Monstergroove lässt die Chollerhalle Zug pulsieren

Grooven in den Trancezustand – oder bis der Durst einsetzt

Der Monstergroove findet jährlich in der Chollerhalle statt.

(Bild: Laura Livers)

Kurz vor den Sommerferien findet in der Chollerhalle Zug jeweils der Monstergroove statt. Ein Happening zwischen Gemeinschaftsgefühl und Kakofonie. zentralplus hat versucht, dem «Groove» auf die Schliche zu kommen – und gelernt: Präzision ist völlig wurscht.

Der Begriff Groove taucht überall dort auf, wo Rhythmus im Spiel ist. Eine exakte Definition gibt es nicht. Je nach musikalischer Stilrichtung und Kulturkreis werden diesem Phänomen unterschiedliche Eigenschaften zugeschrieben. Eine durchaus passende Beschreibung stammt von einem ehemaligen Perkussionsdozenten der Autorin: «Der Groove entsteht dann, wenn eine Gruppe von Menschen sich in ein rhythmisches Muster einschliesst. Und dieses dann so mächtig wird, dass die Spieler sich dem nicht mehr entziehen können.»

Der Groove ist es also, der Musiker und Publikum mitwippen lässt. Dabei handelt es sich nicht um eine bewusste Aktion, sondern um eine unterbewusste Handlung – einen Puls, der das Stillstehen nicht zulässt. Und genau dieser Zustand wurde am Sonntagnachmittag in der Zuger Chollerhalle gesucht.

Profis und Laien spielen gemeinsam

Kurz vor drei Uhr nachmittags geht es los. Dicht gedrängt im Foyer der Chollerhalle erklärt Organisator Simon Berz dem Publikum, was es zu tun hat: «Zuhören, mitklatschen, mitgrooven.» Richtig oder falsch gebe es dabei nicht. «Ihr werdet ihn spüren, den Sog, und wenn er euch packt, macht mit», erklärt der Zuger Musiker und beginnt mit den Anwesenden im Takt zu klatschen.

Zusätzlich zum Publikum, das sich trotz der drückenden Hitze eingefunden hat, gibt es da noch die Musiker. Die jüngste Teilnehmerin war knapp ein Jahr alt, der Älteste stolze 78 Jahre. Manche sind Anfänger, andere ambitionierte Amateure, manche hatten früher Schlagzeugunterricht im Badabum-Atelier, andere hatten einfach Lust mitzuspielen.

Dazwischen gestreut sind auch Vollprofis wie Justin Peake, Helen Gillet und Mahmoud Chouki, die extra aus New Orleans (USA) eingeflogen wurden. Sie bilden das Gerüst für die Klangexplosion, die nun gleich geschehen wird. Schlagzeuge, Trommeln, Gitarren, Loopstations, Cellos, in einem grossen Kreis aufgestellt, und mittendrin drei Tänzer. Berz stellt sich mit gekreuzten Drumsticks in den Kreis und gibt ein Zeichen: die Musik beginnt.

 

Zum Groove ekstatisch tanzen

Es sind an die 50 Menschen, die wie eine schwere Lokomotive langsam in Fahrt kommen. Der Groove lässt sich nicht auf Knopfdruck einschalten. Es gilt den gemeinsamen Nenner zu finden. Das Gemeinschaftsgefühl, das aus diesen 50 Musikern, drei Tänzern und einem Videokünstler eine grosse Einheit macht. Das Durcheinander pulsiert, streift die Grenze zur Kakofonie und dann ist die Maschinerie angelaufen. Unaufhörlich klatscht das Publikum im Takt und ermutigt die Musiker dazu, ihre eigene Handschrift einzubringen.

«Während dem Groove ziehen wir alle am gleichen Strang. Das ist, gerade auch im heutigen sozialen Klima, eine wichtige Erfahrung.»

Simon Berz, Organisator

Trotz der Fülle an Klängen schwebt immer wieder ein Instrument über dem Ganzen: eine Stimme, ein Cello. Mal verschwören sich ein paar Schlagzeuger dazu, eine komplizierte Hi-Hat-Form zu spielen. Mal beruhigen die Tänzer die Maschine, indem sie sich langsam bewegen.

Als Zuschauer gilt es dabei, sich auf den Moment einzulassen. Auf den Sog, den Puls. Manche beginnen ekstatisch zu tanzen, andere sitzen auf der Galerie und bewegen kaum merklich den Oberkörper. Manchmal erklingen Melodien und wandern durch den Kreis. Spontane Duette erklingen, ganze Register setzen für zwei, drei Schläge aus, nur um gleichzeitig wieder einzusetzen. Der Kreis, der fix im Raum positioniert ist, scheint sich zu vergrössern und zu pulsieren, obwohl das eigentlich nicht möglich ist.

Musik jenseits von Perfektion

Der Monstergroove bewegt sich jenseits von der traditionellen Musik, in der Perfektion grossgeschrieben wird. Wer mit klassisch trainierten Ohren hinhört, merkt schnell, dass der Rhythmus im metronomischen Sinne wackelt, dass Einsätze nicht besonders präzise gespielt werden. Wer sich aber auf den Monstergroove eingelassen hat, realisiert auch, dass die Präzision völlig unwichtig ist. Die Musik dient nicht dem Ausleben musikalischer Fertigkeiten, sondern ist ein Mittel, um in einen fast tranceartigen Zustand zu gelangen: den Groove in seinem wohl ursprünglichsten Sinne.

Der Monstergroove als Happening ist mehr als ein interaktives Konzert. Berz, der das Konzept schon seit Jahren erprobt, legt grossen Wert auf den zwischenmenschlichen Aspekt. «Wer beim Monstergroove mitspielt, begegnet seinen Mitspielern auf Augenhöhe. Während dem Groove ist es egal, ob du begnadeter Schlagzeuger bist, woher du kommst oder was du machst. Während dem Groove ziehen wir alle am gleichen Strang. Und das ist, gerade auch im heutigen sozialen Klima, eine wichtige Erfahrung.»

Knapp 40 Minuten dauert der Spuk, verrät der Blick auf die Uhr. Es hätten auch 20 oder 60 Minuten sein können. Der Monstergroove hat sein Ziel erreicht: Nass geschwitzt kommen die Musiker und das Publikum wieder in der Realität an. Die Hitze wird wieder spürbar, so auch das Durstgefühl.

Haben nun alle miteinander «gegroovt»? Ja. War es ein guter Groove? Wen interessierts! Der Monstergroove als Erlebnis hat für einen Moment das Individuum und Kollektiv miteinander verschwimmen lassen – und diese Erfahrung alleine war es wert.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Christian Lanninger
    Christian Lanninger, 07.07.2019, 15:26 Uhr

    Vorab sollte ich erwähnen, dass ich Simon Berz nun seit rund einem halben Jahr kenne, weil ich mit meiner Tochter jeweils am Samstag morgen den Rhythmuskurs für Kinder besuche im BADABUM Atelier. Aufgrund dieser Tatsache, waren wir als Familie begeistert am Monstergroove teilzunehmen. Simon Berz und Celestine Enzler, die den Monstergroove organisieren, sind mit Herzblut und viel Engagement dabei, was in der heutigen Zeit eher selten ist für eine Veranstaltung dieser Dimension, die dazu nichts kostet. Der Anlass war einwandfrei organsiert und konnte diverse Leute aus verschiedenen Gesellschaftsschichten und verschiedener Herkunft motivieren einen Teil davon zu sein und mit wirklich tollen Musikern etwas zu gestalten. Diese Musiker waren sich ich übrigens alle nicht zu schade, mit Hobbymusikern jeden Alters zu musizieren. Das macht Kultur aus! Hätten das mehr Leute begriffen, würden wir mehr Leute mit den Mundwinkeln nach oben in der Stadt antreffen. Kultur muss nicht elitär sein und ein bisschen Punk tut uns allen gut!

    Soweit so gut. Wie der Anlass aber in diesem Bericht dargestellt wird, wird dessen nicht gerecht, finde ich ganz ehrlich gesagt. Es mag wohl sein, dass es für einen Musiker mit klassischem Hintergrund nicht gerade orchesterwürdig rüberkam, was da musiziert wurde aber den Monstergroove als beinahe kakofonisch zu bezeichnen, find ich persönlich beleidigend und wird dem Anlass überhaupt gar nicht gerecht. Es ist sogar despektierlich. Viele Musiker und Mitwirkende haben dafür geprobt und sich wohl auch darauf gefreut. Ein Zuschauer sagte mir sogar im Anschluss, dass er nun den Monstergroove zum vierten Mal gesehen hätte und es wohl der Beste bis anhin war.

    Ebenfalls sollte sich die Verfasserin des Berichtes auch mal damit beschäftigen wie man Credits richtig aufführt in einem Filmmitschnitt. Simon Berz als musikalischer Leiter, Produzent und Ideengeber des Monstergrooves wurde in dem Filmmitschnitt nicht erwähnt.

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    • Profilfoto von Cornelia Bolliger
      Cornelia Bolliger, 08.07.2019, 19:58 Uhr

      Vielen Dank Christine für deinen Kommentar. Schön, dass du die Kulturszene unterstützt. zentralplus findet auch, dass es unterschiedliche Kulturevents mit Herzblut in der Region braucht. Wir senden deshalb auch immer wieder Rezensenten an Veranstaltungen, um darüber zu berichten.

      Die Rezensentin schreibt, aus meiner Sicht, sehr positiv und liess sich von der Stimmung mitgereissen. Stimmst du mir zu?

      Das Video soll einen Eindruck vom Event vermitteln. Es ist eine Rezension, weshalb ein Interview nicht darin vorkommt.

      Wenn du weitere Anregungen hast, kannst du dich gerne melden.

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