Zürcher Entscheid hat Auswirkungen auf Zug und Luzern

Hat der Nachtzuschlag ausgedient?

Ein Nachtstern der VBL in Luzern. (Bild: zvg)

Zürich will nichts mehr wissen vom «Nachtfünfliber», mit dem das Ausgangsvolk das nächtliche ÖV-Netz finanziert. Wenn der Zuschlag wegfällt, hat das auch Auswirkungen auf die Linien nach Zug und Luzern. Nun stehen komplizierte Verhandlungen bevor.

Eigentlich unfair: Wer einen Nachtexpress in Zug besteigt, zahlt nicht nur das reguläre Ticket, sondern auch fünf Franken obendrauf. In einem Übereinkommen haben sich die verschiedenen Tarifverbunde im Grossraum Zürich und in den angrenzenden Kantonen einst auf diesen «Nachtfünfliber» geeinigt.

Egal also, ob ich in Zürich oder Zug des Nachts einsteige, der Zuschlag ist immer derselbe. Auch der Nachtzug Zürich–Zug–Luzern, der immer Freitag- und Samstagnacht fährt, ist in das Zuschlagssystem eingebunden. Separate Tarife kennt allerdings das Nachtstern-Angebot in Luzern – dazu später.

Zürcher Entscheid mit Folgen

Doch nun gerät das austarierte System ins Wanken. Grund: Der Kanton Zürich prescht vor und will überraschend den Nachtzuschlag abschaffen. Ab Ende 2021 soll der Fünfliber wegfallen, so die Pläne des Kantons Zürich und des Zürcher Verkehrsverbunds ZVV.

19 Jahre nach Einführung der ersten Nachtbusse hat sich das Nachtnetz emanzipiert, es werde «erwachsen», sagte Regierungsrätin Carmen Walker Späh zum «Tages-Anzeiger». Gleichzeitig mit der Abschaffung des unbeliebten Zuschlags wird das Netz weiter ausgebaut und auf den Hauptachsen quasi zu einem regulären durchgehenden Viertelstundentakt.

Grund für den Zuschlag war ursprünglich, dass das Nachtnetz kostenneutral betrieben werden muss. Die Nachtschwärmer mussten mit den fünf Franken das Angebot selber finanzieren.

Komplexe Verhandlungen stehen an

17 Millionen Franken lässt sich der Kanton Zürich das Nachtnetz künftig jährlich kosten, gleichzeitig wird mit einer 30 Prozent stärkeren Nachfrage gerechnet und es sinken ab 2021 die Trassenpreise für die Benutzung der Schienen. Alles in allem rechnet der ZVV darum damit, dass es letztlich ein Nullsummenspiel wird.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Der ZVV kann die Nachtzuschläge nicht eigenhändig abschaffen, sondern muss die Verträge mit den Tarifverbundspartnern über den einheitlichen Nachtzuschlag auf Ende 2022 kündigen. Auch der Zuger Tarifverbund ist davon betroffen.

Sollte das Zürcher Kantonsparlament im Frühling der Abschaffung zustimmen, müssen diese Verträge mit dem ZVV neu ausgehandelt werden. Dass Kunden künftig ab der Kantonsgrenze einen Zuschlag zahlen müssen, ist wohl in niemandes Interesse. Aber es ist schlicht noch zu früh zu sagen, wie eine Regelung aussehen würde.

Gespräche stehen kurz bevor

Was passiert also mit dem Zuschlag auf den kantonsübergreifenden Linien – sprich nach Zug und Luzern? Und gibt es auch in der Innerschweiz Bestrebungen, den nächtlichen Zuschlag zu streichen?

Die Zugerland Verkehrsbetriebe (ZVB) betreiben jeweils Freitag- und Samstagnacht sechs Nachtexpress-Busse in alle Richtungen im Kanton Zug. Zudem gibt es den von den SBB betriebenen Nachtzug von Zürich via Zug nach Luzern.

«Das Thema wird aktiv besprochen.»

Karin Fröhlich, Zugerland Verkehrsbetriebe

Bei der ZVB gibt man sich noch vage: Man erkenne ein stetiges Bedürfnis an Verbindungen in der Nacht während den Wochenenden. «Die Nachfrage entwickelt sich in unserer Region erfreulich», sagt Sprecherin Karin Fröhlich.

Wie indes der ZVB auf die Abschaffung des «Nachtfünflibers» reagieren wird, ist noch offen. «Die Entwicklungen beim ZVV nehmen wir zur Kenntnis. Das Thema wird aktiv besprochen.» Allfällige Massnahmen und das weitere Vorgehen werden mit den Transportunternehmen und den Bestellern Kanton und Bund diskutiert. «Erste Gespräche finden ab nächster Woche statt», sagt sie.

Auch die SBB, als Betreiberin der Nachtlinie zwischen Zürich und Luzern, können noch keine Prognose abgeben. Derzeit sei die kantonale Politik am Zug, sowohl in Zürich wie auch in Luzern. «Die SBB wird allfällige Entscheide der Kantone beziehungsweise von deren Verbünden über die Verbundnachtzuschläge akzeptieren.»

Nachtstern kostet 7 Franken

Nochmals anders sieht die Sache in Luzern aus: Hier wird das Nachtbus-Angebot losgelöst vom Einheitszuschlag betrieben. Für den «Nachtstern» bezahlt man sieben Franken für eine Fahrt oder zehn, wenn sie durch zwei Tarifzonen führt. Es handelt sich also nicht um einen Zuschlag, sondern ein eigenes nächtliches Tarifsystem, für das Halbtax, GA und andere Abos nicht gültig sind.

Jede Freitag- und Samstagnacht verkehren zwölf verschiedene nächtliche Linien ab dem Bahnhof Luzern. Das Nachtnetz wird von den Transportunternehmen VBL, PostAuto, Rottal Auto AG und Auto AG Rothenburg betrieben.

Luzern ins Tarifsystem einbinden

Auch in Luzern wird derzeit rege über die künftige Strategie des Nachtangebots diskutiert. Bis Ende 2021 soll das Angebot neu aufgegleist werden. Eine Studie im Auftrag des Verkehrsverbundes Luzern (VVL) kam zum Schluss: «Grundsätzlich kann im gesetzlichen Rahmen ein Nachtangebot durch die öffentliche Hand mitfinanziert werden.» Es ist also eine politische Frage, ob künftig die öffentliche Hand das finanzieren will – wie es in Zürich geplant ist.

Der VVL empfiehlt auch für Luzern eine Abindung an die einheitliche Regelung: Dass also auch für das Nachtnetz die gleichen Tarife und Abos wie tagsüber plus Zuschlag gelten. «Die Übernahme des quasi-nationalen Nachtzuschlag mit dem ‹Fünfliber› bringt für den Fahrgast Synergien und dockt an ein funktionierendes Gesamtsystem an», heisst es.

Doch wie dieses «funktionierende System» in Zukunft aussehen wird, ist mit dem Entscheid aus Zürich wieder offener denn je. Gut möglich, dass Luzern und Zug dem Beispiel folgen werden.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 15.11.2019, 10:40 Uhr

    In ZH wird er abgeschafft. Man erwartet vom Fussvolk umzusteigen auf ÖV. Nur wie den? Zb.in Emmen wurde die Linie 53 weggenommen. Eine direkte Verbindung nach Luzern. Die VBL Glaubt mit 10x Umsteigen sei es einfacher, aber für die älteren Leute (gehbehindert, mit Rollator) ist dies mühsam, denn an der nächsten Haltestelle sieht man die Rücklichter des Busses. Oder Hornbach: Angekommen, mit dem Bus, wartet man 20 Min, bis ein Büsli kommt. Eine Zumutung. Auch die Linie 5 die leer herumkurvt, anstelle gleich bis Emmen Coop, wo sie gut um den Coop wenden könnte. Ein grosser Neubau und ein Wohnquartier, aber es hapert in der Intelligenz gewissen Köpfen der VBL.

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    • Profilfoto von Patrick
      Patrick, 15.11.2019, 13:35 Uhr

      Ja, so ist es. Überall wird gebaut, Wohnquartiere, Zentren aus dem Boden gestampft. Aber an die Verkehrswege, auch ÖV, wird wenn überhaupt nur an zweiter Stelle gedacht, am liebsten noch wegrationalisiert. Die zunehmenden Verkehrsprobleme in der Zentralschweiz sind wirklich hausgemacht, und ein Ende ist nicht in Sicht. Eine ganzheitliche Vorgehensweise mit Fokus auf Nachhaltigkeit täte dringend not, speziell in der heutigen Zeit. Alles andere belastet Mensch und Umwelt und führt unweigerlich ins totale Chaos.

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  • Profilfoto von Patrick
    Patrick, 15.11.2019, 09:17 Uhr

    Nachtzuschläge gehören grundsätzlich abgeschafft und der ÖV muss im allgemeinen billiger werden. Dann steigen die Leute im grossen Stil vom Auto um. Wenn es der Politik ernst ist mit Umwelt-/Klimaschutz, dann müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ansonsten passiert nie etwas und es bleibt wieder nur beim Geschwafel. Dies sage ich als Nicht-Grüner (habe SVP gewählt).

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