Baugenossenschaft geht neue Wege

Günstiger eine Wohnung kaufen: Luzern lanciert Pilotversuch

Das Areal Industriestrasse wird in den nächsten Jahren überbaut – geplant ist auch eine neue Form von Wohneigentum. (Bild: Gabriel Ammon/AURA)

Der Traum von den eigenen vier Wänden können sich gerade in der Stadt viele nicht leisten. Das soll sich ändern: Auf dem Areal Industriestrasse ist ein Pilotprojekt für gemeinnütziges Wohneigentum geplant. Die Idee stammt aus bürgerlicher Küche.

Eine günstige Bleibe zu finden, ist in der Stadt nicht einfach. Noch schwieriger wird es, wenn man eine Wohnung kaufen will. Die hohen Bodenpreise und das knappe Angebot führen dazu, dass Käufer ein dickes Portemonnaie brauchen.

Das stört FDP, CVP und GLP. Gemeinsam haben sie die Idee des «flexiblen Wohneigentums» in der Stadt Luzern aufs Tapet gebracht – und Gehör gefunden.

Das Modell, das der Verband Wohnen Schweiz erarbeitet hat, sieht so aus: Eine Baugenossenschaft erstellt Wohnungen und bietet sie teilweise zum Verkauf an. Sie behält dabei das alleinige Vor- und Rückkaufsrecht. Mit dem Vertrag wird gleich der Preis für einen späteren Rückkauf festgelegt. Sprich: Will der Käufer in 20 oder 30 Jahren wieder ausziehen, tritt er die Bleibe zum vorgängig festgelegten Preis ab. Damit sollen Spekulationen von Anfang an der Riegel geschoben und das Gewinnstreben ausgeschlossen werden.

Liberale Baugenossenschaft geht voran

Wie das in der Praxis funktioniert und ankommt, soll in der Stadt Luzern nun getestet werden. Und zwar an der Industriestrasse, wo fünf Genossenschaften ab 2022 gemeinsam eine neue Siedlung bauen (zentralplus berichtete). Die Liberale Baugenossenschaft plant in einem ihrer zwei Gebäude dort drei Atelierwohnungen nach dem skizzierten Modell zu verkaufen. Ihr Präsident, Daniel Burri, steht auch dem Verband Wohnen Schweiz vor.

«Die Wohnungen werden sicher günstiger sein als im Durchschnitt eine Eigentumswohnung auf dem Markt zu kaufen ist.»

Manuela Jost, Stadträtin

Der Stadtrat begrüsst diesen Pilotversuch. «Eigentum geht gut mit dem Prinzip der Gemeinnützigkeit zusammen – auch Leute mit kleinerem Eigenkapital sollten die Möglichkeit haben, Eigentum erwerben zu können», sagt Baudirektorin Manuela Jost. Der Stadtrat sieht im flexiblen Wohneigentum eine Chance, das Angebot im Bereich des gemeinnützigen Wohnens zu erweitern – und dadurch neue Zielgruppen für das genossenschaftliche Wohnen anzusprechen.

Eine solche Zielgruppe sind ältere Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, sagt Martin Schwegler, Vize-Präsident des Verbands Wohnen Schweiz und Rechtsanwalt in Menznau. «Sie haben häufig keinen Anreiz, ihre grossen Häuser zu verlassen.» Das erhöhe den Wohnflächenverbrauch pro Person. Ein Problem, das auch die Stadt betrifft (zentralplus berichtete).

Bislang gibt es an rund fünf Orten Pläne für gemeinnütziges Wohneigentum, darunter ein Projekt der Kirchgemeinde in Neuenkirch. Der Verband ist erfreut, dass in Luzern ein Mustermodell entstehen soll.

Wie viel günstiger kann Wohneigentum sein?

Gemäss aktuellen Zahlen kann sich in der Schweiz aktuell nur noch jeder zehnte Haushalt eine Wohnung leisten, weil aufgrund der hohen Preise auch die Eigenkapitalanforderungen gestiegen sind. Die Hoffnung ist, dass sich das mit dem gemeinnützigen Wohneigentum zumindest ansatzweise verbessern könnte.

«Die Wohnungen werden sicher günstiger sein als im Durchschnitt eine Eigentumswohnung auf dem Markt zu kaufen ist», sagt Stadträtin Manuela Jost. Zahlen könne sie nicht nennen. Es sei aber davon auszugehen, dass sich Menschen mit tieferem Einkommen auf diesem Weg eher eine eigene Wohnung werden leisten können. 

«In der Stadt ist Wohneigentum in den letzten Jahren teuer geworden. Auf diesem Weg wird es etwa für Familien wieder eher erschwinglich.» 

Marc Lustenberger, FDP-Grossstadtrat

Wie viel preiswerter gemeinnütziges Wohneigentum wird als auf dem freien Markt, kann auch Martin Schwegler nicht beziffern. Er hält fest: «Eine Baugenossenschaft kann nicht günstiger bauen als private Bauherren. Weil sie aber nicht auf Spekulation aus sind, werden die Angebote tendenziell günstiger ausfallen.» 

Das glaubt auch FDP-Grossstadtrat und Postulant Marc Lustenberger. «In der Stadt ist Wohneigentum in den letzten Jahren teuer geworden. Auf diesem Weg wird es etwa für Familien wieder eher erschwinglich.» Da mit gemeinnützigen Immobilien kein Gewinn erwirtschaftet wird, nehme dieses Modell etwas Druck aus dem Wohnungsmarkt. «Wir sind gespannt, ob die Nachfrage vorhanden ist und das Modell in der Praxis funktioniert.»

Das interessiert sogar den Bund

Denn noch sind mehrere Punkte ungeklärt. Etwa, ob die Wohnungen vererbt werden, wie grössere Umbauten und Sanierungen verrechnet werden können oder unter welchen Umständen eine Untermiete möglich ist. «Es sind noch einige Fragen offen, denn das Modell ist neu», sagt Manuela Jost. «Aber es lohnt sich, offen zu sein und auch im Bereich der Gemeinnützigkeit neue Modelle zu testen.»

Inwiefern eine konkrete Nachfrage bestehe, werde der Pilotversuch zeigen. Das erste Zwischenfazit soll 2024 gezogen werden. Das Projekt ist auch national von Interesse. Laut dem Stadtrat prüft das Bundesamt für Wohnungswesen einen Forschungsauftrag, bei dem Luzern mit dem Pilotprojekt auf dem Areal Industriestrasse mitmachen würde.

Noch muss das Stadtparlament – ab September in neuer Zusammensetzung – dem Postulat zustimmen. Marc Lustenberger von der FDP hofft, dass der neue Weg politisch auf Anklang stösst. «Es wäre schön, wenn die Ratslinke diesem Modell als Ergänzung im gemeinnützigen Wohnungsbau eine Chance geben würde.»

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