Ziel der FDP ist plötzlich sehr hoch gegriffen

Günstige Wohnungen in der Stadt Zug: Die Politik veranstaltet einen Zahlensalat

Wie hier in der Herti 6 soll es in den kommenden 20 Jahren noch viel mehr günstige Wohnungen geben. (Bild: beh)

Der Zuger Stadtrat muss aufzeigen, wie der Anteil preiswerter Wohnungen langfristig auf 20 Prozent erhöht werden kann. Die FDP, die einen erfolgreichen Vorstoss lancierte, ging dabei aber von falschen Zahlen aus. Wie rasch es bei der Förderung von günstigem Wohnraum weitergeht und welche Pläne mehrheitsfähig sind, steht deshalb in den Sternen.

Der Zuger Stadtrat muss einen Plan ausarbeiten, wie er in den kommenden Jahren den Bau von preiswertem Wohnraum in der Stadt Zug fördern will. Ende März hat eine Allianz aus Linken und FDP einen entsprechenden Vorstoss der Letzteren überwiesen (zentralplus berichtete). Ziel: Langfristig soll es in der Stadt Zug 20 Prozent preisgünstige Wohnungen geben.

«Während der preisgünstige Wohnungsbau in den ländlichen Gebieten noch in den Kinderschuhen steckt, ist die Stadt Zug mit einem Anteil von 14 Prozent ein Leuchtturm. Auch im Vergleich mit anderen Städten in der Schweiz. Dies soll so bleiben und die Vorreiterrolle weiter ausgebaut werden», begründete FDP-Fraktionschef Etienne Schumpf im Parlament das Einreichen der Motion. Will heissen: Der Anteil erschwinglicher Wohnungen müsste innerhalb von 20 Jahren um sechs Prozent erhöht werden. Dieses Ziel scheint realistisch.

Hat die FDP da etwas übersehen?

Doch wie eine kurze Recherche von zentralplus zeigt, ist dies wohl viel zu hoch gegriffen. Grund: In der Stadt Zug gibt es momentan nicht 14, wie von Schumpf dargelegt, sondern lediglich 9,2 Prozent günstige Wohnungen. Neu ist diese Zahl allerdings nicht. Bereits im Juli vergangenen Jahres wurde sie vom Stadtrat in einer Antwort auf eine Anfrage der FDP explizit genannt. In absoluten Werten: Von den gesamthaft gut 14'700 Wohnungen in Zug werden aktuell deren 1'358 als preiswert eingestuft. Auf Nachfrage kommt man bei der Stadt auch aktuell auf diese Werte.

«Als Milizpolitiker sind wir auf korrekte Informationen aus der Verwaltung angewiesen.»

Etienne Schumpf, Fraktionschef FDP

Die Freisinnigen könnten, ja müssten es also besser wissen, richtete sich die Stadtregierung mit ihren Ausführungen doch insbesondere an deren Partei FDP. Zwar steht an anderer Stelle tatsächlich die Zahl von 14 Prozent. In der zuständigen Kommission und im Parlament wurde das entsprechende Dokument diskutiert. Das ist mittlerweile aber sechs Jahre her und die dortigen Zahlen demnach spätestens seit der Antwort des Stadtrates auf die jüngste Interpellation der FDP längst überholt.

Freisinnige sehen den Fehler bei der Stadt

Weshalb hat die FDP dies übersehen und wie gehen die Freisinnigen damit um, dass es wohl einen viel grösseren Effort braucht, um die 20 Prozent zu erreichen, als sie angenommen haben? Denn mit Blick auf andere Städte ist Zug mit seinen 9,2 Prozent in Wirklichkeit alles andere als ein Leuchtturm, was erschwinglichen Wohnraum betrifft.

«Bei der Beratung des Parlaments zur Überweisung beziehungsweise Nicht-Überweisung hat sich der Stadtrat nicht einzuschalten.»

Dieter Müller, Kommunikationschef Stadt Zug

Den Fehler ortet FDP-Fraktionschef Etienne Schumpf jedenfalls nicht bei der Fraktion: ​«Wir haben die Zahlen vor der Ausarbeitung unserer Motion nochmals beim Stadtrat verifizieren lassen», schreibt er auf Anfrage. «Als Milizpolitiker sind wir auf korrekte Informationen aus der Verwaltung angewiesen.» Bei der Stadt kann man den genauen Hergang aufgrund von Ferienabwesenheiten derzeit jedoch nicht bestätigen.

Der Stadtrat sah keinen Grund zu intervenieren

Interveniert hat der Stadtrat auch nicht, als das Stadtparlament Ende März relativ lange und kontrovers über den FDP-Vorstoss debattierte. Hätte er aber nicht spätestens jetzt eingreifen müssen? Dazu schreibt der städtische Kommunikationschef: «Bei der Beratung des Parlaments zur Überweisung beziehungsweise Nicht-Überweisung einer Motion oder deren Umwandlung in ein Postulat hat sich der Stadtrat nicht einzuschalten. Dies ist Sache des Parlaments.» Es sei ausserdem üblich, dass der Stadtrat nur in Ausnahmefällen Stellung beziehe. Und zwar vorwiegend dann, wenn es um formelle und nicht bereits um konkrete inhaltliche Fragen gehe.

Wie es mit der Realisierung von günstigem Wohnraum mittelfristig weitergeht, ist daher schwer zu sagen. Denn der Stadtrat hat noch fast ein Jahr Zeit, bis er dem Parlament seinen Plan, wie die 20 Prozent mittel- bis langfristig realisiert werden sollen, vorlegen muss. Weiter ist zumindest fraglich, ob für die FDP am Ende des Tages mehr als eine Verdoppelung des Bestandes überhaupt noch hinnehmbar ist. Zumal durch den Bau der notwendigen 1'500 preiswerten Wohnungen der Boden für Renditeobjekte unweigerlich immer knapper wird.

Freisinnige wollen an der Forderung festhalten

Zumindest zum Stand heute wolle die FDP aber daran festhalten, betont Schumpf. Denn man habe in der Motion bewusst keine Jahreszahlen genannt, sondern die 20 Prozent als langfristiges Ziel definiert. «Bei der Ausarbeitung der Motionsantwort wird der Stadtrat dem tieferen Prozentsatz Rechnung tragen müssen und wollen, da wir keine Massnahmen unterstützen, die einen massiven Staatseingriff vorsehen. Zum Beispiel, indem die Stadt selber Wohnungen baut.»

Das Ziel müsse folglich auf Basis von genügend Anreizen für Private erreicht werden, so Schumpf. Ausserdem bestehe der Kern der Motion darin, dass bezahlbarer Wohnraum grundsätzlich erhalten und geschaffen werde. «Beim Bericht und Antrag des Stadtrates zu unserer Motion haben wir und das Parlament die Möglichkeit, den Vorstoss als erheblich zu erklären oder nicht, falls die Stossrichtungen nicht in unserem Sinne sind.»

Die Wohnbaupolitik bleibt auf der Agenda

Die Stadtzuger Politik wird sich in ein paar Monaten also nochmals mit dem Thema befassen. Und zwar mit ungewissem Ausgang. Interessant wird dann sein, wie sich die Linke verhalten wird. Denn weil mittlerweile auch die FDP die 20 Prozent als anzustrebendes Ziel definiert, dürften SP und ALG dessen Einhaltung weiterhin mit aller Konsequenz einfordern – unabhängig von der aktuellen Ausgangslage von 9,2 statt 14 Prozent günstigen Wohnungen.

Und in diesem Sinne wird es auch spannend sein zu sehen, welche Strategien und Massnahmen in der Bevölkerung mehrheitsfähig sind, sollte es zu einer Abstimmung über die städtische Wohnbauförderung kommen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Stadtrat davon ausgeht, dass die Stadt Zug bis 2040 um gegen 15'000 Menschen wachsen wird (zentralplus berichtete).

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