Luzerner Kantonsrat: Polizeigesetz

Hartes Regime gegen Demo-Chaoten

Geht an Demos etwas schief, können Veranstalter künftig stärker zur Kasse gebeten werden. (Bild: zvg)

Wer soll die Polizeikosten bei Demonstrationen, Grossveranstaltungen und Fussballspielen bezahlen? Und vor allem: wie viel? Der Kantonsrat zeigte sich von seiner harten Seite und beschloss, dass Chaoten bis zu 30’000 Franken hinblättern müssen. Auch wenn er sich damit auf rechtlich heikles Terrain begibt.

Schlussendlich war es eine klare Sache: Mit 88 zu 21 Stimmen stimmte der neue Kantonsrat in zweiter Lesung dem neuen Polizeigesetz zu. Grundsätzliche Stossrichtung des neuen Gesetzes ist, dass Krawallmacher und Veranstalter für verursachte Schäden und Polizeikosten verpflichtet werden können, einen Teil der verursachten Polizeikosten zu übernehmen. Veranstalter werden dann kostenpflichtig, wenn sie vorsätzlich oder grobfahrlässig die Bewilligungsauflagen nicht eingehalten haben. Sie müssen mit einer Kostenübernahme von 40 Prozent respektive maximal 30’000 Franken rechnen.

Maximale Härte gegenüber Krawallmachern

Streitpunkt war auch wie schon in der ersten Lesung im Frühling wieder die maximale Höhe der Kostenbeteiligung für gewaltausübende Personen. Der Regierungsrat schlug ursprünglich ein Limit von 4’000 Franken vor, die vorberatende Justiz- und Sicherheitskommission (JSK) und eine Mehrheit im Parlament wollten aber eine Kostenübernahme von bis zu 30’000 Franken für einzelne Krawallmacher. Auch an diesem Montag, bei der abschliessenden Beratung, fand diese Idee eine grosse Mehrheit. Das Parlament entschied sich damit für eine maximale Härte gegenüber Personen, die bei einer Veranstaltung Gewalt ausüben.

Zwei Anträge, welche eine moderatere Lösung vorschlugen, blieben chancenlos. Hans Stutz (Grüne) wollte, dass der ursprünglich von der Regierung vorgeschlagene Betrag von 4000 Franken beibehalten wird. Ruedi Burkard (FDP) hingegen schlug vor, dass höchstens 10’000 Franken in Rechnung gestellt werden dürfen.

«Das wird Leute abschrecken, die ihre Grundrechte ausüben möchten.»

Martin Krummenacher, SP

Von linker Ratsseite wurde kritisiert, dass mit einer zu hohen Kostenbeteiligung die Ausübung der Grundrechte gefährdet würden. «Wir verurteilen Gewaltexzesse, aber mit so hohen Forderungen setzt man die Verhandlungsfreiheit aufs Spiel», sagte Martin Krummenacher (SP, Willisau). «Das wird Leute abschrecken, die ihre Grundrechte ausüben möchten.» 4’000 Franken – der Betrag, den die Regierung ursprünglich vorgeschlagen hat – sei ausgewogen und fusse auf Erfahrungswerten der Vergangenheit. «Diese 4’000 Franken sind ja nur ein Teil der Kosten, welche ein Krawallmacher zu entrichten hätte, es kommen ja noch Bussen und Strafen hinzu.»

Gebühr, keine Strafe

Auch die GLP versuchte vergeblich, die Gebühren nicht auf 30’000 Franken anzusetzen. «Es geht hier schliesslich um eine Verrechnung der Gebühren und nicht um eine Strafe», sagte Samuel Odermatt (Sursee). Im Gegensatz zu einem Hooligan werde einem Mörder ja auch nicht nebst seiner Strafe die Kripo-Arbeit hinzuverrechnet. «Offenbar geht es hier darum, aus Gebührenrecht Strafrecht zu machen.»

Hans Stutz (Luzern) von den Grünen hielt ebenfalls mit Kritik nicht zurück: Es gehe vor allem darum, die Demonstrationsfreiheit einzuschränken, die Fussballchaoten seien nur Nebensache. Der hohe Betrag habe einen Abschreckungseffekt, der fragwürdig sei. Und er verwies darauf, dass man sich mit der harten Gangart auf gesetztlich heikles Terrain begebe. «Ein Urteil des Verwaltungsgerichts hat festgehalten, dass mit zu hohen Beträgen keine Demonstrationen mehr organisiert würden, weil die Kosten gescheut werden. Für einen Studenten oder Schüler sind 4’000 Franken bereits ein hoher Betrag.»

Eine Mehrheit der FDP setzte sich immerhin für die Variante ein, dass «nur» 10’000 Franken verrechnet werden können. «4’000 ist viel zu klein, weil es nicht kostendeckend wäre und 30’000 ist zu hoch», meinte Ruedi Burkard (Horw).

Schärli mit Charme-Offensive

Auch die Regierungsrätin Yvonne Schärli versuchte noch, den Rat davon zu überzeugen, auf die ursprüngliche Version einzuschwenken und warnte eindringlich vor rechtlichen Turbulenzen: «Wir haben für eine Sitzung einen Rechtskonsulenten eingeladen, eine Massnahme, die wir nur im Notfall ergreifen. Dieser bestätigte, dass 30’000 Franken einer Normenkontrolle nicht standhalten würde.» Sie gab zu Bedenken, dass man mit dem neuen Gesetz höheres Recht verletzen werde, was zu Komplikationen führe. Am Schluss versuchte es die scheidende SP-Frau noch mit Charme: «Ich hoffe, dass Sie der Regierung folgen, dann können wir in Harmonie auseinandergehen.»

Es nützte alles nichts: Der Rat hielt an der harten Variante fest, nur GLP, SP und Grüne waren für die Variante der Regierung. Und Schärli nahm es einigermassen gelassen. «So passt es ja zu mir, wenn unser Verhältnis nicht immer ganz harmonisch verläuft.»

«Ich hoffe, dass Sie der Regierung folgen, dann können wir in Harmonie auseinandergehen.»

Yvonne Schärli, Regierungsrätin

Einig waren sich Parlament und Regierung immerhin bei der Frage der unentgeltlichen Einsatzstunden, welche die Polizei bei Grossanlässen leistet. «Über die Höhe der «Service-Public»-Stunden sind wir einer Meinung, die 200 Stunden scheinen richtig zu sein», sagte Schärli. Diese werden aber nicht im Gesetz, sondern auf Verordnungsebene festgehalten. Dies dürfte vor allem die Verantwortlichen des FCL – Präsident Ruedi Stäger wohnte der Debatte auf der Zuschauertribüne bei – freuen. Die Idee, die «Gratis-Stunden» auf 120 zu reduzieren, hätte dem Club erhebliche Mehrkosten beschert.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pirelli
    Pirelli, 24.06.2015, 10:44 Uhr

    Das ist ein klarer Angriff auf das Demonstrationsrecht. Es wird so kommen wie am 2. Mai schon vorexerziert: Die Polizei überfällt grundlos und unprovoziert eine friedliche Demo – und stellt den VeranstalterInnen dann Rechnung. Von jetzt an bestimmt also die Polizei, wer seine Grundrechte wahrnehmen darf und wer wie viel dafür zu bezahlen hat. Bürgerliche «Politik» ist zum Kotzen. Und als Schlagraumhäubchen auf dem ungeniessbaren Dessert wird auch der Krieg mit Wörtern intensiviert: Zentral+ übernimmt in schauderhafter Anbiederung Vokabeln wie «Demo-Chaoten» (das passt zur erst unkritisch übernommen Presselüge der Polizei am 2. Mai), und ein rechter Dampfplauderei meint, eine historisch übelst belastete Invektive wie «Gutmensch» ersetze ein tatsächliches Argument.

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