auch mit einem Auge für die Politik. «Wir lassen uns sehr gerne inspirieren von anderen Orten, anderen Menschen oder anderen Unternehmungen», sagt Christina Lütolf. Ob Elektromobilität in Göteborg, die Metro von Lausanne oder grüne Parks in Paris: Gute Ideen dürfe man ruhig kopieren.

Lütolfs plädieren deshalb für das «try and error»-Prinzip statt für ideologische Grabenkämpfe. Als Beispiel erwähnt Daniel Lütolf das Pilotprojekt der autofreien Waldstätterstrasse, von dem manche sagen, sie sei nur seinetwegen entstanden. Weil er als Leiter Vertrieb der Crowdfunding-Plattform Funders oft im angrenzenden Café Barbès arbeitet, beobachtete er, dass nur wenige Autos die Strasse nutzten – und die Idee für seinen Vorstoss war geboren. «Es ist wohl der einzige Pop-up-Park in Luzern, der gut funktioniert», sagt er zufrieden.

«In der Schweiz tendieren wir dazu, alles von Anfang an perfekt bis ins Detail abzuklären. Aber sinnvolle Lösungen müssen nicht immer wahnsinnig teuer sein», bekräftigt Christina Lütolf.

Wo sie nicht gleicher Meinung sind

Doch nicht bei allen Fragen herrscht im Hause Lütolf heitere Einigkeit. Insbesondere in der Suchtpolitik gehen ihre Meinungen auseinander. Während er am liebsten alle Drogen komplett legalisieren würde, stört sie sich daran, dass sogar auf Spielplätzen geraucht werden darf.

Sowohl die Grünliberalen als Partei als auch die Lütolfs als Paar würden das aber vertragen, fügt Christina Lütolf an. «Wir haben eine sehr offene Gesprächs- und Streitkultur, sodass glücklicherweise nicht jede Meinungsverschiedenheit zu einer existenziellen Krise führt.»

Der freudige Sprung ins kalte Wasser

Einig sind sich die beiden vor allem auch in einem Punkt: Politik macht Spass. Bei den Grünliberalen als kleine Fraktion trägt jeder im Quartett von Anfang an Verantwortung. Bei Christina Lütolf hiess das an ihrer ersten Sitzung, das Fraktionsvotum zum Luzerner Theater vorzutragen. «Man wird sofort ins kalte Wasser geworfen, es gibt keine Schonfrist», sagt sie.

Christina Lütolfs Votum zum Luzerner Theater an ihrer ersten Sitzung:

Dennoch oder gerade deshalb erlebte sie die Debatte im Grossen Stadtrat als angeregt und erfüllend. Im Unterschied zu manch anderen, die den Politbetrieb als langfädig beschreiben, streichen die beiden GLP-Mitglieder einhellig die positiven Seiten hervor. «Man kann enorm viel bewirken», sagt Christina Lütolf. Mit stichhaltigen Argumenten und guten Diskussionen – nicht nur an der Kücheninsel.

Fraktionspräsident: «Das sehe ich nicht so eng»

Das erste Ehepaar im Stadtparlament – das habe für die GLP keine Relevanz, sagt Fraktionspräsident Stefan Sägesser, «auch wenn die Konstellation durchaus aussergewöhnlich ist». Im Grossen Stadtrat habe es ja auch schon andere Paare gegeben, wenn auch ohne Trauschein, beispielsweise Luzia Vetterli und Nico van der Heiden von der SP.

Dass die halbe GLP-Fraktionsmeinung im Hause Lütolf gemacht wird, ist für Sägesser kein Thema. «Wir behandeln die Themen und diskutieren zu viert, als Individuen», sagt der Fraktionschef. «Was die beiden zu Hause machen, geht mich nichts an, auch nicht, wenn zu Hause weiter diskutiert wird.» 

Dass es durch die potenziell enge Verknüpfung von Politik und Privatem eher zu Konflikten kommen könnte, bezweifelt er. Schliesslich hätten alle Ratsmitglieder mehrere Funktionen in Beruf, Politik und Freizeit, sowie einen Freundeskreis, der über die Parteigrenzen hinausgehe. «Das sehe ich nicht so eng», so Stefan Sägesser abschliessend.

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