Stimmen gaben Luzerner Auftrag zum Mord

«Grüezi, hier ist H.B. Ich habe meinen Vater getötet»

Der Tannhof in Beromünster: Hier tötete der junge Mann seinen Vater.

(Bild: ida)

Der Mann, der vor drei Jahren in Beromünster seinen Vater umbrachte, handelte im Wahn. Er stützte sich dabei auf Motive, die in der Realität gar nicht existierten. Selbst die Anklage plädierte vor Gericht dafür, ihn nicht zu bestrafen.

Nach nur etwas mehr als einer Stunde wurde die Verhandlung geschlossen. Zuvor hielten Verteidiger und Staatsanwalt ihre äusserst kurzen Plädoyers. Sie hörten sich teilweise an, als wären sie von ein und derselben Person verfasst worden.

Der Prozess vor dem Luzerner Kriminalgericht im Familiendrama von Beromünster endete mit der Forderung aller beteiligten Parteien, den Täter nicht zu bestrafen. Der Angeklagte hatte im Sommer 2015 auf dem Hof der Familie seinen Vater mit 27 Messerstichen brutal hingerichtet (zentralplus berichtete). Nun soll eine Therapie verordnet werden, um eine spätere Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft zu ermöglichen.

Urteil wohl Formsache

Der Grund, weshalb sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft von einer Bestrafung absehen wollen, liegt in der schweren geistigen Krankheit des jungen Mannes. Ein forensisch-psychiatrisches Gutachten attestiert dem Täter zum Zeitpunkt der Tat eine «durch Cannabis induzierte psychotische Störung». Ein zweites Gutachten spricht von «paranoider Schizophrenie». Aufgrund der Krankheit gehen die Gutachter von einer hohen Rückfallgefahr aus.

Dass das Gericht den genannten Forderungen nachkommen wird, ist wohl Formsache. Darauf deutet schon der Satz des Gerichtspräsidenten zu Beginn der Verhandlung hin. «Wir sind heute hier, um über die Verurteilung einer schuldunfähigen Person zu verhandeln.» Das Urteil wird schriftlich eröffnet.

«Ein liebeswürdiger, hilfsbereiter Mensch»

Die sehr kurz gehaltene Befragung des Täters, der sämtliche Anklagepunkte gestand, zeichnete das Bild eines liebenswürdigen und hilfsbereiten Menschen. «Er ist nicht nur Täter, sondern auch Opfer seiner schweren psychischen Krankheit», sagte die Verteidigung.

Dem hatte der Staatsanwalt nichts entgegenzusetzen. Er bezeichnete den Mann sogar als «netten Jungen von nebenan, der von allen Leuten im Umfeld sehr geschätzt und geliebt wurde». In der psychiatrischen Klinik, in der er sich aktuell befindet, verhalte er sich vorbildlich und sei therapiewillig.

Stimmen gaben den Auftrag zum Mord

Als Motiv für die Tötung seines Vaters gab der gelernte Automechaniker an, dass er Stimmen aus dem Jenseits hörte. Diese hätten ihn beauftragt, «den Tyrannen umzubringen». Dass der Vater böse und ein Patriarch war, stimme aber gar nicht, gab er Täter zu Protokoll. Er sei ein guter, fürsorglicher Vater gewesen. «Zum Zeitpunkt der Tat war ich aber in einer eigenen Welt und hatte keinerlei Bezug zur Realität», so der heute 34-Jährige.

«Ein paar Tage vor dem Mord erinnerte ich mich plötzlich an Gespräche am Familientisch, die 20 Jahre her sind. Dort hatte mein Vater gedroht, uns zu töten. Diese Konversationen haben aber gar nie stattgefunden und waren reine Einbildung.» Auch habe es am Tag der Tat keinerlei Streit oder Ähnliches gegeben. Weder mit dem Vater noch mit sonst jemandem.

Glückliches Familienleben

Wieso er plötzlich glaubte, den Vater töten zu müssen, weiss er daher nicht. «In den Tagen vor dem tragischen Vorfall hatte ich enormen Stress und ein Gedankenrasen rund um meinen Vater.» Im Rückblick sei dies eine sehr unangenehme und belastende Situation gewesen, erinnerte er sich. «Man kommt nie zur Ruhe und steigert sich emotional rein», beschrieb der Mann sein damaliges Empfinden.

Ein irgendwie plausibles Motiv für den Mord habe nie vorgelegen. Die sechsköpfige Familie lebte glücklich auf dem Bauernhof in Beromünster. Einen Konflikt über das Erbe, wie von verschiedener Seite immer wieder vermutet wurde, gab es nie. «Ich wollte den Hof nie übernehmen. Ich wäre überhaupt kein guter Bauer», so der junge Mann.

Nach der Tat stellte er sich selber der Polizei. «Grüezi, hier ist H.B. Ich brauche die Polizei und einen Leichenwagen. Ich habe meinen Vater getötet», soll er am Telefon gesagt haben. Danach sei der Täter minutenlang im offenen Polizeiwagen gesessen und habe immer wieder die Worte gemurmelt: «Das esch doch chrank. De Vater esch en Tyrann gsi.» Die schwere Krankheit des Mannes sei schon unmittelbar nach der Tat offensichtlich geworden, sagte der Staatsanwalt. 

Gescheiterte Beziehung als Auslöser?

Dass es zum schrecklichen Vorfall kam, zeichnete sich laut dem Staatsanwalt nicht ab. Zwar habe sich der Mann in den Monaten vor der Tat immer mehr zurückgezogen und intensiv Cannabis konsumiert. Da aber keinerlei Konflikte im Raum waren, wies nichts auf die fatalen Folgen hin. Der Auslöser für seine Krise, den sozialen Rückzug und das immer intensiver werdende Kiffen war vermutlich eine gescheiterte Beziehung.

Nach eigenen Aussagen des Täters möchte er die Therapie erfolgreich zu Ende bringen. Die Behandlung helfe ihm, sich selber besser kennenzulernen und sein Handeln zu verstehen. «Danach möchte ich einen neuen Freundeskreis aufbauen und ein frisches Leben in einer anderen Region beginnen», sagte er dem Richter. Der Mann bekommt in der Klinik alle drei Wochen Besuch von seiner Familie, die ihn tatkräftig auf seinem Weg unterstützt. 

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