Vor allem eigener Musikgeschmack geht in die Beine

«Groove-Forschung» in Luzern – was lässt uns tanzen?

Der Beat alleine bringt uns nicht zum Grooven. Das hat ein Luzerner Forscherteam herausgefunden.

 

(Bild: fotolia)

Die Groove-Forschung untersucht, welche Eigenschaften eines Songs Menschen zum Tanzen anregen. Ein Forscherteam der Hochschule Luzern konnte nun zeigen, dass diese Wirkung nicht nur mit der Musik allein zu tun hat. Denn Geschmack ist entscheidender als der Rhythmus.

Zu verstehen, was die Menschen dazu bringt, sich synchron zu Musik zu bewegen, ist so etwas wie ein heiliger Gral für die Musikpsychologie.

Diesem heiligen Gral ist nun auch ein Forscherteam aus Luzern auf den Fersen. Um das «Geheimnis des Groove» zu lüften, startete Projektleiter Olivier Senn mit seinem Team vor zwei Jahren ein Experiment an der Hochschule Luzern. Dabei wurden nur die «nackten» Schlagzeugrhythmen aus 248 Songs bewertet. 700 Menschen nahmen teil und bewerteten, wie stark die Rhythmen bei ihnen den Wunsch auslösten, sich zur Musik zu bewegen.

Der Laie tanzt lieber einfach

Die Songs stammten aus ganz unterschiedlichen Stilrichtungen – Pop, Rock, Funk, Soul und Disco – und wurden im Original von fünfzig weltbekannten Schlagzeugern eingespielt, darunter John Bonham von Led Zeppelin oder Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers.

«Entscheidend für den Musikgeschmack sind aber vor allem die Teenagerjahre.»
Olivier Senn, Projektleiter Groove-Forschung in Luzern

«Wir gingen davon aus, dass das Schlagzeug als taktgebendes Instrument eine wesentliche Rolle für das Groove-Empfinden spielt», so Senn. Denn das Schlagzeug gibt dem Hörer die Informationen zur Regelmässigkeit der Musik.

Der Anfang

Vor sechs Jahren startete das Forschungsteam mit der These, wonach das sogenannte Microtiming für den Groove mitverantwortlich sei. Dabei handelt es sich um eine Verschiebungen des Bass- und Schlagzeugspiels im Millisekundenbereich, was in der Musikerwelt ziemlich «en vogue» sei, wie Senn erklärt. Es zeigte sich jedoch, dass der Effekt an sich beim Hörer keine Reaktion auslöst. «Also versuchten wir einfacher zu denken», erklärt Senn – mit dem Schlagzeug.

Dabei war besonders die Vorarbeit für die Studie der grosse Brocken Arbeit. Aus 248 Songs wurden dafür die Schlagzeugparts vermessen, transkribiert und anschliessend rekonstruiert. Dies, da ein Herausfiltern des Schlagzeugs mit Filtern und Audiomanipulationen nicht denselben Effekt gehabt hätte. «Man kann Ringo Starr nicht einfach aus den Beatles herauslösen», so Senn.

«Die Ursachen für den Groove suchen wir vor allem beim Rhythmus, doch die Resultate sind widersprüchlich», sagt Senn zu den Ergebnissen. Es zeige sich zwar, dass komplexere Schlagzeugrhythmen eine höhere Groove-Wirkung haben. Doch dieser Effekt hing stark von der musikalischen Expertise der Umfrageteilnehmer ab: Berufs- und Amateurmusikerinnen und -musiker reagierten positiv auf Komplexität, während sich die Laien genauso gerne zu einfachen Rhythmen bewegen wollten.

Der Geschmack macht den Unterschied

Einen viel grösseren Einfluss hatte jedoch der eigene Musikgeschmack. «Das hat uns überrascht», so Senn. Dass der Geschmack reinspiele, sei klar gewesen. Doch dass die Teilnehmer im isolierten Schlagzeug Stile so klar erkennen und darauf reagieren, das habe er nicht erwartet.

«Schliesslich fehlten den isolierten Schlagzeugrhythmen die meisten Merkmale, die auf den Stil oder den Song schliessen lassen – wie die Instrumentierung, der Gesangsstil, die Melodie, der Liedtext oder der Sound.» Doch die Assoziation eines Rhythmus mit einem Stil oder einem Song reichte offenbar aus, um die Bewertungen zu beeinflussen. «Wir wussten natürlich, dass der Musikgeschmack die Wahrnehmung von Musik einfärbt. Die Dominanz des persönlichen Musikgeschmacks jedoch war unerwartet», so Senn.

Die Groove-Forschung suchte bisher nach universellen Faktoren, die auf die Mehrzahl der Menschen eine ähnliche Wirkung haben. Doch die Resultate der Forschung in Luzern stellen dies infrage. Nun geht es im nächsten Schritt des Forscherteams um Senn darum, den Ansatz komplett umzukrempeln und die nächste Studie dementsprechend aufzubauen (siehe Box unten).

Olivier Senn

Olivier Senn

(Bild: zVg)

Die prägende Jugend

«Die Groove-Forschung muss nun dringend ihre Perspektive erweitern», sagt Senn. «Um zu verstehen, wie eine Person auf Musik reagiert, müssen wir viel mehr über sie wissen: welche Musik sie kennt und mag, mit welcher Musik sie aufgewachsen und in welche Kultur sie eingebettet ist, und ob sie sich grundsätzlich gerne zu Musik bewegt.»

Musikgeschmack könne zwar trainiert und verändert werden, «entscheidend sind aber vor allem die Teenagerjahre», so Senn. Er sei beispielsweise 1970 geboren und deshalb musikalisch ein Kind der 80er-Jahre, erklärt er. «Deshalb wird es für mich so richtig gut, wenn Michael Jackson oder Prince aus den Boxen dröhnt.»

 

 

Wie weiter?

Nun, für einen nächsten Schritt haben die vier Luzerner Forscher – Olivier Senn, Lorenz Kilchenmann, Toni Bechtold und Florian Hoesl – ihren Groove-Fragebogen überarbeitet, um geschmackliche besser von motorischen Reaktionen unterscheiden zu können. Und ab 2019 plant das Team eine neue, gross angelegte Studie, die auf kontextuelle Faktoren der Hörerinnen und Hörer sowie das Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug fokussieren wird.

 

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