Abgangsentschädigungen in Luzerner Verwaltung

Grüne attackieren «goldene Fallschirme» – Stadt zögert

Die Stadt Luzern ist immer noch ein grosszügiger Arbeitgeber. In besonderen Fällen will der Stadtrat weiterhin Abgangsentschädigungen genehmigen können. (Bild: Montage Tkre)

Städtische Angestellte können eine Abgangsentschädigung erhalten, wenn sie ihre Stelle verlieren. Die Grünen verlangen, dass diese Regelung nur noch bei sozialen Härtefällen gelten soll. Heute profitieren auch Kaderleute. Stadträtin Ursula Stämmer verteidigt die geltende Praxis, will den Vorstoss aber «prüfen». Was das heisst, bleibt aber schwammig.

Abgangsentschädigungen waren in den letzten Jahren vor allem in der Wirtschaft ein Thema. Zumeist ging es um den mit Millionen «vergoldeten» Abgang von Managern.
Schwierig zu verstehen für den Aktionär oder die Bürger, warum jemand eine Entschädigung bekommt, der Mist gebaut hat und sicherlich keine Geldsorgen hat. Doch auch bei der öffentlichen Hand gibt es solche Regelungen.

Nur noch in sozialen Härtefällen

Im Personalreglement der Stadt Luzern sind Abgangsentschädigungen vorgesehen (siehe Box). Dem grünen Grossstadtrat Urban Frye ist das ein Dorn im Auge. Arbeitsrecht ist sein Spezialgebiet. Er reichte vor einem Jahr mit Fraktionskollege Ali R. Celik eine Motion ein. Die Grünen fordern eine Änderung des Personalreglements, wonach Abgangsentschädigungen nur noch in sozialen Härtefällen zulässig sein sollen.

Zudem müssten diese Entschädigungen in einem ausgearbeiteten Sozialplan eingebettet werden. Urban Frye sagt auf Anfrage: «In der Privatwirtschaft ist man daran, diese goldenen Fallschirme abzuschaffen. Die Stadt Luzern hinkt da meilenweit hinterher.» Er habe den Passus im Personalreglement entdeckt und gestaunt. Frye: «Ich nehme aber keinen Bezug auf konkrete Vorfälle bei der Stadt.»

«Die Stadt Luzern hinkt arbeitsrechtlich meilenweit hinterher.»

Der Luzerner Grossstadtrat Urban Frye (Grüne)

Stadtrat will Praxis nicht ändern

60 Prozent eines Jahreslohns

Städtische Angestellte, die wegen Stellenabbau entlassen werden mussten, haben gemäss dem städtischen Personalreglement Anspruch auf eine Abgangsentschädigung. Und zwar, wenn folgende Bedingungen alle erfüllt sind: Vollendung des 50. Altersjahrs, 15 Jahre ununterbrochen im Sold der Stadt und arbeitslos. Ausserdem darf der Angestellte nicht bereits eine Abgangsentschädigung erhalten haben. Die Entschädigung beträgt einmalig 60 Prozent des versicherten Jahreslohnes. Bei 100'000 Franken wären das also 60'000 Franken. Erfüllt eine Person die Voraussetzungen nicht, kann der Stadtrat eine reduzierte Entschädigung aussprechen. Sind viele Stellen vom Abbau betroffen, kann der Stadtrat einen Sozialplan festlegen. Dieser richtet sich laut Stadträtin Ursula Stämmer nach der geltenden sozialpartnerschaftlichen Vereinbarung. Diese laufe bald aus und müsse neu verhandelt werden.

Der Stadtrat hat an diesem Dienstag seine Stellungnahme zum Postulat veröffentlicht. Er lehnt eine Änderung der Praxis ab. Er will das Postultat aber als Motion entgegennehmen. Der Stadtrat habe in den letzten Jahren nur «in wenigen Fällen» solche Leistungen zugesprochen, heisst es in der Antwort. Zahlen zu den Abgangsentschädigungen oder zu den dadurch entstehenden Kosten für die Stadt werden keine genannt.
Mit Leistung einer Abgangsentschädigung sei langjährigen Mitarbeitern, denen nach dem Stellenabbau keine neue Stelle vermittelt werden konnte, die vorzeitige Pensionierung finanziell ermöglicht worden. Die Entschädigung diente dem freiwilligen Einkauf in die städtische Pensionskasse.

Die fürs Personal zuständige Stadträtin Ursula Stämmer (SP) sagt auf Anfrage, ihr sei im letzten Jahr nur ein einziger Fall bekannt, bei dem eine Abgangsentschädigung ein Thema war. Konkreter will sie sich nicht äussern. «Es handelte sich nicht um einen Kaderangestellten», stellt sie klar. Die Möglichkeit einer Abgangsentschädigung gelte im Übrigen für alle Angestellten, und nicht nur für die Führungskräfte.

«Einem sozialen Staat angemessen»

Die Stadträtin verteidigt die Praxis, allenfalls in speziellen Fällen Abgangsentschädigungen zuzusprechen. «Eine Trennung von einem Mitarbeiter ist ja meist ein längerer Prozess. Ich finde diese Regelung, in einem kleinen Rahmen, einem sozialen Staat angemessen. Für mich als Sozialdemokratin ist es ein Uranliegen, Probleme zu lösen und Arbeitnehmende nicht im Stich zu lassen.» Die Stadt habe viel mehr Kosten durch unverschuldete Krankheitsabsenzen zu tragen als durch Abgangsentschädigungen, fügt Stämmer hinzu. Eine Zahl hat sie keine zur Hand, das sei sehr kompliziert auszurechnen.

«Für mich als Sozialdemokratin ist es ein Uranliegen, Arbeitnehmende nicht im Stich zu lassen.»

Ursula Stämmer, Vizepräsidentin Luzerner Stadtrat

Motto: Arbeit vor Geld

Laut Stämmer ist der Stadtrat zwar bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen. Er lehne eine Änderung der Praxis ab, wolle aber die Umsetzungsregeln zur Abgangsentschädigung in der Personalordnung prüfen. Im Rahmen der Sparmassnahmen, welche die Stadt Luzern in den vergangenen Jahren umzusetzen hatte, habe der Stadtrat nach dem Grundsatz «Arbeit vor Geld» gehandelt.
Die Stadt half den betroffenen Angestellten also, eine neue Stelle zu finden. «So konnte durch interne oder externe Stellenvermittlung vermieden werden, dass Abgangsentschädigungen ausgerichtet werden mussten», heisst es in der Stellungnahme des Stadtrats.

«Nicht mehr zeitgemäss»

Motionär Urban Frye hat die Stellungnahme studiert. Er sei mit der Umwandlung der Motion in ein Postulat einverstanden.«Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass die Möglichkeit für den Stadtrat, Abgangsentschädigungen zu sprechen, eigentlich nicht mehr zeitgemäss ist», sagt der Grosstadtrat. Bei Entlassungen habe der Stadtrat immer noch die Möglichkeit, in Härtefällen finanzielle Unterstützung zu gewähren.
«Wenn der Stadtrat nun diesen Begriff der Abgangsentschädigung beibehalten möchte, de facto aber damit eine solche Unterstützung meint, opponiere ich nicht.  Obwohl der Begriff eigentlich etwas anderes meint.» Wichtig sei ihm, dass diese Frage klarer geregelt werde. «Da will der Stadtrat ja nun daran arbeiten. Somit ist aus meiner Sicht das Ziel erreicht», sagt Frye.

Stadt muss 46 Vollzeitstellen abbauen

Die Frage der Abgangsentschädigungen mag heute theoretisch klingen, zumal die Stadt keine Zahlen nennt, könnte aber in der folgenden Zeit an Aktualität gewinnen. Denn gemäss dem Sparpaket «Haushalt im Gleichgewicht» muss die Stadt die nächsten Jahre 46,1 Vollzeitstellen abbauen. Am meisten bluten muss die Volksschule mit 32 Stellen. Der Abbau soll durch Pensionierungen, Nichtweiterführungen befristeter Verträge, Kündigungen durch Arbeitnehmende und Pensenreduktion ermöglicht werden.

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