Nicht genau hingeschaut

Häusliche Gewalt: Staatsanwaltschaft Luzern stellt Verfahren voreilig ein

Die Frau meldete sich erst zwei Wochen nach dem Streit bei der Polizei – das machte die Beweislage schwierig. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Ein Luzerner Ehepaar hat sich im März 2020 heftig gestritten. Die Aussagen gehen auseinander, ob der Mann seine Frau verprügelt hat oder nicht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nicht gross – sondern stellt das Verfahren kurzerhand ein.

Was ist an jenem Abend wirklich passiert? Die Staatsanwaltschaft Luzern hat keine Hoffnung, das jemals herauszufinden. Klar ist: Es gab einen Streit zwischen einem Mann und seiner Ehefrau. Dabei gingen zwei Smartphones zu Bruch, die Frau flüchtete aus der Wohnung und seither leben die beiden getrennt voneinander.

Umstritten ist, was sonst noch passiert ist. Die Frau sagt knapp zwei Wochen später bei der Polizei aus, ihr Mann habe sie geohrfeigt, geschlagen und getreten. Sie legt den Polizistinnen Fotos von den blauen Flecken vor, die sich rund um ihre Ohrmuschel gebildet haben.

Der Ehemann aber bestreitet, gewalttätig geworden zu sein. Die Staatsanwaltschaft hält das für möglich oder zumindest nicht für «gänzlich unglaubwürdig». Sie stellt das Verfahren ein. Die Aussagen würden sich nun mal «diametral unterscheiden» – und weitere Beweise gebe es nicht.

Kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung

Es sei beispielsweise unklar, wann die Bilder von den Verletzungen gemacht worden seien. Von der Nanny, welche den Streit gemäss der Ehefrau mitbekommen habe, wisse man nur den Vornamen. Deshalb habe man sie nicht befragen können. Und der Schwiegervater, zu welchem die Frau an jenem Abend flüchtete, müsse wegen seines Zeugnisverweigerungsrechts nicht gegen seinen Sohn aussagen.

Die gewalttätigen Übergriffe lassen sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft also nicht beweisen. Und was das kaputte Smartphone angeht, so hält sie in der Einstellungsverfügung lediglich fest, dass sich die beiden in einer «wechselseitigen Auseinandersetzung durch die Beschädigung der Mobiltelefone bereits Gerechtigkeit verschafft» hätten. Es bestehe «kein öffentliches Interesse» daran, dies weiter zu verfolgen.

Dass der Vater gegen den Sohn aussagt, «erscheint ausgeschlossen»

Damit macht es sich die Staatsanwaltschaft aus Sicht des Kantonsgerichts Luzern allerdings zu einfach. Nachdem die Frau die Einstellungsverfügung angefochten hat, geben ihr drei Kantonsrichter nun recht.

Aus dem Urteil geht hervor, dass die Staatsanwaltschaft – abgesehen von der Einholung eines Strafregisterauszugs ­– keinerlei Untersuchungshandlungen vorgenommen hat. Das liegt teils an der Frau selber. Die Kosovarin hat den Behörden – aus welchen Gründen auch immer – den Namen der Nanny nicht genannt.

Bleibt der Schwiegervater als möglicher Zeuge. Er wurde nicht befragt. Allerdings verspricht sich auch das Gericht wegen des «familiären Näheverhältnisses» wenig davon, dies nachzuholen. «Es erscheint ausgeschlossen, dass von der Einvernahme des Vaters neue Erkenntnisse zu erwarten wären», heisst es im Urteil.

Wer hat wessen Smartphone zerstört?

Was die häusliche Gewalt angeht, hat die Staatsanwaltschaft aus Sicht der Richter damit ihre Schuldigkeit getan. Sie sei nicht verpflichtet, «alle erdenklichen Ermittlungshandlungen vorzunehmen», so das Kantonsgericht. Trotzdem hebt es die Einstellungsverfügung auf. Und zwar, weil die Sache mit den beschädigten Smartphones nicht sauber abgeklärt wurde.

Dazu wurde nämlich nur der Mann, nicht aber die Frau befragt. Bei dieser Ausgangslage einfach davon auszugehen, dass man sich die Handys gegenseitig kaputt gemacht hat, greift aus Sicht des Kantonsgerichts zu kurz. Die Staatsanwaltschaft wird die Frau demnach nochmals befragen müssen, bevor sie erneut über den Fall befinden kann.

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