Interpellation der Zuger Alternative – die Grünen

Grüne wollen teuren Strom

Das KKW Beznau gehört der Axpo und damit auch ein wenig dem Kanton Zug. (Bild: CC by W****)

Tschernobyl in Beznau? Fukushima in Fessenheim? Die Alternative – die Grünen will die Zuger Politiker wachrütteln und fordert drastische Massnahmen. Tickende Zeitbomben würden auch die Zuger bedrohen, so die Partei und verschiedene Experten. Aber was geht uns das an?

Die Axpo befindet sich im Aargau. Deren Kernkraftwerke (KKW) in Beznau, Gösgen oder sogar ausserhalb der Schweizer Grenze in Fessenheim. Deshalb gehen sie die Zuger Bevölkerung nicht viel an. Und passieren wird schon nichts, schliesslich gibt es hierzulande keine Erdbeben oder Tsunamis, oder? Stimmt nicht ganz, findet die Zuger Fraktion Alternative – die Grünen (ALG).

Die Partei hat darum eine Interpellation eingereicht, welche die Axpo und KKWs thematisiert. Nun muss sich der Zuger Regierungsrat damit beschäftigen. Aber eben. Warum mischen sich die Zuger überhaupt da ein?

In den vergangenen Wochen ist die Axpo immer wieder in die Schlagzeilen geraten: Verluste und Kantone, die ihre Anteile verkaufen wollten, rückten den Energiekonzern ins schlechte Licht. Der Vorwurf zur Misswirtschaft, den die ALG in ihrer Interpellation stellen, geht auch an den Kanton Zug. Denn der hält 0,9 Prozent Anteil an der Axpo. Die Partei fordert den Regierungsrat nun auf, Antworten auf brennende Fragen in der Energiepolitik und zur Axpo zu geben. Dabei rücken – wenig überraschend – KKWs ins Zentrum des Interesses.

Billigstrom, die Wurzel des Übels?

«Viel zu lange» habe die Axpo an einem falschen Geschäftsmodell festgehalten und die ökonomische und ökologische Notwendigkeit einer Energiewende völlig verpasst, schreibt die ALG in ihrer Interpellation an den Regierungsrat. «Die Axpo hätte früher merken müssen, was um sie herum passiert», sagt Kantonsrätin Hanni Schriber-Neiger.

«Es ist eine Kritik an allen Kantonen, die an der Axpo beteiligt sind.»
Hanni Schriber-Neiger, Kantonsrätin der Alternative – die Grünen

Hanni Schriber-Neiger, Kantonsrätin der Fraktion Alternative – die Grünen

Hanni Schriber-Neiger, Kantonsrätin der Fraktion Alternative – die Grünen

(Bild: Alternative – die Grünen)

Der europäische Energiemarkt sei mit Billigstrom überflutet worden und die aktuelle Atomstromproduktion sei ein Verlustgeschäft. Dies habe die Axpo verschlafen, so Schriber-Neiger. Was man denn tun könnte? «Es gilt zu prüfen, ob beispielsweise Kohlestrom aus dem Ausland verteuert werden kann oder muss – eine Massnahme, die schon viel früher hätte getroffen oder mindestens hätte geprüft werden müssen.» Nun fordert die Partei in ihrer Interpellation genau das vom Regierungsrat.

Soll Strom für die Zuger also bald teurer werden? Ja, findet Hanni Schriber-Neiger: «Strom muss teurer werden, damit er nicht verschwendet wird.» Die Energiewende müsse um jeden Preis geschafft werden. «Und das wird – früher oder später – auch über das Portemonnaie jedes Einzelnen laufen.»

Kritik an der Axpo, am Kanton, an Heinz Tännler

Ist diese Interpellation denn Kritik an der Energiestrategie des Kantons Zug? «Es ist eine Kritik an allen Kantonen, die an der Axpo beteiligt sind. Und ja, auch am Kanton Zug», sagt Schriber-Neiger. Schliesslich sei Regierungsrat Heinz Tännler als Kantonsvertreter bis vorletzten März 2015 im Verwaltungsrat der Axpo gesessen.

Die ALG werfen dem Kanton vor, über all die Jahre profitiert zu haben, ohne sich Gedanken zur Zukunft gemacht zu haben: «Die Axpo hat jahrelang hohe Dividenden ausgeschüttet. Und jetzt ist zu wenig da, um die Entsorgungskosten tragen zu können. Das kann nicht sein», nervt sich Hanni Schriber-Neiger. Die Kosten, das sind die Kosten für die Abschaltung der KKWs. «Die Abschaltung kostet Geld, das bei der Axpo nicht da ist», so Schriber-Neiger.

Weder der ehemalige Verwaltungsrat der Axpo und jetzige Finanzdirektor Heinz Tännler noch der Baudirektor Urs Hürlimann wollten sich zur Interpellation äussern.

«Das ist eine Bankrotterklärung der Führungskräfte der Kantone.»
Stefan Füglister, Atomexperte Greenpeace

Stefan Füglister, Atomexperte der Greenpeace

Stefan Füglister, Atomexperte der Greenpeace

(Bild: Stefan Füglister)

Stefan Füglister, Atomexperte für Greenpeace Schweiz, hat die Axpo seit Längerem auf dem Radar. Sein Verdikt: «Die Axpo war lange Zeit eine geliebte Milchkuh. Jetzt wollen die Kantone die Entsorgungskosten nicht tragen – das ist eine Bankrotterklärung der Führungskräfte der Kantone, welche in ihrer Mehrheit den Verwaltungsrat der Axpo dominieren.»

Und er geht noch weiter: «Als die Axpo 2008 entschied, eine Investition von 700 Millionen Franken in das veraltete KKW Beznau zu tätigen und nicht auf erneuerbare Energien zu setzen, war das ein Fehlentscheid.» Es habe schon damals nicht an kritischen Stimmen – etwa vom wirtschaftsfreundlichen Thinkthank Avenir Suisse – gefehlt, so Füglister. «Heute manifestieren sich die früheren Fehlentscheide im ganzen Ausmass und in tiefroten Zahlen.»

Fessenheim, die tickende Bombe

Hinzu kommt eine tickende Bombe an der Schweizer Grenze. Die Axpo, und damit indirekt auch die Kantone, haben Anteile am AKW Fessenheim. Hanni Schriber-Neiger: «Fessenheim ist nur ein Nebenschauplatz. Aber einer, der erschreckt.» Das KKW sei in dermassen schlechtem Zustand – und es sei in unserer Nähe. «Es muss abgeschaltet werden. Und da sollen die Schweizer Konzerne ihre Verantwortung wahrnehmen, da sie dort Aktien haben», so Schriber-Neiger.

«Es laufen so viele komische Menschen herum da draussen, dass man nie weiss.»
Hanni Schriber-Neiger, Kantonsrätin der Alternative – die Grünen

Eine Abschaltung von Fessenheim bevorzugt auch Judith Kneubühl-Wydler, Leiterin der Energieberatung des Kantons Zug: «Abschaltungen brauchen Zeit, aber langsam haben wir die Technologien und die Alternativen, um das KKW-Zeitalter sauber zu beenden. Deshalb sollte das eher früher als später geschehen.»

Unfall à la Fukushima?

In der Interpellation ist auch zu lesen, dass bei einem «Unfall à la Fukushima» die Versicherungssumme nirgends hinreichen würde. Ist das nicht ein wenig weit her geholt? Schriber-Neiger widerspricht: «Es laufen so viele komische Menschen herum da draussen, dass man nie weiss. Aber Bedrohungen lauern auch anderswo. Beispielsweise beim Hochwasserschutz von Beznau 1 und 2.» Füglister bestätigt: «Alle alten Atomkraftwerke bilden Risiken, sowohl ökonomischer wie ökologischer Natur. Alle diese Werke sind in einem gewissen Sinne tickende Zeitbomben.»

«Bei Tschernobyl und Fukushima waren wir froh, dass alles so weit weg war.»
Hanni Schriber-Neiger, Kantonsrätin der Alternative – die Grünen

In Zeiten wie heute könne immer etwas passieren. Gleichzeitig dürfe es nie so weit kommen. «Es wäre eine riesige Katastrophe. Bei Tschernobyl und Fukushima waren wir froh, dass alles so weit weg war. Wenn etwas in Beznau oder in Gösgen passieren würde, wäre das fatal», sagt Schriber-Neiger. Und fügt an: «À propos Sicherheit: 100’000 Jahre strahlt der radioaktive Abfall unserer KKWs. Eine Endlagerung ist nicht in Sicht. Für den Betrieb und die Lagerung kann keine Sicherheit garantiert werden.»

Politik soll sich Gedanken machen

Judith Kneubühl, Leiterin der Energieberatungsstelle des Kantons Zug

Judith Kneubühl, Leiterin der Energieberatungsstelle des Kantons Zug

Die Energiewende ist eine beschlossene Sache. Bis 2050 sollen alle KKWs ausgeschaltet sein und der damit wegfallende Strom durch erneuerbare Energien und Einsparungen «ersetzt» werden. Braucht es denn überhaupt solche Vorstösse? Ja, findet Judith Kneubühl: «Es hat durchaus Potenzial, bei der Umsetzung der Energiestrategie genau hinzuschauen.»

Der politische Wind schwäche ab – Fukushima liege schon ein paar Jahre zurück, der erste Aufschrei sei vorbei – und die Interessen würden sich anderen Themen zuwenden. «Da macht es Sinn, wenn man die Politik dazu auffordert, sich wieder vermehrt darüber Gedanken zu machen, wie man die Energiewende umsetzen will.» Und zwar in reiner Form, und nicht abgeschwächt, wie sie manchmal im Parlament diskutiert werde, so Kneubühl.

Füglister erklärt: «Es ist an der Politik, Rahmenbedingungen in der Schweiz zu schaffen, welche den Wandel zu einer nachhaltigen, nicht fossilen Energiegewinnung in Schwung bringen.»

Was kann Zug tun?

Heute ist die Axpo zu 100 Prozent in Händen der Kantone und deren Elektrizitätswerke. Es beteiligen sich die Kantone Zürich, Aargau, St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Glarus und Zug. Der Kanton Zug ist mit 0,9 Prozent Aktienkapital der kleinste Anteilshalter. Kann da Zug überhaupt etwas ausrichten? Hanni Schriber-Neiger findet, dass trotz kleinem Anteil Verantwortung übernommen werden müsse.

«Die Diskussion um die Energiepolitik ist eine dringende und sie muss unbedingt geführt werden.»
Judith Kneubühl, Leiterin der Energieberatung des Kantons Zug

Dem stimmt Judith Kneubühl zu. Auch wenn sie nicht sicher sei, ob man tatsächlich Einfluss nehmen könne: «Das ist schwer zu sagen. Aber die Diskussion um die Energiepolitik ist eine dringende und sie muss unbedingt geführt werden.» Es würden sich Fragen stellen, die noch sehr offen seien, so Kneubühl. Zum Beispiel: «Was machen wir mit den Wasserkraftwerken, wer kontrolliert die Energiezufuhr, wie stellen wir langfristig die Energieversorgung sicher?»

Füglister relativiert: «Die Macht der kleinen Eignerkantone ist beschränkt. Eigene fortschrittliche Leitlinien zur kantonalen Energiepolitik und das klare Bekenntnis zur Energiewende tragen aber sicher zum Erfolg bei.»

Darum betrifft das Zug

Letztlich lässt sich sagen, dass die Grünen Parteien nach der nuklearen Katastrophe in Fukushima 2011 viel Rückenwind von der Bevölkerung erhielten, die Energiewende voranzutreiben. Das Thema scheint fünf Jahre später ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Die ALG wollen das ändern und fordern den Regierungsrat mit einer Interpellation auf, sich Gedanken zur Zuger Energiestrategie zu machen. Die Axpo, welche in letzter Zeit mit negativer Berichterstattung auf sich aufmerksam gemacht hat, bietet gute Gelegenheit dazu. Dies, weil der Kanton Zug Anteile an ihr hält. Aber auch, weil kantonale und nationale Experten davor warnen, dass die Axpo-KKWs Sicherheitsmängel aufweisen und deshalb gefährlich seien. Und das betrifft die Zuger Bevölkerung.

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