Öffentlichkeit wurde unvollständig informiert

Hensler: «Wesentliches Element» blieb unerwähnt

Beat Hensler muss die Kosten des Verfahrens gegen ihn selber tragen. (Bild: Keystone)

Der frühere Polizeikommandant Beat Hensler erreichte zwar eine Einstellung des Verfahrens wegen Amtsgeheimnisverletzung. Bisher nicht bekannt ist jedoch, dass er die Kosten der Untersuchung bezahlen muss. Begründung: Er habe die «Kompetenzen überschritten und damit gegen eine Verhaltensnorm klar verstossen». Dies zeigt die von zentral+ eingesehene Einstellungsverfügung. Ein Medienexperte wirft der Staatsanwaltschaft nun vor, in ihrer Pressemitteilung unvollständig informiert zu haben.

Die Medienmitteilung der Luzerner Staatsanwaltschaft erreichte die fasnächtlich ausgedünnten Redaktionen am Güdisdienstag. Die ausserkantonale und ausserordentliche Staatsanwältin habe das Verfahren gegen den einstigen Polizeikommandanten Beat Hensler eingestellt. Sie habe den Vorwurf «umfassend geprüft» und kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachweisen können, da Hensler «nicht bewusst» gewesen sei, «dass er durch die Vorführung des Videos eine Amtsgeheimnisverletzung begehen könnte».

Doch die Medienmitteilung lässt wesentliche Aussagen weg. zentral+ hat – nach bewilligtem Gesuch – die Einstellungsverfügung eingesehen. Der frühere Polizeikommandant Hensler hat, gemäss der ausserordentlichen Staatsanwältin Isabelle Gisler aus dem Kanton Uri, seine «Kompetenzen überschritten und damit gegen eine Verhaltensnorm klar verstossen». Die Folge: Er muss die Verfahrenskosten von 1’450 Franken bezahlen.

«Objektiv gesehen» eine Amtsgeheimnisverletzung

Objektiv gesehen, so die ausserordentliche Staatsanwältin, habe Hensler eine Amtsgeheimnisverletzung begangen, als er den Mitgliedern der Sondergruppe Luchs ein kurzes Video zeigte. Es stammte von einer Überwachungskamera und zeigte einen Luchs-Polizisten, wie er Anfang Juni vergangenen Jahres einem bewegungslos am Boden liegenden Verhafteten mehrmals mit dem Schuh in die Kopfgegend tritt. (Die «Rundschau» von SRF hat das Dokument Wochen später publik gemacht.)

Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung

Im Oktober 2013 wurde ein Strafverfahren gegen den früheren Luzerner Polizeikommandanten Beat Hensler wegen Amtsgeheimnisverletzung eröffnet. Hensler zeigte den Mitgliedern der Sondereinheit «Luchs», wie ein Elitepolizist der Einheit einen wehrlos am Boden liegenden rumänischen Einbrecher mehrfach mit Fusstritten gegen den Kopf traktiert.

Der ehemalige Basler Polizeikommandant Markus Mohler sagte damals: «Grundsätzlich gilt das Amtsgeheimnis auch behördenintern. Der objektive Tatbestand ist erfüllt und es besteht der hinreichende Verdacht einer Amtsgeheimnisverletzung.» Die Luzerner Staatsanwaltschaft wurde in diesem Zusammenhang auch kritisiert, weil sie mit der Eröffnung des Verfahrens mehrere Wochen zuwartete, obwohl Amtsgeheimnisverletzung ein Offizialdelikt darstellt.

Der ausgebildete Jurist Hensler, der 1986 das Anwaltspatent erwarb, entkam einer Verurteilung nur, weil die ausserordentliche Urner Staatsanwältin ihm zubilligte, er habe die Amtsgeheimnisverletzung nicht vorsätzlich begangen. Beziehungsweise lasse sich ihm der Vorsatz nicht rechtsgenüglich nachweisen. Allerdings wäre Hensler «gehalten gewesen», bei jener Luzerner Staatsanwältin, die das Verfahren gegen den Prügel-Polizisten führte, das Einverständnis für die Vorführung einzuholen, denn diese habe zu diesem Zeitpunkt «die alleinige Verfügungsberechtigung» über dieses Dokument gehabt.

Kosten «nur für den direkt Betroffenen relevant»

Wie kommt es, dass die Luzerner Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit unvollständig informierte? Auf Anfrage erklärt Mediensprecher Simon Kopp: Für die Medienarbeit stehe im Vordergrund, «ob ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt oder nicht.» Die Kostenverlegung habe die Staatsanwaltschaft nicht kommuniziert, «da sie nur für den direkt Betroffenen relevant» sei. Dies entspräche der langjährigen Praxis. Zudem könne, so Kopp weiter, «jeder Journalist einen Entscheid einsehen und sich die zusätzlichen Details zu den Kosten unkompliziert holen.» Im Klartext: Der Medienbeauftragte fordert Medienschaffende dazu auf, seine Informationen auf Vollständigkeit zu überprüfen.

Eine transparente Informationspolitik fordert hingegen Dominique Strebel, Jurist, früher Journalist und Redaktor, nun Studienleiter am Medienausbildungszentrums MAZ. Er hat sich jahrelang für erleichterte Einsicht in Strafbefehle und Einstellungsverfügungen engagiert. Für ihn ist klar: «Wenn eine Staatsanwaltschaft eine Medienmitteilung zu einer Einstellungsverfügung verfasst, muss sie auch alle wesentlichen Elemente dieses Entscheids erwähnen. Und die Auferlegung der Verfahrenskosten ist ein solch wesentliches Element».

Strafverfolgung erschwert

Noch ein weiteres aufschlussreiches Detail erwähnt der Entscheid. Hensler orientierte den tretenden «Luchs»-Polizisten über den vorhandenen Videobeweis, bevor dieser von der Luzerner Staatsanwältin einvernommen wurde. Hensler pflegte damit den Korpsgeist und erschwerte die Strafverfolgung gegen seinen Untergebenen.

Das Wissen um das Video hindert den Prügel-Polizisten nicht daran, bei der staatsanwaltlichen Einvernahme zehn Tage später die Fusstritte zu bestreiten. Erst «nach Abschluss des Protokolls» zeigt die Luzerner Staatsanwältin dem Einvernommenen das Video, ohne ihn weiter zu den Vorwürfen zu befragen. Seine falsche Erstaussage hat ihn dann allerdings nicht vor einer Verurteilung bewahrt (zentral+ berichtete).

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