Noch viele offene Fragen zum Schiffsunglück

Havarie der MS Diamant: Was man bisher weiss

Trocken gelegt: Die MS Diamant ist bereit für die Reparaturarbeiten.

(Bild: bic)

Am Donnerstagabend ist auf dem Vierwaldstättersee das modernste Schiff der Flotte auf Grund gelaufen. Der Schaden geht in die Millionen. Viele Fragen zum Unfallhergang sind noch ungeklärt. zentralplus verschafft einen Überblick über die wichtigsten offenen und geklärten Fragen rund um den Vorfall.

Es war in der Zentralschweiz der Aufreger des vergangenen Wochenendes. Der Unfall des nigelnagelneuen Vierwaldstättersee-Schiffes MS Diamant. Das Prunkstück der SGV war am Donnerstagabend kurz nach 21 Uhr beim Anlaufen der Station Kehrsiten-Bürgenstock auf Grund gelaufen. Nur dank einem Grossaufgebot verschiedener Feuerwehren konnte ein Sinken des Schiffes verhindert werden (zentralplus berichtete).

An Bord des Schiffes befand sich eine Festgesellschaft mit 163 Personen. Diese konnten unbeschadet evakuiert werden. Der Steuermann hatte es noch geschafft, die Diamant zurück zum Ausgangspunkt der Rundfahrt zu manövrieren, wo alle Menschen das Schiff verlassen konnten. Die Gesellschaft stieg anschliessend wie vorgesehen in die Bahn auf den Bürgenstock, Verletzte gab es keine.

Inzwischen liegt das Schiff in der Werft in Luzern, wo es repariert wird. Wie lange das dauert, ist noch offen.

Die Diamant konnte am Freitagvormittag aus eigener Kraft, aber nur sehr langsam, nach Luzern fahren, da weder die Steuerung noch sonst irgendwelche wichtigen Instrumente beschädigt wurden. Auf ihrem Weg in die Werft wurde die Diamant vom Motorschiff Winkelried und ein paar kleinen Booten begleitet.

Wer war an der Rettungsaktion beteiligt?

Geleitet wurde der Einsatz von der Feuerwehr Luzern mit Unterstützung der Feuerwehr Stansstad. In deren geographischem Verantwortungsgebiet kam es zum Unfall. Zusätzlich waren die Feuerwehren aus Stans, Beckenried, Küssnacht am Rigi und Ingenbohl (SZ) beteiligt.

Letztere lieferten hauptsächlich das notwendige Material, vor allem Pumpen und Dichtungsmaterial, wie Markus Portmann, stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Luzern, auf Anfrage sagt. Denn die im Schiff installierten Geräte hätten den Untergang der Diamant alleine nicht verhindern können. Insgesamt waren 65 Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei im Einsatz.

Wieso so viele Einsatzkräfte?

Der Einbezug der verschiedenen Feuerwehren aus drei Kantonen wurde aufgrund der technischen Herausforderungen notwendig.  Da die Zufahrt zum Unfallort auf dem Landweg mit grossen Fahrzeugen sehr schwierig ist, musste viel Gerät über den See transportiert werden.

«Es gibt im Moment keinen Anlass, davon auszugehen, dass es sich um technisches Versagen handelt.»

Stefan Schulthess, Direktor SGV

«Beim Einsatz der Feuerwehren handelte es sich um sogenannte technische Hilfeleistungen», erklärt Portmann. Die Arbeiten zur Abdichtung des Rumpfes und zur Stabilisierung des Schiffes wurden von der Shiptec, der Bauabteilung der SGV übernommen. Diese war mit Spezialisten vor Ort. Damit die Löcher auch von aussen abgedichtet werden konnten, standen die ganze Nacht Polizeitaucher im Einsatz.

Dies musste sehr rasch geschehen, da in drei Abteilungen des Schiffrumpfes das Seewasser bereits nach kurzer Zeit brusthoch stand. Durch das schnelle Eingreifen der Einsatzkräfte konnte Schlimmeres verhindert werden. Ein Sinken der Diamant war also nicht komplett auszuschliessen.

Wann sinkt ein Schiff?

Ein Schiff hält sich über Wasser, solange das Gewicht des durch den Schiffsrumpf verdrängten Wassers höher ist, als das Gewicht des Schiffes selber. Die MS Diamant wiegt unbeladen gut 400 Tonnen. Wenn Wasser ins Schiffsinnere dringt, steigt folglich dessen Gewicht rasant an, während das Gewicht des verdrängten Wassers gleich bleibt. Das Schiff beginnt zu sinken. Bei der Diamant sind wegen des Unfalls drei von zehn sogenannten Schotträumen (voneinander getrennte Kammern im Rumpf) fast komplett vollgelaufen. Zu viel für das Schiff. Ohne den Einsatz der Pumpen der Feuerwehr, wäre die Diamant folglich gesunken.

Wie kam es zum Unfall?

«Es gibt im Moment keinen Anlass davon auszugehen, dass es sich um technisches Versagen handelt», sagt Stefan Schulthess, Direktor der SGV. Weitere Aussagen zum Unfallhergang und wieso es üerhaupt dazu kam, kann er auf Nachfrage zurzeit nicht machen. Dies sei Aufgabe der eidgenössischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST), die den Unfall untersucht.

Der Unfall ereignete sich knapp 400 Meter von der Anlegestelle Kehrsiten-Bürgenstock entfernt. Die Diamant rammte unter Wasser einen Felsen und schrammte diesem mit dem hinteren Teil des Schiffes auf der Backbordseite (links) entlang, wodurch mehrere Handgrosse Löcher und ein langer Riss entstanden.

An den betroffenen Stellen schoss das Wasser wie Fontänen in den Bauch der Diamant, wie Augenzeugen, die sich unter anderem in der Küche im Rumpf des Schiffes aufhielten, berichteten.

Da es sich am Donnerstagabend um einen privaten Anlass handelte, absolvierte die Diamant einen speziellen dreistündigen Rundkurs mit Start und Anfang in Kehrsiten. Inwiefern der spezielle Kurs einen Einfluss auf die Havarie hatte, muss erst noch geklärt werden. Wieso das Schiff so nahe ans Ufer gelangte, ist also Gegenstand der Ermittlungen.

War es also menschliches Versagen?

Auf den Schiffen der SGV sind jeweils zwei Personen im Einsatz, die das Schiff navigieren können. Ob zum Zeitpunkt des Unfalls der Kapitän (Schiffsführer) oder die andere Person am Steuer war und wer letztlich die Hauptverantwortung für den Unfall trägt, will Schulthess nicht sagen.

Musste die Person am Steuer nicht davon ausgehen, dass die entsprechende Stelle gefährlich ist? Und hätten die Systeme nicht Alarm schlagen müssen? Die Diamant ist schliesslich mit modernster Navigationstechnik wie GPS ausgerüstet.

«Es ist überhaupt nicht so, dass jeder Zentimeter des Vierwaldstättersees exakt vermessen ist», sagt Stefan Schulthess. Auf reine technische Hilfe konnte sich die Person am Steuer also nicht verlassen.

«Die verantwortlichen Personen stehen bis auf Weiteres nicht im Dienst», so Schulthess. Dies aus Gründen der Sicherheit. Dies sei bei allen aussergewöhnlichen Ereignissen so. Unabhängig von der Art und dem Ausmass des Schadens. Folglich gibt es gemäss Schulthess auch jetzt kein spezielles Verfahren.

Der Rettungseinsatz im Video:

Wie erfahren war die Person am Steuer?

Die im Einsatz stehenden verantwortlichen Personen weisen laut Schulthess beide eine sehr grosse Erfahrung auf. Sie sind seit vielen Jahren auf dem Vierwaldstättersee mit Kursschiffen unterwegs und haben die Station Kehrsiten dutzende Male angelaufen.

Wie hoch ist der Schaden am Schiff?

Die SGV rechnet mit einer Schadensumme im Millionenbereich. Wie hoch der finanzielle Schaden allerdings konkret ausfällt, kann Direktor Stefan Schulthess auf Nachfrage (noch) nicht sagen.

«Es ist überhaupt nicht so, dass jeder Zentimeter des Vierwaldstättersees exakt vermessen ist.»

Stefan Schulthess, Direktor SGV

Den Löwenanteil des Schadens werden voraussichtlich die elektronischen Geräte in den gefluteten Räumen wie der Schiffsküche ausmachen. Die Risse am Rumpf sind laut Schulthess vergleichsweise günstig zu reparieren. Die Reparaturarbeiten wird die SGV selber vornehmen.

Finanziell wird der Unfall die SGV jedoch kaum in Schwierigkeiten bringen. «Wir sind gegen solche Vorfälle sehr gut versichert», sagt Stefan Schulthess.

Wie hoch sind die Betriebsausfälle?

Auch welchen finanziellen Schaden der Ausfall der MS Diamant hinsichtliches des Schiffsbetriebes haben wird, kann Schulthess im Moment noch nicht sagen. Das Prunkstück der SGV ist jedenfalls sehr gut gebucht.

Viele Firmen- und Privatanlässe fanden seit der Inbetriebnahme des Schiffes in diesem Frühjahr an Bord der Diamant statt. 15,5 Millionen investierte die SGV in ihr neuestes Schiff. Bereits am Tag nach der Kollision hätte wieder ein Anlass stattfinden sollen. Man konnte aber auf ein anderes Schiff ausweichen.

Stefan Schulthess hofft, dass die Kunden dies auch weiterhin tun werden, solange die Diamant ausser Betrieb ist oder eine Lösung an Land finden. Zum Beispiel mit der der SGV angeschlossenen Gastrofirma Tavolago. Bis jetzt habe jedenfalls noch kein Kunde abgesagt, so Schulthess.

Und was ist mit dem Silvestergeschäft?

Wie lange das Schiff ausfallen wird, ist laut SGV im Moment nur schwer abschätzbar. Denn dies hängt davon ab, wie gross letztlich die Schäden an der technischen Einrichtung sind. Dies müsse nun als Erstes geklärt werden.

Die spezielle Silvesterrundfahrt wird aber sicherlich nicht wie vorgesehen auf der Diamant stattfinden. Die SGV wird den Rundkurs mit einem anderen Schiff durchführen.

Ob der Ausfall des Bijous einen Einfluss auf die Auslastung der Silvesterfahrt haben wird, kann Schulthess noch nicht sagen. Auch hier gab es bisher keine Rückgabe von gebuchten Tickets.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Cho
    Cho, 11.12.2017, 16:05 Uhr

    Da hatte einer in Geographie einen Fensterplatz:
    «Der Unfall ereignete sich knapp 400 Meter östlich (Richtung Stansstad) von der Anlegestelle Kehrsiten-Bürgenstock entfernt.»

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    • Profilfoto von Claudio Birnstiel
      Claudio Birnstiel, 11.12.2017, 18:09 Uhr

      Vielen Dank für den Hinweis.

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