Kulturszene Luzern

Grosses Sesselrücken im Sommer

Wurde nach den Gesprächen mit zentral+ klar: Die vier Kulturköpfe wollen gemeinsam in die selbe Richtung rudern (v.l. Fabian Fuchs, Marco Liembd, Silvio Zeder, Urs Emmenegger). (Bild: Emanuel Ammon/AURA - Montage: zentral+)

Südpol, Treibhaus, Schüür und Neubad: In den Stätten der Luzerner Kulturszene werden diesen Sommer kräftig Klinken in die Hand gedrückt. In jedem der genannten Häuser kommt es zu einem Wechsel in entscheidenden Positionen. zentral+ hat mit den Protagonisten gesprochen.

Luzerns Kulturszene hat einiges zu bieten. Das bestätigte erst kürzlich Edina Kurjakovic, die neue Geschäftsleiterin der IG Kultur, gegenüber von zentral+. Doch nicht nur der Dachverband hat frisches Personal bekommen, sondern auch vier Luzerner Kulturhäuser. Auffallend ist, dass auf Einheimische zurückgegriffen wird. Persönlichkeiten, welche in der hiesigen Kulturlandschaft schon lange aktiv sind. Alle vier spüren sie eine Aufbruchstimmung, sehen aber auch, dass die Kultur in Luzern zunehmend aus der Stadt verdrängt wird.

Der Fisch kehrt ins Treibhaus zurück

Die Nachfolge von Martina Aregger, welche sieben Jahre als Geschäftsleiterin im Treibhaus tätig war, tritt Fabian «Fesch» Fuchs (28) an, welcher sein Handwerk auch im Jugendhaus erlernt hat, bevor er dann als Booking-Verantwortlicher in den Südpol wechselte. Er komme mit positiven Gefühlen zurück. Das Treibhaus habe ihm damals Türen geöffnet, welche er laut eigener Aussage sonst wohl nicht gefunden hätte. «Jetzt habe ich die Ehre, andere Leute bei der Suche nach ihren Türen zu unterstützen. Das ist wahnsinnig schön», erkärt Fuchs seine Motivation für die neue Anstellung. Nach langer Zeit in gestaltender Funktion als Musikchef im Südpol verspüre er heute die Lust, weiterhin im Kulturbereich tätig zu sein, jedoch vermehrt unterstützend im Hintergrund.

Fuchs möchte das Angebot und die Möglichkeiten im Treibhaus der heutigen Zeit und den Bedürfnissen der Gesellschaft anpassen. «Räume und Konzepte sollen ständig hinterfragt werden und dies in der Geschwindigkeit, wie sich unsere Gesellschaft im Moment verändert», sagt Fuchs. Das Jugenhaus könne diese Bewegungen aufgreifen und das vorhandene Know-how und die gute Infrastruktur zu Gunsten dieser jungen und kreativen Szene einsetzen. «Das Ermöglichen und Sichtbarmachen ist hierbei meine grösste Motivation» erklärt Fuchs. Er möchte ein Treibhaus, welches von jungen Leuten partizipativ geführt und weiterentwickelt wird.

«Jetzt habe ich die Ehre, andere Leute bei der Suche nach ihren Türen zu unterstützen. Das ist wahnsinnig schön»

Fabian «Fesch» Fuchs, neuer Geschäftsleiter, Treibhaus

Im Auge behalten will Fuchs das sich veränderte Interesse an der Freiwilligenarbeit. Das Mitgestalten in einem partizipativ geführten Kulturbetrieb ist für ihn das Fundament des Treibhauses. Fuchs ist sich bewusst, dass im September die Wohnungen der Emmi-Überbauungen bezogen werden: «Eine Herausforderung ist sicherlich das Nebeneinander von lebendiger – manchmal selbstverständlich lauter – Kultur und Wohnen. Schon heute, aber insbesondere dann, wenn die neuen Wohnhäuser gleich nebenan bezogen werden.»

Erfreut ist Fisch über die Zusammenarbeit der verschiedenen kulturellen Institutionen, inklusive den etablierten wie beispielsweise dem KKL Luzern: «Das ist meiner Meinung nach die erfreulichste Entwicklung, dass man nicht mehr gegeneinander arbeitet, sondern zusammen die Kultur weiterentwickelt.» Die Infrastruktur in Luzern sei für Kunst und Kultur auf einen hohem Level und der Output in einigen Sparten strahle national, wenn nicht international aus. Ein Problem sieht Fuchs im Kulturkuchen, der so gut funktioniere und vernetzt sei, dass oft vergessen gehe, dass es noch andere Menschen und Interessen gibt. «In diesem Zusammenhang gilt es, ständig neue Kulturschaffende professionell auszubilden und nachrücken zu lassen, damit die Kulturszene nicht erlahmt», findet Fuchs, der mit seiner neuen Anstellung im Treibhaus an der Quelle der neuen Kulturtalente arbeitet und selbst dieser entsprungen ist.

Ein Stück Sedel für den Südpol

Der Wechsel des ehemaligen Südpol-Bookers Fuchs in das Treibhaus, führte im Südpol zu einer Rochade. Für ihn übernimmt neu Remo Helfenstein, welcher bisher für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. Für diese Aufgabe kommt nun Marco Liembd (34) in den Südpol. Liembd war Musikchef von Radio 3FACH, bevor er dann zum damaligen DRS3 in die Sendung «Sounds!» wechselte. Nebenbei ist er ein langjähriges Vorstandsmitglied des Kulturfussballturniers Kick’n’Rush und des Sedels. Bis Ende Juli arbeitet Liembd noch als Redaktor bei zentral+. «Ich möchte nach langer Zeit im Journalismus einmal etwas anderes machen. Der Weg in die Kultur liegt auf der Hand: Ich habe schon immer Kultur gelebt und ein abgeschlossenes Studium in Kulturmanagement», erklärt Liembd seinen Wechsel.

«Der Südpol ist nun fünf Jahre alt. In dieser Zeit hat sich das Konzept dahin geformt, dass übrig blieb, was funktioniert. Das Haus hat seine Rolle gefunden», führt Liembd weiter aus. Diese Rolle wolle er jetzt nach aussen tragen, er möchte den Südpol näher zu den Menschen bringen. «Die Inhalte sollen ‹zwingend› werden, der Südpol soll sich aufdrängen.» Als Beispiel nennt Liembd das B-Sides Festival. Dieses würden sich die kulturaffinen Luzerner schon Monate im voraus in die Agenda eintragen.

Auf die Frage, welche Probleme er im Südpol erwartet, reagiert Liembd eher gelassen: «Ich hoffe doch, der Südpol hat Probleme wie jedes andere Kulturhaus auch. Sonst wird das ein sehr langweiliger Job.» Ganz allgemein findet Liembd, dass man weniger über Probleme diskutieren soll. «Probleme muss man erkennen, diskutieren tut man dann aber besser über die Lösungen.» So oder so meint Liembd, dass er jetzt erst mal in das Haus reinschauen müsse und, dass er zu Beginn noch den Blick von aussen habe, den er nutzen möchte: «Da sieht man viele Dinge, die man als Alteingesessener nicht mehr erkennt.»

«Probleme muss man erkennen, diskutieren tut man dann aber besser über die Lösungen»

Marco Liembd, angehender Leiter Öffentlichkeitsarbeit, Südpol

Die Kulturszene in Luzern nimmt Liembd als äusserst aktiv und breit gefächert wahr: «Ich denke, auch die jetzt aufblühende Kreativwirtschaft hat der kulturellen Tradition in der Stadt Luzern viel zu verdanken.» Probleme sieht Liembd darin, dass es immer weniger Kulturangebote im Stadtzentrum gibt: «Damit verschwinden nicht nur die Häuser aus der Stadtmitte, sondern auch das Verständnis für Kultur. Wird die Kultur unsichtbar gemacht, verliert sie auch ihre Akzeptanz.» Dagegen könne man laut Liembd nur gemeinsam vorgehen, der Kulturplatz soll miteinander und nicht gegeneinander bewirtschaftet werden. «Projekte wie die App ‹Luli› (Luzern live) oder der Salad Days Club im KKL Luzern zeigen schon jetzt, dass in Zukunft enger zusammen gearbeitet wird. Ich freue mich darauf, aktiv und gemeinsam mit meiner Generation mitzuwirken.»

Das Sprungbrett Treibhaus genutzt

Im Konzerthaus Schüür endet die Ära des Teams Thomas Gisler und Ursi Fluri. Während Gisler dem Konzerthaus als Geschäfts- und Programmleiter erhalten bleibt, sucht Fluri eine neue berufliche Herausforderung und beginnt eine Ausbildung als Rettungssanitäterin. Ihre Bookingstelle nimmt Silvio Zeder (25) ein. Er startete seine Kulturlaufbahn mit 16 Jahren in einer der Programmgruppen im Treibhaus. Nach dem Abgang von Fabian Fuchs zum Südpol, konnte Zeder im Jugendkulturhaus die Nachfolge als Bookingverantwortlicher antreten. Zeder ist also ein gutes Beispiel dafür, wie das Treibhaus neue Kulturtalente formen kann (zentral+ berichtete). Im letzten halben Jahr arbeitete Zeder als interimistischer Leiter Veranstaltungen im Neubad.

«Am meisten motiviert mich die Grösse und die Professionalität in der Schüür. Für mich gehört es zu den Top 5 Konzerthäusern der Schweiz», schwärmt Zeder. Auf diesem Niveau zu arbeiten, sei für ihn ein spezieller Reiz. Ziele nennt Zeder einige: «Ich will, dass der Schuppen lebt, daher sind meine Ziele eng mit dem Haus verbunden.» Zudem möchte er – soweit das in einem Lokal mit einer solchen Grösse möglich sei – seine eigene Handschrift hineinbringen. «Das heisst, wieder vermehrt Konzerte unter der Woche anzubieten, welche dann vielleicht nur im halb geöffneten Saal stattfinden.» Unter dem Strich gehe es ihm darum, das Haus attraktiver zu machen, auch unter der Woche.

«Ich will, dass der Schuppen lebt»

Silvio Zeder, neuer Booker, Schüür

Die Konzert- und Kulturlandschaft in Luzern habe sich in letzter Zeit geändert, stellt Zeder fest. «Die Schüür muss sich nun auch ändern, anpassen. Das ist bisher noch nicht immer gelungen, was aber auch mit der Grösse des Hauses zusammenhängt», sagt Zeder. Sich der Zeit anzupassen, sieht er als eine der grossen Herausforderungen, welche auf die Schüür zukommen wird. Zeder ist überzeugt, dass unter anderem auch die Zusammenarbeit mit anderen Clubs in dieser Sache helfen wird: «In diesem Zusammenhang finde ich die App ‹Luli› extrem wichtig. Es geht extrem viel im Moment, zum Beispiel auch mit dem Neubad, welches der Szene ein neues Potential bietet.» Gespannt ist Zeder auf die neuen Gesichter in den Kulturhäusern: «Das Wichtigste ist, dass etwas passiert. Und in Luzern passiert im Moment gerade sehr viel. Die Szene lebt und das ist gut so.» Zeder spricht in diesem Zusammenhang von einem «super Groove», der momentan herrsche.

Ein Comeback im Neubad

In der Zwischennutzung Neubad kommt es zu einem Comeback eines alten Luzerner Kulturtäters: Urs Emmenegger (41) übernimmt die Leitung Veranstaltungen. Emmenegger begann mit der Kultur in Sursee, erst im «Hochdrock», danach im «Kulturwerk 118». Über den Wärchhof führte sein Weg in das Treibhaus, wo er massgeblich an der Realisierung und Konzeptionierung des Hauses beteiligt war. Die letzten sechs Jahre war Emmenegger nicht mehr aktiv an der Kulturfront tätig, schrieb aber als Redaktionsmitglied für das Kulturmagazin und arbeitete bei einer Kommunikationsagentur. «Das Neubad ist zur Zeit der interessanteste Ort in Luzern, wenn nicht in der ganzen Zentralschweiz», schwärmt Emmenegger, welcher nun vom Vorstand des Neubads in die Betriebsgruppe wechselt.

Trotz der vielen Einschränkungen (Lärmbestimmungen seitens der Stadt Luzern) würde das Neubad viele Möglichkeiten bieten. Und gerade die Einschränkungen sieht Emmenegger als positiv wirkende Herausforderung: «Eine konventionelle Konzertreihe ist hier gar nicht möglich, wir müssen also andere Wege gehen, als die gestandenen Konzerthäuser in der Stadt.» Einen Akzent möchte Emmenegger auch auf Eigenproduktionen legen. Seit September seien geschätzte 99 Prozent aller Events Fremdveranstaltungen gewesen. «Wir möchten nun eigene Veranstaltungen anbieten. Vielleicht nicht so viele wie die anderen Häuser, aber ein bis zwei Mal pro Monat sollte das Neubad sich selbst einen Stempel aufdrücken», so Emmenegger. Dabei soll das Haus offen und überraschend bleiben.

«Das Neubad ist zur Zeit der interessanteste Ort in Luzern, wenn nicht in der ganzen Zentralschweiz»

Urs Emmenegger, neuer Leiter Veranstaltungen, Neubad

Probleme sieht Emmenegger vor allem in der Lärmbelastung für die Nachbarschaft: «Wir sind kein Partyort, aber ab und zu würden wir schon auch gerne nach einer Veranstaltung Musik laufen lassen. Da müssen wir einen guten Weg finden.» Aber auch die bekannte, schwierige finanzielle Situation werde laut Emmenegger sicher eine grosse Herausforderung, auch im Veranstaltungsbereich: «Wir müssen den Pool vermehrt auch am Tag vermieten: Für Präsentationen, Firmenanlässe oder Workshops.» Im September sollen dazu Storen eingebaut werden, so dass man den Raum auch tagsüber verdunkeln kann, um beispielsweise Veranstaltungen, welche Beamer benötigen, durchführen zu können.

Auch Emmenegger nimmt zur Zeit in der Luzerner Kulturszene eine positive Aufbruchstimmung wahr: «Es kommen viele frische Leute zum Zug. Das finde ich gut. Der neue Betriebsleiter vom Neubad – Dominic Chenaux – zum Beispiel kommt von aussen und ist nicht bereits verbandelt wie ich. Aber auch Edina Kurjakovic, welche neu bei der IG Kultur angefangen hat, wird sicher für frischen Wind sorgen», so Emmenegger. Kritisch betrachtet auch Emmenegger die Verdrängung der Kultur aus dem Stadtzentrum. Das Thema sei alt, aber gerade jetzt wieder brandaktuell. «Ich habe das Gefühl, die Kultur hat im Zentrum keine Akzeptanz mehr, dass macht mir Sorgen.» Es gäbe aber auch eine Gegenbewegung, sagt Emmenegger und nennt die IG Industriestrasse: «Man kann da schon fast von einer Bürgerbewegung sprechen. Wichtig finde ich, dass der Begriff ‹Stadtentwicklung› nicht mit ‹ruhig, sauber und langweilig› gleichgesetzt wird. Zu einem urbanen Leben gehört Kultur einfach dazu.»

Ein Schlusswort, welches wohl alle vier vorgestellten Kulturschaffenden sofort unterschreiben würden.

 

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